Rheinisches Ärzteblatt 3/2023

24 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 3 / 2023 verfügungen, herausforderndes Verhalten von Bewohnerinnen und Bewohnern in stationären Einrichtungen, der Wunsch nach assistiertem Suizid, aber auch Konflikte im therapeutischen Team oder zwischen Angehörigen, Behandlern und Patienten über Therapieziele. Zur Umsetzung der aufsuchenden Beratung hat am 1. Februar 2022 eine Koordinationsstelle in Trägerschaft des Palliativen Netzwerkes folgende Aufgaben übernommen: K oordination einer sektorenübergreifenden mobilen Ethikberatung und Umsetzung einer regionalen Gesundheitlichen Versorgungsplanung F ort- und Weiterbildung für die Beratung durch qualifizierte Fachkräfte S upervision und Qualitätszirkel für die Beraterinnen und Berater F örderung der Vernetzung im Gesundheitswesen Ö ffentlichkeitsarbeit Q ualitätssicherung Fachlich und personell kooperiert die Koordinationsstellemit demBildungswerk Aachen sowie mit dem Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Uniklinik der RWTH Aachen und der Palliativakademie der RWTH Aachen. Darüber hinaus wurde ein Beirat ins Leben gerufen, der die Ausgestaltung und Verstetigung des Projektes unterstützt. Kontaktstelle klärt den Bedarf Das PalliativeNetzwerk verfolgt das Ziel, allen Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens, Fachpersonen sowie Bürgerinnen und Bürgern einen niederschwelligen Zugang zu Ethikberatungen zu er- möglichen. Eine zentrale Rolle kommt hierbei der Kontaktstelle zu (www.palliatives- netzwerk-region-aachen.de). Dort wirdmithilfe eines Ersterfassungsbogens geklärt, umwelche (ethische) Fragestellung es sich handelt und ob ein Bedarf für eine mobile Ethikberatung besteht. Zu differenzieren sind hier medizinethische Fragen (zum Beispiel Therapielimitierung), sozialethische (zumBeispiel Selbstgefährdung) und normativ alltagspraktische Themen (herausforderndes Verhalten) sowie andersgelagerte Konflikte, die zum Beispiel einer Mediation bedürfen. Beratung im geschützten Raum Dasmobile Ethikberatungsteambesteht ausmaximal vier Personen. Die Kommunikation innerhalbdes Teams erfolgt über die datenschutzkonforme App Siilo. Innerhalb der Pilotphase, die für das Jahr 2023 angesetzt ist, wird jedes ethische Beratungsgespräch durch den Vorsitzenden des Klinischen Ethikkomitees des Universitätsklinikums Aachen, Professor Dr. Dominik Groß (LehrstuhlMedizinethik), oder dessen Stellvertreter Professor Dr. Roman Rolke (Lehrstuhl Palliativmedizin)moderiert und begleitet. Dieses Vorgehen soll dazu dienen, die neu zertifizierten Ethikberaterinnen und -berater bei ihremÜbergang in die Beratungspraxis professionell zu unterstützen. Die eigentliche Ethikberatungwird in einemgeschützten, ruhigenRaum in der ratsuchenden Einrichtung durchgeführt. Die US-amerikanischen Medizinethikerinnen Nancy N. Dubler und Carol B. Liebmann sehen in ihrem Standardwerk Bioethics Mediation von 2011 die Aufgaben von Ethikberaterinnen und Ethikberatern in erster Linie darin, den vorliegenden ethischen Konflikt zu artikulieren und eine Lösung zu ermöglichen, die die verschiedenen Rollen der beteiligten Parteien respektiert (zumBeispiel Patient, Familie oder medizinisches Personal). Die Ethikberater sollen demnach s icherstellen, dass alle Beteiligten Gehör finden. d ie betroffenen Personen bei der Klärung ihrer eigenen Werte unterstützen. s achliche Informationen erläutern und dazu beitragen, gemeinsame Werte anzuerkennen. d ie ethisch geeigneten Entscheidungsträger identifizieren und unterstützen. M ediation oder andere Konfliktlösungstechniken anwenden. e ine gemeinsame Grundlage für eine Lösung suchen und s icherstellen, dass dieser Konsens ethischen und rechtlichen Prinzipien entspricht. Diemobile Ethikberatung spricht gegenüber dem Behandlungsteam eine Empfehlung aus. Nach der Ethikberatung erfolgt die Dokumentation in Form eines Protokolls. Letzteres orientiert sich an den Standards der Akademie für Ethik in der Medizin (www.aem-online.de, „Ethikberatung“). Das Protokoll muss von den Beteiligten zunächst konsentiert werden und wird dann der Patientenakte beigefügt. Das Ergebnis der Beratung wird im Nachgang evaluiert. Mareike Hümmerich M.A. ist Koordinatorin mobile Ethikberatung und Gesundheitliche Versorgungsplanung im Palliativen Netzwerk für die Region Aachen e. V., Dipl.-Soz. Päd. Veronika Schönhofer-Nellessen ist Geschäftsführerin des Netzwerks und Leiterin des Bildungswerks Aachen und Professor Dr. Dr. med. dent. Dr. phil. Dominik Groß ist Direktor des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Uniklinik der RWTH Aachen. Praxis Einladung der Kreisstelle Mülheim 7. März 2023, 19:30 Uhr Evangelisches Krankenhaus Mülheim an der Ruhr Programm und Anmeldung: https://www.aekno.de/aerztekammer/ kreisstellen/kreisstelle-muelheim oder durch Scan des QR-Codes 3 CME-Punkte Kommerzialisierung der Medizin – Bleibt der Patient auf der Strecke?

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