Rheinisches Ärzteblatt 12/ 2022

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 12 / 2022 25 Spezial Die gängigen Hygienemaßnahmen in den Praxen sind in der Regel ausreichend, um Patienten und Mitarbeiter vor multiresistenten Erregern zu schützen, betonte Professorin Dr. Pia Hartmann, Departmentleitung der Klinischen Infektiologie des St. Vinzenz- Hospitals in Köln. Nach Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) aus dem Jahr 2014 sollten Ärztinnen und Ärzte beim Kontakt mit MRSA-Patienten sowohl einen Schutzkittel, als auch einen Mund-Nasen-Schutz anlegen und unmittelbar nach der Behandlung die Hand- und Hautkontaktflächen mit schnell wirkenden Desinfektionsmitteln desinfizieren. Die persönliche Schutzausrüstung sollte nach der Behandlung entsorgt werden. Würden Patienten aus dem Krankenhaus entlassen und ambulant weiterbehandelt, sei es wichtig, dass beide Sektoren bei der anschließenden Behandlung eng zusammenarbeiten. Multiresistente Erreger in den Praxen Eine weitere ehemals tropische Infektionskrankheit, die erstmals 2018 in Deutschland nachgewiesen wurde, ist das West-Nil-Fieber. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts, das zu der Erkrankung eine eigene Webseite betreibt, gelangte das West-Nil-Virus durch Zugvögel nach Europa, wo es in Südeuropa saisonal zu Übertragungen kommt. Nachdem 2018 erstmals in Deutschland eine Zirkulation des Virus unter Vögeln und Pferden nachgewiesen wurde, registrierte man 2019 erstmals auch Erkrankungen bei Menschen. Als Vektor diene dabei die deutschlandweit verbreitete Culex-Mücke. Diese infiziere sich an Vögeln mit dem Virus und übertrage es dann auf den Menschen. Laut Robert Koch-Institut kann das West-Nil-Fieber auch durchOrgantransplantationen und Bluttransfusionen übertragen werden. Neben eingewanderten Exoten wie der Aedes-Mücke begünstigt der Klimawandel auch die Ausbreitung von Zecken. Durch mildere Winter würden sie die kalte Jahreszeit überstehen und seien folglich ganzjährig aktiv, so das RKI. Die höhere Durchschnittstemperatur führe dazu, dass sich die Zecken dann auch höher gelegene Berggebiete erschließen und sich dort verbreiten könnten. Die Folge seien eine Ausbreitung von Borreliose undder FSME. FSME-Risikogebiete dehnten sich dabei weiter nach Norden aus und die ersten Krankheitsfälle träten immer früher im Jahr auf. Derzeit noch selten, aber durch den Klimawandel ebenfalls auf demVormarsch sind Internist Koldehoff zufolge die Nicht-Cholera-Vibrionen. Sie vermehren sich vor allem im warmen Salzwasser bei Temperaturenüber 20Grad stark, sind aber auchdort anzutreffen, wo Salzwasser auf Süßwasser trifft, wie an Flussmündungen. Ein Großteil der 120 zwischen 2003 und 2020 gemeldetenmit Vibrionen infiziertenPatientinnenund Patienten litt dabei anWundinfektionen, ferner traten Ohrinfektionen, primäre Septikämie und Gastroenteritis auf. Koldehoff prognostizierte, dass die Infektionsgefahr durch Nicht-Cholera-Vibrionen vor allem an Nord- und Ostsee zunehmen werde. Mehr multiresistente Erreger Bei den Infektionserkrankungen stellen vor allem multiresistente Erreger Ärztinnen und Ärzte vor große Herausforderungen. In einigen exotischen Reiseländern existierten zum Beispiel bereits große Populationen anmultiresistenten Bakterien. Durch Fernreisen könnten diese dann verbreitet werden, sagte Professorin Dr. Pia Hartmann, Departmentleitung der Klinischen Infektiologie des St. Vinzenzhospitals in Köln. Nach ihren Angaben verursachen die Erreger Escherichia coli, Klebsiella, Enterobacter, Pseudomonas aeruginosa und Acinetobacter weltweit den Großteil der geschätzten Todesfälle, die auf multiresistente Erreger zurückzuführen sind. In südeuropäischen Ländern wie Spanien, Italien und Griechenland, aber auch außerhalb Europas wie in Israel, Mexiko und Indien seienmultiresistente Populationen von Acinetobacter baumannii aktuell noch stärker verbreitet als in Deutschland. Während hierzulande nur knapp fünf bis zehn Prozent der Isolate Multiresistenzen aufwiesen, seien es in Teilen von Süd- und Osteuropa bis zu 80 Prozent. Dieser Erreger habe eine hohe Umweltresistenz und sei nur sehr schwierig ambulant zu behandeln, weshalbAusbrüche eine große Herausforderung darstellten. Wenn ein Patient sichmit neuartigen Symptomen vorstelle und nicht auf eine Standardantibiotika-Therapie anspreche, empfiehlt Hartmann, in jedem Fall eine Reiseanamnese durchzuführen. Auch bei der Behandlung von ausländischen Patienten in Deutschland sollte dies berücksichtigt werden. So zeigten Daten des Robert-Koch-Instituts, dass Geflüchtete aus der Ukraine einen relativ hohen Anteil an antimikrobieller Resistenz bei invasiven Isolaten zeigten. Insbesondere bei vorbehandelten Patienten mit Verletzungen und Wunden sei es möglich, dass Infektionen durch Erreger wie Acinetobacter baumannii vorkämen. Das Robert-Koch-Institut empfehle daher bei Verlegungen zwischenKrankenhäusernundÜbernahmenaus stationärenEinrichtungeneinentsprechendes Screening. Als Folge der Ausbreitung von multiresistenten Erregern stehen Hartmann zufolge weniger Antibiotika zur Verfügung und diese hätten eine geringereWirksamkeit. Die Entwicklung neuerWirkstoffe sei mit hohen Kosten verbunden und lohne sich aus Sicht vieler Pharmaunternehmen kaum, weil die neuen Präparate in der Regel als Reserveantibiotika vorgesehen würden. Da neben Fernreisen auch der Kontakt zu Nutztieren ein möglicher Risikofaktor für eine Kolonisation durch multiresistente Erreger ist, forderte Hartmann eine massive Reduktion des Einsatzes von Antibiotika in der Tierzucht. Aber auch Ärztinnen undÄrzte hättenPräventionsmöglichkeiten. So sollten Antibiotika so wenig wie möglich, in einer adäquaten Therapiedauer und in der richtigen Dosierung angewendet werden.

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