Rheinisches Ärzteblatt 3/2023

Medizin: Eine Frage des Geschlechts? März 2023 Heft 3 / 28.2.2023 77. Jahrgang Körperschaft des öffentlichen Rechts Körperschaft des öffentlichen Rechts Hilfe für ein vergessenes Land Millionen Menschen in Somalia sind vom Hunger bedroht Praxisnachfolge dringend gesucht In Viersen führt die Ärztescoutin Interessenten zusammen Mobile Ethikberatung in Grenzsituationen Ethikberater unterstützen Behandlungsteams vor Ort

Die Veranstaltungen sind kostenfrei. Anmeldung erforderlich über unsere Homepage www.iqn.de/Fortbildungen des IQN Bitte beachten: Anrechnung der Fortbildungspunkte nur bei vollständiger Teilnahme Bei Interesse senden wir Ihnen gerne unseren Newsletter: iqn@aekno.de Kontakt Institut für Qualität im Gesundheitswesen Nordrhein Tersteegenstraße 9, 40474 Düsseldorf Tel.: 0211 4302-2752 oder -2751 iqn@aekno.de Internet www.iqn.de IQN Institut für Qualität im Gesundheitswesen Nordrhein Einrichtung einer Körperschaft öffentlichen Rechts Anmeldung und Information Begrüßung Dr. med. Sabine Mewes Stellv. Geschäftsführerin des IQN Einführung und Moderation PD Dr. med. Ines Beyer Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Direktorin der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Klinikum Leverkusen Endometriose – Ursachen, Symptome, Diagnostik Dr. med. Wilfried Hohenforst Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Endometriose Schwerpunktpraxis Niedergelassen in Mönchengladbach Nicht-operative Therapie der Endometriose PD Dr. med. Ines Beyer Operative Therapie der Endometriose Dr. med. Harald Krentel Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde, Geburtshilfe Gynäkologische Onkologie und Senologie Ev. Krankenhaus Bethesda, Duisburg MIC III/Schwerpunkt Gynäkologische Onkologie Präsident der Europäischen Endometriose Liga Endometriose und Kinderwunsch: (Wie) kann das funktionieren? Prof. Dr. med. Jan-Steffen Krüssel Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe FW Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin Leiter des Universitären interdisziplinären Kinderwunschzentrums Düsseldorf (UniKiD) Universitätsklinikum Düsseldorf Anerkannt mit 3 Fortbildungspunkten Endometriose – nicht selten und doch häufig verkannt Mittwoch, 29. März 2023,15:30–17:45 Uhr, Live Online-Seminar Achtung: Programmänderungen möglich! Videokonferenz am xx, xx , von xx:00 –xx:00 Uhr Videokonferenz: Titel Va Online Begrüßung Dr. med. Sabine Mewes Stellv. Geschäftsführerin des IQN Einführung und Moderation Dr. med. Peter Seiffert Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, Neonatologie, Kinderkardiologie und -pneumologie Chefarzt der Kinderklinik Helios St. Johannes Klinikum, Duisburg Vorstellung Notfallkoffer Frauke Schwier Fachärztin für Kinderchirurgie Ärztliche Mitarbeiterin und Geschäftsführerin in der Deutschen Gesellschaft für Kinderschutz in der Medizin (DGKiM), Köln Erläuterung des Notfallkoffers anhand von Fallbeispielen Prof. Dr. med. Sibylle Banaschak Leitende Oberärztin am Institut für Rechtsmedizin der Universitätsklinik Köln und Leiterin des Kompetenzzentrums Kinderschutz im Gesundheitswesen NRW (KKG), Köln und Leon Philipp Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin Ärztlicher Leiter der Kinderschutzgruppe Helios St. Johannes Klinikum, Duisburg Fallbeispiele zu Vernachlässigung und psychischer Gewalt an Kindern Dr. med. Gabriele Komesker Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie Leiterin der Kinderschutzambulanz am Ev. Krankenhaus Düsseldorf Anerkannt mit 2 Fortbildungspunkten Gewalt gegen Kinder und Jugendliche erkennen und richtig handeln, Teil 8 Mittwoch, 08. März 2023,15:30–17:00 Uhr, Live Online-Seminar

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 3 /2023 3 Heft 3 • März 2023 Rudolf Henke, Präsident der Ärztekammer Nordrhein Foto: Jochen Rolfes Keine Reform am grünen Tisch Der 100-Prozent-Ansatz im deutschen DRG-System hat infolge falscher Anreize vor allem unserer Krankenhausversorgung großen Schaden zugefügt. Nun spricht Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, einstiger DRG-Befürworter von einer „Revolution“ des Systems. Die Bundesländer, zuständig für die Krankenhausplanung, haben zurecht Beteiligung und Zustimmungspflicht bei dem geplanten Krankenhausreformgesetz eingefordert. Wenn die gemeinsame Gesetzgebung den richtigen Prioritäten folgt, kann daraus etwas richtig Gutes werden. Die fleißige BMG-Krankenhauskommission ist allerdings zu praxisfern, als dass ihr Konzept genügt. Denn deren Vorschläge für die Vorhaltefinanzierung belohnen weiterhin diejenigen, die sich vor allemumdieMenge ihrer Leistungen gekümmert haben. Die Vergütung durch Vorhaltebudgets zu ergänzen, ist richtig. Aber derenAnsatzpunktemüssendie Erfordernisse der Notfallversorgung und eine Abkehr von den bisherigen Mengenanreizen sein. Mengenanreizen zu folgen darf nicht besser belohnt werden, als strenge Indikationen zu stellen. Problematisch ist auch die geplante Kombination aus Levels (Ii bis IIIa) und einer Flut neuer und bislang noch gar nicht definierter Leistungsgruppen. Handelt es sich in der Stufe Ii überhaupt noch um Krankenhäuser, wenn, wie vorgesehen, vom Grundsatz abgewichen wird, dass jede Krankenhausabteilung von nicht weisungsgebundenen Ärztinnen und Ärzten geleitet werden soll? Was geschieht mit Kliniken der Regel- und Schwerpunktversorgung, die aus dem Level 2 ausgeschlossen werden, weil sie Anforderungen nur teilweise erfüllen? Hält man beispielsweise an den Vorschlägen fest, Geburtshilfe nur an Level2-Krankenhäusern zu ermöglichen, wären in NRWmehr als die Hälfte der geburtshilflichen Kliniken zu schließen. In anderen Fächern ist es ähnlich. Das liefe auf eine Ausdünnung der Versorgung und Wartelistenmedizin hinaus, die wir als Ärzteschaft nicht mittragen werden. Ohne Antwort bleibt auch, wo genügend qualifizierte Weiterbildung stattfinden soll, wenn in Zukunft nach der Folgeabschätzung für die DKG nur noch 230 Häuser in den beiden Leveln 2 und 3 übrig bleiben. Mit dem Notfallstufensystem des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) gibt es schon ein praktisch eingeführtes Modell der Notfallversorgung mit Maximalversorgern, Schwerpunktversorgern und Grundversorgern. Das genügt. Es braucht nicht noch ein quer dazu angeordnetes weiteres Stufenmodell. Und bei den Leistungsgruppen kann man an die Krankenhausplanung in NRW anknüpfen statt noch 64 neue zusätzliche Gruppen zu erfinden. Die Entwicklung der Leistungsgruppen könnten die Bundesländer künftig in gemeinsamer Verantwortung gestalten und dabei die an der Krankenhausplanung Beteiligten, also auch die Ärztekammern, einbeziehen. So können Flächendeckung und notwendige Spezialisierung miteinander verbunden werden. Weder BMG noch G-BA noch DIMDI würden dann zu Institutionen einer unrealistischen bundesweiten Krankenhausplanung umfunktioniert. Zur Definition der einzelnen Leistungsgruppen gehören dann auch Mindeststrukturvorgaben, die in einem zwischen den Bundesländern geeinten, transparenten Prozess zu entwickeln und festzulegen wären. So bleiben die Bundesländer und nicht der G-BA verantwortlich für die Krankenhausplanung. Und Qualitätssicherung konzentriert sich auf das Nötige. Auf unserer Kammerversammlung am 11. März werden wir uns intensiv mit der geplanten Reform der Krankenhausfinanzierung und deren Auswirkungen auf die Sektoren befassen. Wir erwarten, dass der nötige Transformationsprozess von Anfang an auch auskömmlich finanziert wird, damit das Versprechen an das Personal im Gesundheitswesen, mehr Zeit für die Patientenversorgung und zur eigenen Regeneration zu haben, keine leere Floskel bleibt.

