W
enn ich zurück-
blicke, war mein
Wechsel zum SV
Werder eine glück-
liche Fügung des Schicksals. Aus
sportlicher Sicht gab es für mich
1985 eigentlich wenig Grund für
Veränderungen. Ich war Stamm-
spieler bei Atletico Madrid, und
gerade erst hatten wir den spani-
schen Pokal gewonnen. Dann aber
kam es in der Liga zu einem Streik,
wodurch ich ablösefrei wechseln
konnte. Diese Gelegenheit hat
sich Otto Rehhagel nicht entgehen
lassen. Er kannte mich aus der ge-
meinsamen Zeit bei Borussia Dort-
mund und hatte mich kurz zuvor
auch schon beobachtet.
Aus den Augen
verloren haben
wir uns ohnehin nie. Otto hatte
zwar immer eine extrem hohe
Telefonrechnung, aber dafür ha-
ben er und seine Frau Beate ihre
Kontakte immer sehr gut gepflegt.
Das Timing war perfekt. In Spani-
en war die Perspektive für mich
ungewiss – und Otto suchte für
den SV Werder einen soliden Ar-
beiter. Jemanden mit einer guten
Balleroberung, der dafür sorgte,
dass sich die Stürmer wie Rudi
Völler oder später Karl-Heinz
Riedle vorne auf das Tore schie-
ßen konzentrieren konnten.
Mein erstes Bundesliga-Spiel
im Trikot des SVW machte ich
gegen Schalke 04. Weil ich acht
Jahre lang für den großen Riva-
len Borussia Dortmund aufge-
laufen war, habe ich natürlich
ein gewisses Kribbeln verspürt.
Besonders in Erinnerung geblie-
ben sind mir aber die Spiele, in
denen man wusste: ‚Jetzt geht’s
um etwas‘. Beim VfB Stuttgart
hätte uns 1986 zum Beispiel ein
Unentschieden gereicht, dann
wären wir deutscher Meister ge-
wesen. Stattdessen verloren wir.
So etwas vergisst man genauso
wenig wie ein gewonnenes End-
spiel.
Toll waren
auch die internationa-
len Auftritte. Uns ist es oft gelun-
gen, ein schlechtes Hinspiel in der
zweiten Partie noch umzubiegen.
Ich weiß noch, wie 1988 die
Spieler des BFC Dynamo auf dem
Zaun saßen und mit ihren Fans
gefeiert haben. Die hatten uns
in Berlin gerade 3:0 besiegt und
waren sich sicher, dass das Er-
reichen der nächsten Runde nur
noch Formsache ist. So etwas ha-
ben wir uns sehr genau gemerkt,
im Rückspiel waren wir dadurch
natürlich extrem motiviert. Der
Ausgang ist bekannt: Fünf Wer-
der-Tore später war das zweite
‚Wunder von der Weser‘ perfekt.
Dass wir in der Rehhagel-Ära
derart erfolgreich sein würden,
konnte man 1985 nicht ahnen.
Ab Ende der Achtziger Jahre ha-
ben wir gefühlt jedes Jahr einen
Titel gewonnen – und da ich lan-
ge Zeit Mannschaftskapitän war,
durfte ich Meisterschale, DFB-
Pokal und Europapokal sogar
als Erster in Empfang nehmen.
Welcher Erfolg der schönste war,
kann ich gar nicht genau sagen.
Das Einzige, was ich sicher weiß,
ist, dass ich die Trophäen immer
viel zu schnell wieder aus der
Hand gegeben habe…
Ich habe weit mehr
als 500 Bun-
desliga-Spiele gemacht und war
dabei glücklicherweise fast nie
verletzt, wahrscheinlich auch,
weil ich immer sehr gut in meinen
Körper hineingehorcht habe. Vor
allem aber hat mir mein Beruf un-
wahrscheinlich viel Spaß gemacht.
Selbst wenn ich alles Geld der
Welt verdient hätte, die Fußball-
schuhe hätte ich niemals an den
Nagel gehängt. Nur einer hat mir
den Spaß fast immer genommen:
Klaus Allofs. Als wir noch Gegner
waren, hatte ich Klaus meist 80
Minuten lang im Griff. Am Ende
hat er trotzdem getroffen…“
Aufgezeichnet von Jörn Lange
Rekordspieler
Mirko Votava war nicht nur lange Zeit Kapitän des SV Werder, sondern
liegt in der Tabelle der Spieler mit den meisten Bundesliga-Einsätzen ligaweit auf
Rang fünf. Viele seiner 546 Partien absolvierte er unter Trainer Otto Rehhagel (Foto
rechts, li.), zahlreiche auch gemeinsam mit Klaus Allofs (Foto Mitte, li.).
WERDER MAGAZIN 320 67
SPIELE MEINES LEBENS
„Klaus hat mir
den Spaß genom-
men“
Werder-Idole erinnern
sich an ihre größten Spiele in grün-
weiß. Heute: Mirko Votava über
perfektes Timing, furiose Aufhol-
jagden und seinen unangenehms-
ten Gegenspieler.
Fotos: picture-alliance, imago