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er 13. Spieltag der Sai-
son 1969/1970 brachte
den rund 10.000 Zu-
schauern im Weser-
Stadion wenig Erwärmendes.
Auf dem Rasen lieferten sich der
SV Werder und Rot-Weiß Essen
einen mehr als durchwachsenen
Kick, und auch das nass-kalte
Novemberwetter trug seinen
Teil dazu bei, dass das Gefühls-
thermometer bis auf den Gefrier-
punkt sank.
Die Grün-Weißen
(Platz 16)
stemmten sich gegen den dro-
henden Abstieg, die Gäste aus
dem Ruhrgebiet (Platz 13) stan-
den in der Tabelle kaum besser
da. Werders Heinz-Dieter Hasen-
brink hatte zwar bereits in der
13. Minute für die 1:0-Führung
gesorgt, doch 20 Minuten vor
dem Ende glich der Liga-Neuling
plötzlich aus. Ein Gegentor, das
die Werder-Fans aus ihrem zwi-
schenzeitlichen ‚Winterschlaf‘
holte – plötzlich war wieder ihre
volle Unterstützung gefragt. Ein
Zuschauer sollte es mit seinem
Support jedoch übertreiben.
Bereits zu Beginn
der zweiten
Halbzeit hatte sich ein Werder-
Fan hinter dem Tor von Essens
Schlussmann Fred-Werner Bock-
holt positioniert. Was heutzuta-
ge ein Ding der Unmöglichkeit
wäre, war damals gang und gäbe.
„Bei meinem ersten Bundesliga-
Spiel auf Schalke standen die Zu-
schauer mit den Füßen im Netz“,
erzählt Bockholt. Dabei blieb
es allerdings friedlich: „Es kam
höchstens mal ein Spruch, aber
ansonsten war Ruhe.“ Anders in
Bremen: Denn in der 76. Minu-
te, die Werderaner waren gerade
im Angriff, stand der besagte
Fan plötzlich im
Essener Fünfmeter-
Raum. „Ich hab ihn
im Augenwinkel
wahrgenommen und genau in
dem Moment das Tor kassiert“,
erinnert sich der RWE-Keeper.
Werder-Stürmer Ole Björnmose
hatte zwei Verteidiger ausge-
spielt und den Ball ins Tor gedro-
schen. Bis die Essener die skurri-
le Situation realisiert hatten und
auf Schiedsrichter Anton Binder
einredeten, war der
Störenfried längst in
der Obhut von Ord-
nungskräften ver-
schwunden. Der Unparteiische
entschied auf regulären Treffer
– und der SVW ging schließlich
als Sieger vom Platz.
Die Spielzeit 1969/1970
hatte
noch ein weiteres – ganz ähnli-
ches – Kuriosum zu bieten: So
wurde Schalkes Friedel Rausch
von einem Schäferhund in den
Hintern gebissen, nachdem
Ordner das Tier von der Leine
gelassen hatten. Beide Szenen
trugen dazu bei, dass sich die
Bundesliga-Stadien veränderten.
Arenen, die für die anstehende
Weltmeisterschaft im eigenen
Land entstanden, wurden vor-
sorglich mit Zäunen ausgestat-
tet. Die Bezeichnung ‚zwölfter
Mann‘ sollte nie wieder so wört-
lich umgesetzt werden, wie vom
unbekannten Bremer im Novem-
ber 1969.
Jörn Lange
Werders zwölfter Mann
In den Anfangsjahren der Bundesliga wurde
bisweilen unter abenteuerlichen Bedingungen
gespielt, zumindest aus heutiger Sicht. Auch in
Bremen ereignete sich Kurioses.
Foto: imago
50 JAHRE BUNDESLIGA
WERDER MAGAZIN 302 77
Kurioses Erlebnis im Weser-
Stadion
Werder-Angreifer Ole
Björnmose (re.) mit Torwart
Fred-Werner Bockholt und Ge-
org Jung von Rot-Weiß Essen.
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