Wenn die Waage das Leben bestimmt – Anorexia nervosa im Kindes- und Jugendalter Mittwoch, 10. Mai 2023, 15:30–17:45 Uhr, Live Online-Seminar Die Veranstaltungen sind kostenfrei. Anmeldung erforderlich über unsere Homepage www.iqn.de/Fortbildungen des IQN Bitte beachten: Anrechnung der Fortbildungspunkte nur bei vollständiger Teilnahme Bei Interesse senden wir Ihnen gerne unseren Newsletter: iqn@aekno.de Kontakt Institut für Qualität im Gesundheitswesen Nordrhein Tersteegenstraße 9, 40474 Düsseldorf Tel.: 0211 4302-2752 oder -2751 iqn@aekno.de Internet www.iqn.de IQN Institut für Qualität im Gesundheitswesen Nordrhein Einrichtung einer Körperschaft öffentlichen Rechts Anmeldung und Information Begrüßung Dr. med. Sabine Mewes Stellv. Geschäftsführerin des IQN Einführung und Moderation Prof. Dr. med. Bernd Hemming Facharzt für Allgemeinmedizin Niedergelassen in Duisburg Pränataler Kinderschutz Dr. med. Jan-Peter Siedentopf Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe Oberarzt und Leiter der Ambulanz für Suchterkrankungen und Infektionen in der Schwangerschaft Klinik für Geburtshilfe, Charité Universitätsmedizin Berlin Pränataler Kinderschutz aus juristischer Sicht Max C. Perick Richter am Amtsgericht Amtsgericht Recklinghausen Vorstellung der Arbeitsgruppe Prof. Dr. med. Bernd Hemming Anerkannt mit 2 Fortbildungspunkten Gewalt gegen Kinder und Jugendliche erkennen und richtig handeln, Teil 9 Pränataler Kinderschutz Mittwoch, 08. Mai 2023,15:30–17:00 Uhr, Live Online-Seminar Videokonferenz am xx, xx , von xx:00 –xx:00 Uhr Videokonferenz: Titel Va Online Achtung: Programmänderungen möglich! Begrüßung Dr. med. Sabine Mewes Stellv. Geschäftsführerin des IQN Einführung und Moderation Prof. Dr. med. Beate Herpertz-Dahlmann Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie Direktorin der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters Universitätsklinik RWTH Aachen Neue Erkenntnisse zur kindlichen und jugendlichen Anorexia nervosa und den Auswirkungen der Corona-Pandemie Prof. Dr. med. Beate Herpertz-Dahlmann Die Magersucht und ich – Gespräch mit einer ehemaligen Patientin Ehemalige Patientin im Gespräch mit Dr. med. Brigitte Dahmen M.Sc. Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie Oberärztin der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters Universitätsklinik RWTH Aachen Psyche und Soma – Auswirkungen des Hungerzustandes auf den wachsenden Organismus PD Dr. med. Jochen Seitz Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie Oberarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters Arbeitsgruppenleiter „Translationale Essstörungsforschung“ Koordinator Neuroimaging/Essstörungsforschung Universitätsklinik RWTH Aachen Eltern als Ko-Therapeuten – neue Behandlungsformen bei der jugendlichen Anorexia nervosa Dr. med. Brigitte Dahmen M.Sc. Eltern-Selbsthilfe – Ein Gespräch Monika Franzen Vorsitzende des Vereins Elternnetzwerk Magersucht e.V. und eine weitere Mutter im Gespräch mit Prof. Dr. med. Beate Herpertz Dahlmann Anerkannt mit 3 Fortbildungspunkten

Rheinisches Ärzteblatt / Heft 3 /2023 5 Medizin: Eine Frage des Geschlechts? Vergessenes Land In Somalia herrscht die schlimmste Dürre seit vier Jahrzehnten. Dazu kommen eine instabile Sicherheitslage sowie steigende Weizenpreise infolge des Ukraine-Krieges. Knapp 8,3 Millionen Menschen sind von Hunger oder Mangelernährung bedroht, schätzt die Hilfsorganisation action medeor. In die Schlagzeilen schafft es das Land dennoch nicht. Die zähe Suche nach dem Nachfolger Hausärztinnen und Hausärzte, die in den Ruhestand treten wollen, finden immer schwieriger einen Nachfolger. Der Landkreis Viersen geht jetzt mit einer „Ärztescoutin“ neue Wege. Sie bringt Interessentinnen und Interessenten zusammen. Meinung Keine Reform am grünen Tisch Seite 3 Magazin Seiten 6 bis 10 Coronapandemie: Gruppenangebote für Kinder und Jugendliche verlängert · Medizinstudium: Reform zügig umsetzen · Vor 50 Jahren · Evaluation der Weiterbildung läuft bis 31. März · Zahl der Organspender um 6,9 Prozent gesunken · Sachverständigenrat: Experten neu berufen · Kammer online · Antibiotika: Multiresistente Keime bekämpfen · Es fehlen Ärztinnen und Ärzte, die substituieren · Studium und Berufseinstieg Thema Medizin: Eine Frage des Geschlechts? Seite 12 Spezial Vergessenes Land Seite 16 Gesundheits- und Sozialpolitik Die zähe Suche nach dem Nachfolger Seite 20 Entlastung im kinderärztlichen Notdienst – Videosprechstunde hat sich bewährt – Seite 22 Praxis Mobile Ethikberatung: Hilfe in Grenzsituationen Seite 23 Forum Kinderschutz – Handeln, bevor es zu spät ist Seite 25 „Was man erreichen kann, sind kleine Fortschritte“ Seite 26 Wissenschaft und Fortbildung Versäumnisse bei der postoperativen Überwachung: Fehlinterpretierte Bewusstseinsstörung – Folge 136 der Reihe „Aus der Arbeit der Gutachterkommission“ Seite 28 Tagungen und Kurse Seite 31 Fortbildungsveranstaltungen der Ärztlichen Akademie für medizinische Fort- und Weiterbildung in Nordrhein Seite 32 RÄ Regional Seite 35 An Rhein und Ruhr Seite 39 Kulturspiegel Wohnung frei! Seite 40 Amtliche Bekanntmachungen Seite 41 Amtliche Bekanntmachungen der Ärztekammer Nordrhein auf www.aekno.de Amtliche Bekanntmachungen der KV Nordrhein auf www.kvno.de Impressum Seite 41 Titelgestaltung: Eberhard Wolf Foto: Melita/stock.adobe.com Heft 3 • März 2023 In der Medizin ist der Mann immer noch die Norm, obwohl Beispiele wie der Herzinfarkt zeigen, dass sich Krankheitssymptome bei Männern und Frauen stark unterscheiden können. Ende 2022 haben sich acht medizinische Fakultäten in NRW zu einem Netzwerk für geschlechtersensible Medizin zusammengeschlossen mit dem Ziel, diese fest in Lehre und Forschung zu verankern.

