Seite 66 - Werder_Magazin_30

Basic HTML-Version

V
iele Schach-Fans sahen
ihre hochgesteckten
Erwartungen erfül lt:
Das Duell der beiden
‚Liga-Riesen‘ Baden-Baden (Elo-
Durchschnitt 2.721) und Werder
Bremen (Elo-Durchschnitt 2.671)
im Weser-Stadion bot bei regem
Zuschauerinteresse die erhoffte
Spannung und Dramat ik. Um
seine knappe Führung vor den
Grün-Weißen zu behaupten,
zeigte der favorisierte Titelver-
teidiger, wie ernst er die Partie
nahm, und trat erstmals seit
zwei Jahren mit dem indischen
Weltmeister Viswanathan Anand
am Spitzenbrett an. Dagegen
musste Werder auf den erkrank-
ten Vugar Gashimov verzichten
und aktivierte dafür den ukraini-
schen GM Pavel Eljanov.
Schon bald zeichnete
sich ein
ganz enges Match ab. Während
an den meisten Brettern um
kleine Vorteile gerungen wurde,
fand die packende Partie zwi-
schen Anand und Eljanov schnell
allergrößte Aufmerksamkeit. Of-
fenbar war der Champion kampf-
lustig und wählte gegen Eljanovs
sehr spezielle Slawisch-Version
mit dem doppelten Aufzug sei-
nes Königsbauern ein aggressives
Gambit des Bauern c4 für Initia-
tive. Schon nach wenigen Zügen
brachte der Ukrainer die Varian-
ten durcheinander, wusste nicht
mehr weiter und geriet in einen
höllischen Angriff. Doch ange-
sichts haarsträubender Kompli-
kationen zeigte auch ‚der Tiger
von Madras‘ takt ische Schwä-
chen, verpasste diverse verhei-
ßungsvolle Fortsetzungen und
verlor zunehmend den Faden.
Kurz nach der ersten
Zeitkontrol-
le (also nach vier Stunden), der
schwarze Wanderkönig hatte
inzwischen im weißen Lager
auf h3 (!) Unterschlupf gefun-
den, boten sich Eljanov unge-
ahnte Gewinnmög l ichkeiten.
Doch zur großen Enttäuschung
des Werder-Anhangs schwä-
chelte nun wieder der Ukrainer,
der den weißen König fest in
der Zange hatte, verpasste im
41. und 42. Zug Sieg bringende
Fortsetzungen mit Bauerndurch-
bruch bzw. Qualitätsgewinn und
ließ schließlich seinen großen
Gegner ins Remis entschlüpfen.
Ansonsten hätte Eljanov als Held
des Tages dem Weltmeister die
erste Niederlage in der Bundesli-
ga überhaupt zugefügt und sogar
Werders Chancen auf den Meis-
tertitel aufrechterhalten.
Auch in der Partie
zwischen Pe-
ter-Heine Nielsen und Werders
Tomi Nybäck an Brett sieben
leistete sich Nielsen im 30. Zug
einen schweren Fehler, den Wer-
ders Finne in seiner Zeitnot aber
nicht ahnden konnte (remis/40).
Da mit Ausnahme
des dritten
Brettes, wo Laurent Fressinet in
passiver Lage von Michael Adams
ausgiebig ‚geknetet‘ wurde, alle
anderen Begegnungen trotz ver-
einzelter leichter Turbulenzen,
zum Beispiel bei McShane vs
Shirov, einem friedlichen Ende
entgegensteuerten, kippte nun
das Match zugunsten des Titel-
verteidigers. Nach sechseinhalb
Stunden gab sich Werders Fran-
zose geschlagen, und die Kur-
städter standen mit dem denkbar
knappen 4,5:3,5-Sieg über ein
Werder-Team, das sich tadellos
präsentiert hatte, drei Spieltage
vor Saisonschluss praktisch schon
als erneuter Meister fest.
Der Vergleich
mit der SG Trier, ge-
staltete sich für die nominell hoch
überlegenen Werderaner ziemlich
einseitig. Allein Zahar Efimenko
hatte einen rabenschwarzen Tag
erwischt und ließ sich vom 180
Elo-Punkte leichteren GM Lasz-
lo Gonda regelrecht ‚eintüten‘.
Außer zwei Remisen gaben die
Grün-Weißen dann aber nichts
mehr ab und revanchierten sich
für die Vorjahrespleite mit einem
überzeugenden 6:2.
Vor der letzten
Doppelrunde
am 14./15. April 2012 in Ber-
lin nimmt der SV Werder somit
Platz zwei ein. Und sollten keine
großen Überraschungen mehr
passieren, dürfte es auch dabei
bleiben.
C. D. Meyer
Weltmeister im Weser-Stadion
Der Inder Viswanathan Anand trat für die OSG Baden-Baden
gegen den SV Werder an und wankte, stürzte aber nicht.
Foto: A. Burblies
ERGEBNISSE
SV WERDER BREMEN –
OSG BADEN-BADEN 3,5:4,5
1 Eljanov – Anand
remis
2 Efimenko – Svidler
remis
3 Fressinet – Adams
0:1
4 McShane – Shirov
remis
5 Areshchenko – Bacrot
remis
6 Roiz – Naiditsch
remis
7 Nybäck – Nielsen
remis
8 Hammer – Kasimdzhanov remis
SG TRIER –
SV WERDER BREMEN 2:6
1 Cyborowski – Eljanov
remis
2 Gonda – Efimenko
1:0
3 Gordon – Fressinet
0:1
4 Jaracz – McShane
0:1
5 Galyas – Areshchenko
remis
6 Seger – Roiz
0:1
7 Cioara – Nybäck
0:1
8 Kolbus – Hammer
0:1
Titel erneut verpasst
Einmal
mehr ist der SV Werder im Rennen um den deutschen
Meistertitel knapp gescheitert. Im Spitzenspiel musste
sich der Tabellenzweite dem Ligaprimus OSG Baden-
Baden mit 3,5:4,5 geschlagen geben.
66 WERDER MAGAZIN 288
SCHACH