Tätigkeitsbericht Ärztekammer Nordrhein 2014 - page 22

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Jahresbericht 2013
Ärztekammer
Nordrhein
Allgemeine Fragen der Gesundheits-, Sozial- und Berufspolitik
Der neue Krankenhausrahmenplan:
Unterwegs zur Klinik der Zukunft?
Nordrhein-Westfalen hat einen neuen Krankenhausrahmenplan. ImMittelpunkt sollen nicht
mehr die Bettenzahlen stehen, sondern Qualitätsvorgaben. Kann der Paradigmenwechsel in den
anstehenden Verhandlungen zwischen Kliniken und Krankenkassen gelingen?
Wie sieht das ideale Krankenhaus aus? Moderne
Technik, großzügige, helle Räumlichkeiten, Zim-
mer, in denen sich Patienten wohlfühlen können:
Gut, aber sicher nicht ausreichend. Abgestimmte
Versorgung in interdisziplinären und multiprofes-
sionellenTeams, Beachtung der fachlichenStandards,
jederzeit verfügbare fachärztliche Kompetenz, Ko-
operation mit anderen Krankenhäusern und dem
ambulanten Bereich – schon besser. Die Liste ließe
sich fortführen: Angemessener Umgang mit mul-
timorbiden, älteren Menschen, Konzepte für eine
gute Versorgung Demenzkranker, eine kluge Be-
rücksichtigung psychischer und sozialer Faktoren
von Erkrankung. Wem auch diese Aufzählung noch
zu kurz ist, der wird im neuen Krankenhausplan
für Nordrhein-Westfalen sicher fündig werden. Auf
über 100 Seiten listet das Landesgesundheitsminis-
terium auf, wie es sich die Krankenhausversorgung
im Land künftig vorstellt.
Damit vollzieht sich ein Paradigmenwechsel. Die
Planung konzentrierte sich bisher vor allem auf eine
Frage: Wo steht welches Krankenhaus mit wie vie-
len Betten in welchen Abteilungen? Das war Grund
genug für heftige Auseinandersetzungen zwischen
Krankenkassen und den – häufig untereinander
konkurrierenden – Krankenhäusern. Fragen der
Behandlungsqualität und der dafür nötigen Struk-
turvoraussetzungen spielten zwar auch eine Rolle,
aber sie standen nicht im Vordergrund. Dieses Ver-
hältnis kehrt sich nun um. Der neue Plan stellt das
Thema Qualität so sehr in den Mittelpunkt, dass in
der Diskussion die Frage der Bettenzahlen – im-
merhin sollen bis 2015 knapp neun Prozent der voll-
stationären Betten wegfallen – in den Hintergrund
trat.
Die schiere Zahl der Betten hat in den vergange-
nen Jahren sowohl bei den Krankenhausvergütun-
gen als auch bei der Investitionsfinanzierung an Be-
deutung verloren. Umso mehr kommt es darauf an,
überhaupt in einem Versorgungsbereich tätig sein
zu können. Kriterien, die diesen Zugang regeln,
sind deswegen für alle Krankenhäuser von ent-
scheidender Bedeutung.
Qualität als „Eintrittskarte“
Genau diese Kriterien sind es, auf die der neue
Krankenhausplan setzt. Ausführliche Strukturkon-
zepte sind Bereichen gewidmet, die aus Sicht des Mi-
nisteriums besonders bedeutsam sind: Die geriatri-
sche Versorgung, die Versorgung psychisch kranker
Menschen sowie die Perinatologie und Geburtshilfe.
Regelungen enthält der Plan auch für eine Viel-
zahl weiterer Bereiche, er nimmt dabei häufig auf
Leitlinien oder Empfehlungen von Fachgesellschaf-
ten Bezug. Für Aufregung hatte die aus einer sol-
chen Empfehlung übernommene Mindestgröße von
acht Betten für Intensivstationen gesorgt, die in der
Entwurfsfassung vom Jahresanfang 2013 zu lesen
war. Die Ende Juli 2013 in Kraft getretene endgülti-
ge Fassung des Plans stellt nun klar, dass es mit Blick
auf die flächendeckende Versorgung auch künftig
erforderlich sein kann, „Intensivstationen auszu-
weisen, die über weniger als 8 Betten verfügen, so-
weit damit keine Einschränkungen der erforderli-
chen Versorgungsqualität verbunden sind“.
Dieses Beispiel zeigt, wie umstritten qualitäts-
orientierte Strukturvorgaben sein können, wenn
sie durch einen Krankenhausplan für ein ganzes
Bundesland mit sehr unterschiedlichen regionalen
Verhältnissen verbindlichen Charakter annehmen
sollen. Die beiden nordrhein-westfälischen Ärzte-
kammern hatten in ihrer Stellungnahme Klarheit
darüber angemahnt, wie die Strukturvorgaben ge-
meint seien: als allgemeine Orientierungsgröße für
die Weiterentwicklung der Versorgung, als Aus-
wahlkriterium zwischen mehreren prinzipiell ge-
eigneten Krankenhäusern – oder als verbindliches
Mindestkriterium für jedes Krankenhaus? Je verbind-
licher ein Kriterium gemeint sei, desto mehr müsse
es nicht nur fachlich gut begründet, sondern auch
eindeutig und bürokratiearm nachvollziehbar sein.
In den Mittelpunkt ihrer Vorschläge hatten die
Ärztekammern deswegen die ärztliche Qualifika-
tion gestellt. Denn nichts bestimmt die Qualität der
Krankenhausbehandlung stärker und ist zugleich
einfacher nachvollziehbar als die Weiterbildungs-
Dr. rer. pol.
Wolfgang Klitzsch,
Geschäftsführer der
Ärztekammer Nordrhein.
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