Magazin 6 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 3 / 2023 Medizinstudium Reform zügig umsetzen Die Studierenden im Hartmannbund haben Anfang Februar eine zügige Umsetzung der Reform des Medizinstudiums gefordert. Es sei frustrierend, dass die Gesundheits- und Wissenschaftsminister der Länder auch sechs Jahre nach dem Beschluss des Masterplans 2020 noch immer keine Regelung zur Finanzierung der neuen Approbationsordnung gefunden hätten (siehe auch RÄ 2, 2023, „Zähe Reformen“). Die Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK) hatte Ende Januar eingeräumt, dass eine Einigung mit den Wissenschaftsministerien gescheitert sei. Sie schlägt deshalb vor, dass nun die Ministerpräsidentenkonferenz der Länder über die Finanzierungsfragen entscheiden soll. Die GMK betonte, sie halte eine Novellierung weiterhin für geboten. HK Service Kostenloses Abo für Studierende Die Ärztekammer Nordrhein bietet Medizinstudierenden der Fakultäten in Aachen, Bonn, Düsseldorf, Duisburg-­ Essen und Köln, die das neunte Fachsemester erreicht haben, ein kostenloses Abonnement des Rheinischen Ärzteblattes an. Es erscheint monatlich mit Informationen rund um den ärztlichen Beruf, Gesundheitspolitik sowie Fort- und Weiterbildung. Interessierte senden eine Mail mit Name, Anschrift und einer aktuellen Studienbescheinigung an rheinisches-aerzteblatt@ aekno.de bre Coronapandemie Gruppenangebote für Kinder und Jugendliche verlängert Mangelnder Austausch, Isolation und Angst, in der Schule nicht mitzukommen–neben der älteren Generation sind es vor allem die Jüngeren, die unter den Folgen der Coronapandemie zu leiden hatten. Ein niederschwelliges Gruppenangebot für Kinder und Jugendliche imAlter von sechs bis 21 Jahren, das ihnen bei der Verarbeitung ihrer Erlebnisse helfen und verhindern soll, dass diese zu langwierigen Erkrankungen führen, wurde nun verlängert. Die Gruppentherapie bietet die Kassenärztliche VereinigungNordrhein seit Sommer 2022 zusammen mit dem NRW-Gesundheitsministerium (MAGS) sowie Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutenund -psychiatern an. Das Angebot setzt auf eine kurzfristige und gleichzeitig professionelle Hilfe. Im Rahmen von Gesprächen, Rollenspielen und Übungen können die jungen Betroffenen das Erlebte psychisch verarbeiten. Die Finanzierung des zunächst bis Ende 2022 laufenden Projekts wurde nun vom MAGS verlängert, sodass die Gruppenangebote auch 2023 weitergeführt werden können. Die Teilnahme ist für die betroffenen Kinder und Jugendlichen kostenlos. Seit dem Start des Hilfsangebots haben sich fast 280Gruppen gebildet, die von rund 140 Therapeutinnen und Therapeuten geleitet werden. Informationen: www.kvno. de/gruppenangebote KVNO Weiterbildung Frauenanteil bei der Facharztanerkennung betrug rund 20 Prozent „Die Zahl der weiblichen Bewerberinnen hält sichwie früher um20%der erteilten Anerkennungen und ist somit auch demBundesdurchschnitt angeglichen“. Mit einem kurzen Bericht in der erstenMärz-Ausgabe 1973 des RheinischenÄrzteblattes (RÄ) lieferte Dr. Alfons Poerschke, Vorsitzender des Facharztausschusses der Ärztekammer Nordrhein seit 1964, seinen Tätigkeitsbericht für 1972 ab. Insgesamt sprach die Ärztekammer im Jahr 1972 578 Facharztanerkennungen aus, darunter waren 111 Frauen. Zu den beliebtesten Fachrichtungen beider Geschlechter zählte damals die Innere Medizin mit einem Anteil von 25 Prozent, gefolgt von Chirurgie (14,3 Prozent), Frauenheilkunde (12,8 Prozent) und Kinderheilkunde (10 Prozent). Bei der letztgenannten Facharztrichtung betrug der Frauenanteil rund 45 Prozent, in der Chirurgie lag er bei 1,2 Prozent. In der Frauenheilkunde waren ein Fünftel Frauen und in der Inneren Medizin knapp 14 Prozent. Der Bericht stellte fest, dass vielen Antragstellern „trotz vorangegangener Veröffentlichung in den Standesorganen entgangen“ sei, dass Übergangsbestimmungen ausgelaufen sind. An anderer Stelle wurde Poerschke noch deutlicher in Bezug auf die Unkenntnis der angehenden Fachärztinnen und -fachärzte über ihre Weiterbildungsordnung: „Eine Flut von Anfragen an die Geschäftsstelle des Facharztausschusses zu den Möglichkeiten einer Facharztanerkennung zeigt, daß die Veröffentlichungen der Ärztekammer in den Standesorganen nicht sorgfältig gelesen werden, was einen wesentlichen Teil der Anfragen überflüssig machen würde“. bre Geschlossene Schulen, Kontaktbeschränkungen, aber auch existenzielle Sorgen der Eltern: Viele Heranwachsende litten während der Pandemie unter großen psychischen Belastungen. Foto: Daniel Jędzura/stock.adobe.com

Magazin Rheinisches Ärzteblatt / Heft 3 /2023 7 Facharztprüfungen Anmeldeschluss und Termine Der nächste zu erreichende Prüfungszeitraum zur Anerkennung von Facharztkompetenzen, Schwerpunktbezeichnungen und Zusatz-Weiterbildungen bei der Ärztekammer Nordrhein ist vom 12. Juni bis 30. Juni 2023. Anmeldeschluss: Freitag, 28. April 2023 Ärztinnen und Ärzte, die zur Prüfung zugelassen sind, erhalten eine schriftliche Ladung mit dem genauen Prüfungstermin und der Uhrzeit mindestens 14 Tage vorher. www.aekno.de/Weiter bildung/Pruefungen ÄkNo Fortbildung Schwierige Themen kommunizieren Um Ärztinnen und Ärzte auf die Kommunikation von schwierigen Themen mit ihren Patienten vorzubereiten, bietet das Kompetenzzentrum Allgemeinmedizin Nordrhein Fortbildungen zur Arzt-Patienten-Kommunikation an. Thematische Schwerpunkte sind Palliativmedizin (8. März), Geriatrie (29. März), Depression (26. April), Tabuthemen (24. Mai), Trauerbewältigung (7. Juni) und herausfordernde Patientenkommunikation (16. August). Die Fortbildungen richten sich dem Kompetenzzentrum zufolge insbesondere an Ärztinnen und Ärzte in der Weiterbildung, um diese auf die Facharztprüfung und eine hausärztliche Tätigkeit vorzubereiten. Informationen und Anmeldung unter www.kompetenz zentrum-nordrhein.de