WERDER MAGAZIN Nr. 349

WERDER MAGAZIN 349 33 FLYERALARM FRAUEN-BUNDESLIGA reich. Die Ausnahme war das Remis in Jena, wo wir auch gerne gewonnen hätten. Aber aufgrund der Spielumstände mussten wir mit dem Punkt zufrieden sein. Außerdem haben wir immer gesagt, dass wir Bonuspunkte sammeln müssen. Das ist uns gegen Essen gelungen und vor allem mehr als überraschend mit dem Sieg gegen Eintracht Frankfurt. Wie beurteilen Sie die Arbeit von Trainer Thomas Horsch? Er ist ein Schlüssel zum Erfolg – gemeinsam mit seinem gesam- ten Staff. Mit ihm haben wir zum ersten Mal in der Historie des Frauenfußballs bei Werder einen sehr erfahrenen Trainer. Vorher hatten wir regelmäßig jungen Trainern die Chance gegeben. Das macht sie nicht schlechter, aber es war immer mit Entwicklungs- phasen verbunden. Thomas muss diese Entwicklung nicht mehr durchmachen. Zudem ist er sehr gut vernetzt und sehr kreativ in der Lösung von Problemen. Er hat intern ein hervorragendes Standing. Dass ein Fußballlehrer, der bereits im Männerbereich in der Bundesliga tätig war, im Frauenbereich trainiert, ist ein- malig. Von dieser Expertise profitieren wir enorm. Man merkt zudem, dass die Mannschaft deutlich athletischer geworden ist. Gerade in den unteren Regionen der Tabelle ist das ein Mittel zum Erfolg, weil man sehr viel in der Defensive kämpfen muss. Der Frauenfußball in Deutschland muss und will sich weiter pro- fessionalisieren. Wie ist der Stand? Derzeit gibt es diesbezüglich enorm viel Bewegung und intensive Diskussionen. Der Fußball-Verband Rheinland hat den Antrag gestellt, die Frauen-Bundesliga aus dem DFB zu lösen und auf eigene Füße zu stellen. Es gibt Diskussionen über den Erhalt oder die Veränderung der B-Juniorinnen-Bundesliga, dazu Überlegun- gen zu neuen Marketingkonzepten. Alle spüren, dass im Ausland die Professionalisierung stärker voranschreitet, zum Beispiel in England oder Italien. Ich bin sehr gespannt auf die weitere Entwicklung. In der Theorie ist vieles immer sehr schön, aber es kommt auf die Umsetzung an. Ist es noch zeitgemäß, dass die Liga unter dem Dach des DFB spielt? Das ist die Kernfrage, die sich alle stellen. Ich bin dem DFB ge- genüber oft sehr kritisch, muss aber auch sagen, dass ich die Kritik manchmal ungerecht finde, weil wir als Vereine vieles auf den DFB schieben. Wenn man die Heterogenität der Liga be- trachtet, sollten wir erstmal ‚vor unseren eigenen Türen kehren‘ und schauen, wo die Defizite liegen. Ich bin davon überzeugt, dass die Verantwortlichen und Mitarbeitenden beim DFB Voll- gas für den Frauenfußball geben. In einem möglichen Liga-Ver- band müsste man auch die 2. Bundesliga hinzunehmen. Die ist aber strukturell so defizitär, dass das große Probleme bereiten würde. Und nur die erste Liga abzuspalten, wäre fatal. Es muss zweifellos noch einiges besser werden, aber gleich alles umzu- werfen, und das in kurzer Zeit, ist aus meiner Sicht keine Option. Perspektivisch hätte ein Liga-Verband sicher Vorteile. Wann wird es in Deutschland eine Profi-Liga im Frauenfußball geben? Eine Liga, in der alle Spielerinnen vom Fußball leben können? Vielleicht irgendwann bis zu meiner Rente (lacht) . Vielleicht geht es auch ganz schnell, denn die Frage ist, von welchen Zahlungen wir reden. Natürlich wird es zunehmend Spielerinnen geben, die von einer kleinen Summe leben können und somit Profi sind. Aber dass Frauen durch ihre Fußball-Karriere für eine gewisse Zeit danach ausgesorgt haben, wird noch lange dauern. Daher brau- chen sie einfach ein zweites Standbein. Aus sportlicher Sicht wäre es natürlich erstrebenswert, dass sich die Spielerinnen ausschließlich auf den Fußball konzentrieren können. Aber da- für müssten sie nicht nur davon leben, sondern auch erhebliche Rücklagen bilden können. Noch einmal zurück zum bereits erwähnten internationalen Ver- gleich: Wie ist die FLYERALARM Frauen-Bundesliga hier aufge- stellt? Alle schwärmen von England, das uns vermeintlich überholt hat und ein bisschen enteilt ist. Zuletzt allerdings hat der VfLWolfs- burg in der Champions League mit 4:0 gegen den FC Chelsea gewonnen. Wir sollten uns daher mit der sportlichen Qualität unserer Vereine und Mannschaften nicht kleiner machen, als wir sind. In einigen Bereichen ist England aber tatsächlich Vorbild. Die Männerclubs haben Auflagen und Verpflichtungen, sich zum Frauenfußball zu bekennen. Wirtschaftlich gibt es in England andere Möglichkeiten als bei uns. Auch auf die Zuschauerzahlen kann man neidisch blicken. Ob die sportliche Qualität auf Dauer besser ist, wird sich zeigen. Wie muss sich Werder aufstellen, um sich im immer härteren Konkurrenzkampf zu behaupten und auch in den nächsten Jah- ren erstklassig zu bleiben? Bayern, Wolfsburg oder Hoffenheim sind uns derzeit sehr weit voraus. Auch die anderen Männer-Bundesligisten, die mit ihren Frauen in der ersten Liga spielen, legen nach, professionalisieren sich weiter. Der SC Freiburg zum Beispiel hat einen neuen Sport- lichen Leiter eingestellt. Niemand schläft. Und wenn perspekti- visch auch noch Clubs wie RB Leipzig, Borussia Dortmund oder Schalke 04 mit ihren Frauen-Teams in die Bundesliga drängen, wird es nicht leichter für uns. Wir müssen einfach weiter besser werden. Das Ziel muss es sein, uns so aufzustellen, dass wir auf Dauer mit den Clubs im Mittelfeld der Tabelle konkurrieren kön- nen und der Blick nicht immer nur darauf geht, dass wir am Ende ‚über dem Strich‘ stehen. Interview: Martin Lange

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