Rheinisches Ärzteblatt 12/ 2022

Gesundheits- und Sozialpolitik 26 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 12 / 2022 ausschließen, wie zum Beispiel eine bereits bestehende Vollmacht oder Betreuungsverfügung. Voraussetzung dafür ist, dass sichÄrztinnen und Ärzte zuvor von den vertretenden Ehegattinnen und Ehegatten schriftlich versichern lassen, dass diese das Vertretungsrecht bisher nicht ausgeübt haben und kein Ausschlussgrund vorliegt. Ärztinnen und Ärzte in der ambulanten Versorgung sollten ihre Patientinnen und Patienten frühzeitig danach fragen, wie sie das Notvertretungsrecht für Ehegatten umsetzenwollenund sie zudemauf die anderen Möglichkeitenwie eine Patientenverfügung, eine Betreuungsverfügung oder eine allgemeine Vollmacht, auch Generalvollmacht genannt, aufmerksam machen. In bestimmten Fällen sieht das Gesetz eine Genehmigung durch das Betreuungs- gericht vor. Das gilt bei • lebensgefährdenden medizinischen Maßnahmen nach § 1904 Absatz 1 Satz 1 BGB außerhalb der inAbsatz 1 Satz 2 (Gefahr im Verzug) und Absatz 4 (Einvernehmen zwischen Betreuer und Arzt) geregelten Ausnahmen • Maßnahmen mit dem Risiko eines schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schadens nach § 1359 Absatz 6 in Verbindung mit § 1829 Absatz 1 bis 4, BGB • freiheitsentziehenden Maßnahmen nach § 1358 Absatz 6 in Verbindung mit § 1831 Absatz 4 in Verbindung mit Absatz 2. Frage nach der Haftung noch unbeantwortet Die Frage, wie sich das Notvertretungsrecht für Ehegatten (§ 1358 BGB) auf die HaftungderÄrztinnenundÄrzte auswirkt, bleibt derzeit noch unbeantwortet. Zwar bestätigt die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt schriftlich die Angaben des vertretungswilligen Ehegatten. Es bleibt aber unklar, ob sich daraus für die Ärztin oder den Arzt eine Nachforschungspflicht ergibt oder ob er sichauf dieVersicherungdes Ehegatten verlassen und das Vorliegen der Voraussetzungen für die Vertretung beziehungsweise das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen ohne weitergehende Nachforschungen bestätigendarf. Hier werdendie Gerichte gefordert sein. Christina Hirthammer-Schmidt-Bleibtreu ist Justiziarin der Ärztekammer Nordrhein (ÄkNo) und leitet das Ressort Juristische Grundsatzfragen der Rechtsabteilung der ÄkNo. Dem vertretenden Ehegatten steht nach § 1358Absatz 2 BGB zudemeinEinsichtsrecht in Krankenunterlagen zu sowie das Recht, die Weitergabe der Krankenunterlagen an Dritte zu bewilligen. Ärztinnen und Ärzte sind also in Fällen, in denen Ehegatten nach dem Notvertretungsrecht berechtigt sind, Entscheidungen in Angelegenheiten der Gesundheitssorge für den Ehepartner zu übernehmen, demvertretendenEhegattengegenüber von ihrer Schweigepflicht entbunden. Ausnahmen vom Vertretungsrecht Das neue Vertretungsrecht kann der Ehegatte nach § 1358 Absatz 1 BGB jedoch nur ausüben, wenn die Ausübung dieses Rechts nicht ausgeschlossen ist. Dies ist der Fall, wenn • die Ehegatten getrennt leben, • dem vertretenen Ehegatten oder den be- handelnden Ärztinnen und Ärzten be- kannt ist, dass der nun entscheidungs- unfähige Ehegatte nicht durch den Ehegatten vertreten werden will, oder • der betroffene Ehegatte bereits jemanden zur Wahrnehmung dieser Aufgaben be- vollmächtigt hat beziehungsweise • für den erkrankten Ehegatten in betreffen- der Sache bereits ein rechtlicher Betreuer bestellt wurde. Schriftlich bestätigen, erklären, versichern Der Gesetzgeber schreibt vor, dass die behandelnden Ärztinnen oder Ärzte schriftlich bestätigen müssen, dass der vertretene Ehegatte aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit seine Angelegenheiten der Gesundheitssorge nicht selbst besorgen kannund seinEhepartner aus diesemGrund berechtigt ist, ihn zu vertreten. Sie müssen auchden Zeitpunkt, zudemdieseVoraussetzungen spätestens eingetreten sind, schriftlich bestätigen. Ärztinnen und Ärzte müssen darüber hinaus dem vertretenden Ehegatten schriftlich bestätigen, dass die Voraussetzungen dafür vorliegen, dass dieser seinen Partner oder seine Partnerin in Angelegenheiten der Gesundheitssorge vertreten darf und dass keine Gründe vorliegen, die eine Vertretung Ab 1. Januar 2023 tritt das Notvertretungsrecht für Ehegatten in Kraft. Es regelt das gegenseitige Vertretungsrecht für Ehepart- ner in Angelegenheiten der Gesundheitssorge für den Notfall. Ärztinnen und Ärzten kommt hierbei eine entscheidende Rolle zu. von Christina Hirthammer- Schmidt-Bleibtreu Ab dem kommenden Jahr sind Ehegatten berechtigt, für ihre Ehepartnerin oder ihren Ehepartner Entscheidungen zu treffen, wenn diese aufgrund einer Erkrankung oder aufgrund von Bewusstlosigkeit nicht in der Lage sind, ihre Angelegenheit der Gesundheitssorge selbst zu erledigen. Bis dato konnte ein Ehegatte den anderen Ehegatten nur dann vertreten, wenn eine Vorsorgevollmacht vorlag oder das Betreuungsgericht den Ehegatten zum rechtlichen Betreuer bestellt hatte. AnfangMai dieses Jahres hat der Bundestag nundas sogenannteNotvertretungsrecht für Ehegatten (§ 1358 Bürgerliches Gesetzbuch, kurz BGB) beschlossen. Es umfasst die Einwilligung in oder die Untersagung von UntersuchungendesGesundheitszustandes, Heilbehandlungen oder ärztlichen Eingriffen. Es berechtigt den vertretenden Ehegatten, Behandlungsverträge, Krankenhausverträge oder Verträge über eilige Maßnahmen der Rehabilitation und der Pflege abzuschließen und durchzusetzen. Er darf auch über freiheitsentziehende Maßnahmen entscheiden, sofern die Dauer der Maßnahme imEinzelfall sechsWochennicht überschreitet. Zudem steht es ihm zu, Ansprüche geltend zu machen, die dem oder der Erkrankten aus Anlass der Erkrankung gegenüber Dritten zustehen, diese an die Leistungserbringer abzutreten oder Zahlung an diese zu verlangen. Das Vertretungsrecht umfasst auch die ärztliche Aufklärung. Das Notvertretungsrecht ist zeitlich begrenzt und gilt für längstens sechs Monate. Sofern für eine längere Zeit eine rechtliche Vertretung benötigt wird,muss nachAblauf der sechs Monate eine gesetzliche Betreuung durch das Betreuungsgericht bestellt werden. Ehegatten dürfen sich ab 2023 im Gesundheitsnotfall vertreten

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