MST Impfempfehlungen aktualisiert Die Ständige Impfkommission (STIKO) hat ihre Impfempfehlungen aktualisiert. Neben den Empfehlungen für Standardimpfungen für Säuglinge, Kinder undErwachsene sowie Indikations- und Auffrischimpfungen sind neue Abschnitte zuGelbfieber- und Affenpockenimpfungen hinzugekommen. So rät die STIKO, vor erneuter oder bei fortgesetzter Exposition von Gelbfieber einmalig zu einer Auffrischimpfung nach zehn Jahren. Danach seien in der Regel keine weiteren Auffrischimpfungen mehr notwendig. Für die Postexpositionsprophylaxe bei Affenpocken und für Personen mit erhöhtem Infektionsrisiko empfiehlt sie den Impfstoff Imvanex. MST Kurz gemeldet Ärzte in sozialen Medien DieBundesärztekammer (BÄK) hat ihreHandreichung„Ärztinnen und Ärzte in sozialen Medien“ aktualisiert. Anhand vonFallbeispielenweist diese auf Möglichkeiten und Fallstricke hin. Wichtig sei, dass auch in den sozialen Medien im Arzt-Patienten-Verhältnis die ärztliche Schweigepflicht und der Datenschutz be- achtet würden. Dann könne die Nutzung sozialer Medien eine sinnvolle Ergänzung zumArzt-Patienten-Gespräch sein, so die BÄK. Die Handreichung soll darüber hinaus über mögliche Verstöße gegen das Berufsrecht aufklären, wenn Ärzte zumBeispiel über die sozialen Medien Werbung verbreiten. Der Flyer ist unter www.aekno.de/ aerzte-in-sozialen-medien abrufbar. MST Stipendien für Arbeitsmedizin Medizinstudierende sowie approbierte ÄrztinnenundÄrzte können sich beim Aktionsbündnis Arbeitsmedizin bis zum 14. April 2023 um ein Stipendium bewerben. Ziel sei es, demärztlichenNachwuchs die Vielseitigkeit der Arbeitsmedizin vor Augen zu führen, so das Bündnis. Die Bandbreite reiche vom Einsatz in kleineren Unternehmen wie Restaurants bis hin zur Bundeswehr oder der Autoindustrie. Immer gehe es darum, die Beschäftigten vor Gefahren und Erkrankungen zu schützen und zugleich zu deren Gesundheitserhaltung beizutragen. 2022 wurden nach Angaben des Bündnisses 18 Stipendiaten gefördert. Informationen: www.aktionsbuendnis- arbeitsmedizin.de MST Online-Befragung Evaluation der Weiterbildung läuft bis 31. März Noch bis zum 31. März 2023 können sich Ärztinnen und Ärzte, die in Nordrhein ihre fachärztliche Weiterbildung absolvieren, an einer Online-Befragung über Struktur und Qualität ihrer Weiterbildung sowie ihre Arbeitsbedingungenbeteiligen. DieTeilnahme erfolgt anonymunddauert rund fünf bis zehn Minuten. Die Zugangsdaten zumBewertungsportal versendet dieWeiterbildungsabteilung der Ärztekammer Nordrhein unaufgefordert per E-Mail. „Eine qualifizierte und strukturierte Weiterbildung ist das Fundament für eine gute Patientenversorgung und die Basis für eine erfüllte Facharztlaufbahn“, erklärte der Präsident der Ärztekammer Nordrhein, Rudolf Henke. Die Kammer werde dieWeiterbildung deshalb künftig regelmäßig evaluieren. Die aktuelle Umfrage der Ärztekammer Nordrhein wertet das Institut für ärztliche Qualität in Schleswig-Holstein aus. Es evaluiert auch die parallel durchgeführten Befragungender ÄrztinnenundÄrzte inWeiterbildung in Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. Die Ergebnisse der Evaluation sollen beim 127. Deutschen Ärztetag Mitte Mai in Essen vorgestellt werden. Der 126. Deutsche Ärztetag hatte im vergangenen Jahr gefordert, regelmäßig und bundeseinheitlich in anonymer Form eine EvaluationderWeiterbildungdurchzuführen. Aus den Ergebnissen seien Konsequenzen zu ziehen, um die Weiterbildung stetig zu verbessern, heißt es in dem Beschluss. HK Die regelmäßige Befragung ärztlichen Nachwuchses soll dazu dienen, die fachärztliche Weiterbildung stetig zu verbessern. Foto: Anna Berkut/fotolia.com

Magazin 8 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 3 / 2023 Organspende ja oder nein? Umfragen zufolge befürworten acht von zehn Bundes- bürgern die Organspende. 2021 hatten der DSO zufolge aber nur knapp 43 Prozent der Organspender ihren Willen schriftlich oder mündlich dokumentiert. In den restlichen Fällen entschieden die Angehörigen. Foto: fovito/stock.adobe.com Sachverständigenrat Experten neu berufen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat zum 1. Februar einen neuen Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege berufen. In dem unabhängigen Gremium sind sieben Professorinnen und Professoren aus Medizin, Ökonomie, Versorgungsforschung und Pflegewissenschaft vertreten. Von den bisherigen Mitgliedern gehört nur Professor Dr. rer. oec. Jonas Schreyögg, Gesundheitsökonom an der Universität Hamburg, erneut dem Gremium an. Neu im Rat sind Nils Gutacker, Professor für Health Economics an der University of York in England, Professor Dr. Michael Hallek, Direktor der Klinik für Innere Medizin an der Uniklinik Köln, Professor Dr. Stefanie Joos, Direktorin des Instituts für Allgemeinmedizin und interprofessionelle Versorgung des Universitätsklinikums Tübingen, Dr. PH Melanie Messer, Professorin für Pflegewissenschaft an der Universität Trier, Dr. Jochen Schmitt, Professor für Sozialmedizin und Versorgungsforschung an der Technischen Universität Dresden und Professor Dr. rer. oec. Leonie Sundmacher, Leiterin des Fachgebiets Gesundheitsökonomie an der Technischen Universität München. Aufgabe des Sachverständigenrates ist es dem Bundesgesundheitsministerium zufolge, die medizinischen und wirtschaftlichen Aspekte des Gesundheitssystems zu analysieren und daraus Empfehlungen für eine bedarfsgerechte Versorgung der Patientinnen und Patienten abzuleiten. HK Deutsche Stiftung Organtransplantation Zahl der Organspender um 6,9 Prozent gesunken Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Organspender inDeutschlandum6,9 Prozent gegenüber 2021 gesunken. Das hat die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) vor Kurzemmitgeteilt. Danach haben 2022 insgesamt 869 Menschen nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe gespendet, 64weniger als imVorjahr. Auch die Zahl der entnommenen Organe ist der DSO zufolge um 243 (8,4 Prozent) auf 2.662 gesunken. Zurzeit warten inDeutschland rund 8.500 Menschen auf ein Spenderorgan. Der Rückgang bei denOrganspendezahlen ist nach Ansicht der DSO vor allem auf die Coronapandemie und die daraus resultierenden Krankenstände beim Personal in den Krankenhäusern im ersten Quartal 2022 zurückzuführen. Die darauffolgendenQuartale hätten eine Stabilisierung auf demNiveauder Vorjahre gebracht. Kernfrage bleibe deshalb, warum keine Steigerung der Organspende erzielt werdenkonnte, trotz der gutenVoraussetzungen, die durch das Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit und Strukturen bei der Organspende geschaffen worden seien, erklärte die DSO. Das Gesetz sah unter anderemeinOnlineRegister vor, in dem potenzielle Organspender niedrigschwellig ihren Spendenwillen dokumentieren können. Es sollte zum1. März 2022 an den Start gehen. Dieser dürfte sich allerdings bis ins erste Quartal 2024 verschieben, wie das Deutsche Ärzteblatt unter Berufung auf die zuständige Bundesbehörde berichtete. HK Weiterbildung Teilzeitrechner und elektronisches Logbuch Für Weiterbildungsassistenten bietet die Ärztekammer Nordrhein auf ihrer Homepage (www.aekno.de) seit Kurzem einen Teilzeitrechner an. Mit demExcel-Tool könnenÄrztinnen und Ärzte, die ihre Weiterbildung in Teilzeit absolvieren, schnell und unkompliziert die anrechenbaren Monate selbst ermitteln. Das Instrument stellt eine Hilfe bei der Planung der Weiterbildung dar. Der Teilzeitrechner findet sich unter www.aekno.de/weiterbildung, enthält eine kurze Beschreibung und ist einfach zu bedienen. Mit der Eingabe der wöchentlichen Teilzeitstundenzahl, der im Unternehmen üblichen Stundenzahl bei Vollzeit sowie mit den Angaben zu Beginn und Ende der Tätigkeit in Teilzeit ermittelt das Tool die für die Weiterbildung anrechenbaren Monate. Die „Kurzanleitung zum eLogbuch bei Kammerwechsel“ erklärt Schritt für Schritt, wie der Umzug des elektronischen Logbuchs von einer Ärztekammer zur anderen problemlos gelingt. Auf fünf Seiten und unterstützt von zahlreichen Screenshots erläutert das PDF-Dokument den Kammerwechsel sowohl für Weiterbildungsassistenten als auch für Weiterbildungsbeauftragte. Auch der Fall des Kammerwechsels ohne eLogbuch-Plattform oder ins Ausland wird beschrieben. Die Kurzanleitung findet sich unter www.aekno.de/ weiterbildungsordnung. Fragen und Anregungen sowie Kritik und Lob zum Internetangebot der Ärztekammer Nordrhein senden Sie bitte an die E-Mail-­ Adresse onlineredaktion@aekno.de. bre

Magazin Rheinisches Ärzteblatt / Heft 3 /2023 9 Einen stärkerenEinsatz imKampf gegenmultiresistenteKeimehabenDr. KlausReinhardt, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), und Dr. Peter Liese, gesundheitspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion im Europaparlament, Anfang Februar bei einer gemeinsamen Pressekonferenz gefordert. „Europa- und weltweit erleben wir eine Zunahme von Antibiotikaresistenzen, die zu einer schleichenden Pandemie führen“, erklärte Reinhardt. „Etwa 33.000Menschen sterben in der Europäischen Union jährlich, weil sie sich mit einem multiresistenten Keim infiziert haben“, sagte Liese. Neben einemrationalen Umgangmit Antibiotika innerhalb der Ärzteschaft plädierte Reinhardt für einVerbot von Reserveantibiotika in der Tierhaltung. Dazu sei die BÄK im Dialog mit der Bundestierärztekammer. Das Problem der Multiresistenzen könne jedoch nicht gelöst werden, wenn keine neuen Antibiotika entwickelt würden, erklärte EU-Parlamentarier Liese. Hierfür benötigten dieHersteller Anreizewie etwa in denUSA, damit sich die Entwicklung und Produktion neuer Antibiotika lohne, die jamöglichst selten eingesetzt werden sollten. Im für März geplanten Pharmapaket der EU seiendaher sogenannteVoucher vorgesehen, die es Unternehmen erlaubten, die Marktexklusivität bestimmter Arzneimittel aus ihremPortfolio zu verlängern, wenn sie neue Antibiotika entwickelten. MST Drogenbeauftragter Es fehlen Ärztinnen und Ärzte, die substituieren Umbundesweit eine flächendeckende Substitutionsbehandlung anbieten zu können, werdennachAussagedes Sucht- undDrogenbeauftragtender Bundesregierung, Burkhard Blienert, mehr substituierende Ärztinnen und Ärzte gebraucht. Es sei besorgniserregend, wie sich deren Zahl in den letzten Jahren verringert habe, sagte er anlässlich der Vorstellung des Berichts zum Substitutionsregister, den das Bundesinstitut für Arzneimittel undMedizinprodukte jährlich vorlegt. Seit 2020 sei die Zahl der substituierenden Ärzte um sechs Prozent gesunken. 2022 hätten 2.444 Ärztinnen und Ärzte substituiert. Damit seien lediglich 1,3 Prozent der Vertragsärztinnen und -ärzte in der Substitution tätig. Blienert forderte alle an der Substitutionsversorgung Beteiligten auf, diesem Abwärtstrend entgegenzusteuern. Schon jetzt gebe es insbesondere auf dem Land viele Orte, in denen keine substituierenden Ärzte registriert seien. HK Aachen Tag der Allgemeinmedizin Das Aachener Institut für Digitale Allgemeinmedizin lädt nach dreijähriger Corona-Pause wieder zum Tag der Allgemeinmedizin ein. Auf dem Programm stehen neben der Vorstellung des Hausärztlichen Forschungspraxennetzes HAFO.NRW Themen wie Schlafstörungen, Impfungen bei Patienten mit speziellem Immunstatus und die Organisation von Home Care. Für Medizinische Fachangestellte stehen Workshops zu den Themen Ernährung und Notfallmanagement auf der Agenda. Der Tag der Allgemeinmedizin findet am Samstag, 11. März 2023 zwischen 9 und 12.30 Uhr im Hörsaal 4 der Uniklinik der RWTH Aachen, Pauwelsstr. 30 in Aachen statt. Informationen und Anmeldung unter imallems@ukaachen.de, Tel.: 0241 88807181 und www.ukaachen.de/tagder allgemeinmedizin2023 bre Kinderärzte „Bildschirmfrei bis Drei“ Kleinkinder bis zum dritten Lebensjahr sollten ohne Smartphones, Laptops und Fernseher aufwachsen. Bei älteren Kindern komme es auf einen achtsamen Umgang mit den Geräten an, erklärte der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). Eine zu frühe Nutzung der Bildschirmmedien habe zur Folge, dass bei Kindern die Wirklichkeits- und Selbstwirksamkeitserfahrungen sowie die Sprachentwicklung litten. Ab dem dritten Lebensjahr sollten Eltern die Bildschirmzeiten möglichst kurzhalten. MST Um bei Herstellern Anreize für die Entwicklung neuer Antibiotika zu schaffen, plant die Europäische Union für den März ein Pharmapaket. Foto: Grecaud Paul/stock.adobe.com Antibiotika Multiresistente Keime bekämpfen

10 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 3 / 2023 Magazin – Studium und Berufseinstieg Allgemeinmedizin 2,5 Millionen Euro für Hausärzte Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen stellt jährlich rund 2,5 Millionen Euro für das Hausarztaktionsprogramm zur Verfügung. Gefördert werden unter anderem die Niederlassung, Anstellung sowie Weiterbildung von Hausärztinnen und Hausärzten in kleineren Kommunen, in denen die hausärztliche Versorgung altersbedingt mittel- oder langfristig gefährdet ist, teilte das NRW-Landesgesundheitsministerium mit. Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann erläuterte: „Das Hausarztaktionsprogramm ist neben der Landarztquote und dem Ausbau der Medizinstudienplätze ein wichtiger Baustein, mit dem die Landesregierung aktiv zur Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung insbesondere im ländlichen Raum beiträgt.“ Seit Einführung des Programms seien über 700 Einzelmaßnahmen mit mehr als 20 Millionen Euro gefördert worden. „Von den rund 11.200 niedergelassenen Hausärztinnen und Hausärzten in NordrheinWestfalen haben mehr als ein Drittel bereits das 60. Lebensjahr überschritten“, so Laumann. Ab Anfang des Jahres könne auch das Qualifizierungsjahr für Internistinnen und Internisten ergänzend zur KV-Förderung mit 500 Euro pro Monat in Gemeinden mit drohendem Hausarztmangel gefördert werden. Nähere Informationen unter www.mags.nrw/ hausarztaktionsprogramm. bre Diagnose“ über „Nennen Sie zwei für eosinophiles Asthma spezifischeMedikamente“ bis hin zu „Untersuchen Sie die Schulter dieses Modellpatienten“ kann einen in diesem Parcours so ziemlich alles erwarten, was in den zwei Jahren davor gelehrt wurde; im Vergleich zumPhysikumeben auch sehr viel Klinik. DieÄBP ist anspruchsvoll und zurecht eine der gefürchtetsten Prüfungen imAachener Medizinstudium. Trotzdem kann ich hinterher sagen: Die Lernzeit war ermüdend und lang, aber auch geprägt vom gemeinsamen Durchhalten: 70 Tage mit Freundinnen und Freunden in Bib und Cafés, so viele geteilte Lernmaterialien und Schokobrötchen. Nie zuvor wussten wir so viel auf einmal wie zumZeitpunkt der Basisprüfung. Mit diesemWissen imPrüfungsraumzupunkten und im verdienten Urlaub danach eine erleichterndeRückmeldung zubekommen, hat all die Mühe und Aufregung definitiv wieder wettgemacht! Wie erlebt Ihr das Studium der Humanmedizin? Schreibt mir anmedizinstudium@ aekno.de. Ein interessantes Bild: Zahlreiche Studierende in weißen, mit Nummern betackerten Kitteln, verteilt auf fünf Etagen des „Center for Teaching and Training“. Alle acht Minuten ein Gong, der sie weitertreibt: von Lesestation zu Prüfungsraum zu Lesestation – schweigend, angespannt,mit dementschlossenen Ziel, das erste Staatsexamen nach einem durchlernten Sommer hinter sich zu bringen. Die Ärztliche Basisprüfung (ÄBP) des Aachener Modellstudiengangs besteht aus einer Klausur und zehnmündlichen Prüfungen, sogenannten OSPEs, die die Organsystemblöcke umfassend abdecken. Von „Stellen Sie anhand der Pathohistologie eine Medizinstudierende Drei Prüfer und Prüfungsfächer sind genug Die Bundesvertretung derMedizinstudierenden in Deutschland e.V. (bvmd) fordert, die Zahl der Mitglieder von Prüfungskommissionen im dritten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung von vier auf drei Personen zu reduzieren. Damit würden die Kommissionen aus einem Vorsitzenden und zwei weiteren Mitgliedern bestehen, analog zur Anzahl der zu prüfenden Fächer. Im mündlichen Teil des ersten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung finde die Besetzung der Prüfungskommissionen bereits nach der Zusammensetzung der Fächer statt, so der bvmd. Die Bundesvertretung der rund 100.000 Medizinstudierenden inDeutschlandhat imNovember 2022 eine Umfrage unter 38medizinischen Fakultäten gestartet. Diese gaben an, dass in allen Fakultäten ein „Losfach“ geprüft werde und es sich dabei in 36 Fällen um das Fachgebiet des vierten Prüfers handele. Der bvmd kritisiert: „Durchdas Prüfeneines viertenFaches, dessenUmsetzung nicht geregelt ist und sehr unterschiedlich ausfällt, entstehen flächendeckend ungleiche Prüfungsbedingungen.“ DieHandhabungder Prüfung falle vonFakultät zu Fakultät sehr unterschiedlich aus. Laura Schmidt, Bundeskoordinatorin für Medizinische Ausbildung des bvmd sagte: „Die Studierenden einiger Fakultätenwerden bis zu zehn Wochen im Voraus, andere erst wenige Tage vor ihrem Prüfungstermin über ihre Prüfenden informiert. Eine vergleichbare und gezielte Vorbereitung auf das Losfach ist dann nicht mehr möglich und der Grundsatz der Chancengleichheit verletzt“. Die Bundesvertretung schlägt vor, die Prüfung auf die vorgesehenen Fächer Chirurgie, Innere Medizin und ein weiteres Wahlfach zu begrenzen und das Losfach ersatzlos zu streichen, umungleiche Prüfungsbedingungen zu verringern. bre Carla Schikarski Foto: privat Mail aus Aachen

Begrüßung Dr. med. Sabine Mewes Stellv. Geschäftsführerin des IQN Einführung und Moderation N.N. Welche chirurgischen Therapiemöglichkeiten gibt es? Dr. med. Anna Krappitz Fachärztin für Viszeralchirurgie Oberärztin der Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Zentrum für Adipositas- und Metabolische Chirurgie, Johanniter-Krankenhaus Bonn Welche Voraussetzungen müssen vor einer Operation erfüllt sein? N.N. Casemanagement – vom Erstgespräch bis zur postoperativen Nachsorge Dr. troph. Eva Wolf-Janesch Dipl. Ökotrophologin und Case Managerin für Adipositaschirurgie Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Zentrum für Adipositas- und Metabolische Chirurgie Johanniter-Krankenhaus Bonn Adipositas-Chirurgie und Psyche Dr. med. Anita Robitzsch Funktionsoberärztin, LVR-Universitätsklinik Essen Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Universität Duisburg-Essen Anerkannt mit 3 Fortbildungspunkten 91. Fortbildungsveranstaltung „Aus Fehlern lernen“ in Zusammenarbeit mit der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärztekammer Nordrhein Adipositas-Chirurgie Mittwoch, 26. April 2023, 15:30–17:45 Uhr, Live Online-Seminar Die Veranstaltungen sind kostenfrei. Anmeldung erforderlich über unsere Homepage www.iqn.de/Fortbildungen des IQN Bitte beachten: Anrechnung der Fortbildungspunkte nur bei vollständiger Teilnahme Bei Interesse senden wir Ihnen gerne unseren Newsletter: iqn@aekno.de Kontakt Institut für Qualität im Gesundheitswesen Nordrhein Tersteegenstraße 9, 40474 Düsseldorf Tel.: 0211 4302-2752 oder -2751 iqn@aekno.de Internet www.iqn.de IQN Institut für Qualität im Gesundheitswesen Nordrhein Einrichtung einer Körperschaft öffentlichen Rechts Anmeldung und Information Achtung: Programmänderungen möglich! Videokonferenz am xx, xx , von xx:00 –xx:00 Uhr Videokonferenz: Titel Va Online Begrüßung Dr. med. Sabine Mewes Stellv. Geschäftsführerin des IQN Einführung und Moderation Dr. med. Markus Menzen Facharzt für Innere Medizin, Schwerpunkt Endokrinologie und Diabetologie, Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie Gemeinschaftskrankenhaus Bonn Pathogenese von Übergewicht und Adipositas – nicht nur eine Frage der Kalorienzufuhr Dr. med. Markus Menzen Nichtoperative Therapieoptionen bei Übergewicht und Adipositas Dr. med. Ruth Hanßen Fachärztin für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie Poliklinik für Endokrinologie, Diabetologie und Präventivmedizin (PEDP) Universitätsklinik Köln (AöR), Köln Ernährungstherapie bei Übergewicht und Adipositas in der Praxis Karin Wagner Dipl.-Oecotrophologin, Diätassistentin, Ernährungsberaterin/DGE, Fachberaterin für Essstörungen (FZE), Adipositas-Trainerin für Kinder und Jugendliche sowie deren Familien (KgAS), Ernährungsberatung und Ernährungstherapie Psychosoziale Aspekte bei Übergewicht und Adipositas Prof. Dr. med. Martina de Zwaan Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Fachärtzin für Psychosomatik und Psychotherapie Direktorin der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie Medizinische Hochschule Hannover Versorgungssituation von Kindern und Jugendlichen mit Übergewicht und Adipositas Prof. Dr. med. Dr. Sportwiss. Christine Joisten M.Sc. Fachärztin für Allgemeinmedizin und Sportmedizin Deutsche Sporthochschule Köln Anerkannt mit 3 Fortbildungspunkten Übergewicht und Adipositas – eine große gesundheitsrelevante Herausforderung Mittwoch, 19. April 2023, 15:30–17:45 Uhr, Live Online-Seminar

Thema 12 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 3 / 2023 Das aus dem Englischen stammende Wort „Gender“ ist mittlerweile auch aus dem deutschen Sprachraumnicht mehr wegzudenken. Gender-Pay-Gap, Gendersternchen oder Genderpolitik, das „soziale Geschlecht“ ist zum festen Bestandteil des politischen und gesellschaftlichen Diskurses geworden. Keine Überraschung also, dass auch die Medizin neben dembiologischen Geschlecht zunehmend das soziale Geschlecht in der Patientenversorgung berücksichtigt. Oder? „Wir wissen eigentlich schon sehr lange, dass Frauen und Männer teilweise unterschiedliche Symptome bei denselben Erkrankungen haben, oder dass manche Erkrankungen bei Frauen häufiger auftreten als bei Männern“, sagt Professor Dr. Petra Thürmann, Stellvertretende Ärztliche Direktorin des Helios Universitätsklinikums Wuppertal und Inhaberin des Lehrstuhls für Klinische Pharmakologie an der Universität Witten/Herdecke. Trotzdemwurde das Thema in der Medizin lange stiefmütterlichbehandelt. „DasWort Gendermedizinklingt sehr nach politischen Forderungen und nicht nach tatsächlicher Berücksichtigung von biologischen Fakten“, erklärt Thürmann. Wissenschaft sei zudem früher eine Männerdomäne gewesen und damit die Autoren medizinischer Lehrbücher überwiegend männlich. „Das hat den Blick für diese Thematik vermutlich nicht geschärft“, bemerkt die Pharmakologin. Mittlerweile gehe die geschlechtersensible Medizin über die Dichotomie von Frauen und Männern hinaus undnehme auchdiverse IdentitätenundGeschlechterrollen in den Blick, so Thürmann. Diesem Urteil schließt sich auch Professor Dr. Sabine Oertelt-Prigione, Professorin für geschlech- tersensible Medizin an der Universität Bielefeld, an: „Die gendersensible Medizin war immer auch ein politisches Thema. Sie entsprang der Frauengesundheitsbewegung und hatte als solche Befürworter, traf aber auch auf massive Widerstände.“ Letztendlich habe man in den vergangenen Jahren Fakten geschaffen, sagt Oertelt-Prigione, und damit die Politik überzeugt, das Thema ernst zu nehmen. So sollen laut Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zukünftig geschlechtsbezogene Unterschiede in der Versorgung, bei Gesundheitsförderung und Prävention sowie in der Forschung besser berücksichtigt werden. Die Gendermedizin soll zudem Teil des Medizinstudiums werden und in die Aus-, Fort- und Weiterbildungen der Gesundheitsberufe integriert werden, so die Bundesregierung. Ihren Ursprung hat die gendersensible Medizin in der kardiovaskulären Forschung der 1980er- und 1990er-Jahre in den Vereinigten Staaten. Ende der 1990er-Jahre schwappt sie dann nach Europa und ist seitdem vorrangig im Bereich der Kardiologie angesiedelt. Mittlerweile zögen andere Fachrich- tungen wie die Onkologie und Neurologie nach, berichtet Oertelt-Prigione. In jüngster Zeit sei das Thema gesellschaftlich und auch medial sehr prä- Foto: melita /stock.adobe.com Medizin: Eine Frage des Geschlechts? In der Medizin ist der Mann immer noch die Norm und das obwohl Beispiele wie der Herzinfarkt zeigen, dass sich Krankheitssymptome bei Männern und Frauen stark unterscheiden können. Nachdem die Coronapandemie geschlechtsspezifische Unterschiede im Krankheitsverlauf von COVID-19 auf tragische Art deutlich gemacht hat, wird das Thema nun medial immer präsenter. Auch die Bundesregierung hat sich die Gendermedizin auf die Fahne geschrieben. Ende vergangenen Jahres haben sich acht medizinische Fakultäten in Nordrhein-Westfalen zu einem Netzwerk für geschlechtersensible Medizin zusammengeschlossen mit dem Ziel, diese fest in Lehre und Forschung zu verankern. von Jocelyne Naujoks

Thema Rheinisches Ärzteblatt / Heft 3 /2023 13 Geschlechterrollen heute viel stärker überlappen als noch ein oder zwei Generationen vorher. Damit veränderten sich auch Genderidentitäten. „In der gendersensiblen Medizin haben wir es einerseits mit biologischen Unterschieden zu tun. Auf der anderen Seite stehen soziale Dimensionen, alsowieMenschen leben, kommunizieren, sich selbst verstehen und mit mir als Ärztin oder Arzt interagieren. Das kannwiederumEinfluss auf potenzielle biologische Unterschiede haben.“ Wie Medizin mit solchen Veränderungen umgeht und inwiefern die Versorgung damit verbessert werden kann, ist Oertelt-Prigione zufolge ebenfalls Teil der gendersensiblen Medizin. Selbstverständlich sei eine gendersensibleMedizin auch für Männer vonVorteil, sagt Thürmann. Das klassische Rollenverständnis spiele in der Kommunikation zwischen Arzt und Patient eine große Rolle. Depressionen äußerten sich bei Männern zumBeispiel häufig anders als bei Frauen. Hinzu komme, dass Männer sent. Das führe dazu, dass auch in der Ärzteschaft das Interesse an gendersensiblen Inhalten steige. Gendersensible Medizin muss Teil der Curricula aller Fachbereiche werden Ende vergangenen Jahres gründeten Oertelt-Prigione und Thürmann gemeinsam mit sechs weiteren medizinischen Fakultäten in Nordrhein und Westfalen-­ Lippe das Netzwerk geschlechtersensibleMedizinNRW mit dem Ziel, geschlechtersensible Medizin in die Curricula dermedizinischen Fakultäten zu integrieren und die Forschung zumThema voranzutreiben. DieHerausforderung dabei sei, geschlechtersensible Inhalte sinnvoll und an der richtigen Stelle in die Curricula der einzelnen Fachrichtungen zu implementieren, sagt Thürmann. Im Netzwerk wolle man sich dabei gegenseitig unterstützen und austauschen sowie Expertise bündeln. „Unsere Idee ist, gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen aus den einzelnen Fachrichtungen gendersensible Themen in die bestehenden Lehrinhalte einzubauen, dafür Materialien zu entwickeln und zur Verfügung zu stellen“, so Oertelt-Prigione. Aktuell gebe es in Deutschland zwei medizinische Fakultäten, die geschlechtersensible Medizin in die Pflichtlehre integriert haben, vieleweitere bereiteten sich darauf vor. Nach Oertelt-Prigiones Meinung braucht es dafür vor allem die Unterstützung der Fakultätsleitung. „Pflichtlehre passiert nicht von selbst. ImMedizinstudiumwird sehr viel Stoff gelehrt. Neue Inhalte einzubringen, bedeutet oft auch, das andere weichen müssen.“ Für Thürmann, die das Institut für Pharmakologie am Wuppertaler Helios Klinikum leitet, braucht es vor allem eine Sensibilisierung für teilweise auch nur feine Unterschiede und denWillen, diese zu berücksichtigen. Sie sieht gerade bei den Studierenden großes Interesse und eine große Bereitschaft, sich des Themas anzunehmen. „Inder täglichenPraxiswerdenÄrztinnenund Ärzte mit allen Geschlechtern konfrontiert und haben mehr oder weniger unbewusst ein sehr gutes Gefühl für diese Unterschiede“, sagt Thürmann. Wichtig sei nun, auch wissenschaftliche Fakten beizusteuern. „Medizin ist nicht schwarz oder weiß“ „Bei vielen Erkrankungen werden Geschlechterunterschiede identifiziert. Wichtig ist zu schauen, wie groß diese Unterschiede sind und wie relevant sie für die klinische Behandlung sind“, bekräftigt Oertelt-­ Prigione. Die geschlechtersensibleMedizinbefinde sich dabei ständig auf einer Gratwanderung. Sie entkräfte Stereotype und mache sie sich gleichzeitig zunutze. Denn, betont Oertelt-Prigione, „Medizin ist nicht schwarz oder weiß“. Auch nicht alle Frauen und alle Männer seien gleich. Zudem veränderten sich Patientinnen und Patienten im Laufe der Zeit. So seien zum Beispiel frühere Generationen nicht mehr mit heutigen vergleichbar. Oertelt-Prigione beobachtet, wie sich „Die gesellschaftliche Diskussion über Geschlechteridentitäten, die über zwei Geschlechter hinausgeht, hat auch der geschlechtersensiblen Medizin nochmal Anschub gegeben.“ Professor Dr. Petra Thürmann, Mitbegründerin des Netzwerks geschlechtersensible Medizin und Ärztliche Direktorin des Helios Universitätsklinikums Wuppertal. Foto: Helios/Michael Mutzberg ihre Beschwerden auch anders kommunizierten, so Thürmann. „MöglicherweisewerdenDepressionen bei Männern seltener oder später erkannt, weil manche Äußerungen von Männern eben nicht als Depression oder Zeichen für eine Depression interpretiert werden. Gelegentlich dürfte anerzogene Tapferkeit den rechtzeitigen Gang zum Arzt oder zur Ärztin verhindern.“ Das Phänomen des männlichen Präventionsmuffels sei bekannt. Dennoch gehen laut ThürmannÄrztinnen und Ärzte davon aus, dass die kürzere Lebenserwartung vonMännern imVergleich zu Frauen nicht alleine biologisch begründet ist, sondern teilweise auf sozialen Rollenunterschieden beruht. Frauen haben „untypische“ Symptome „Letztendlich landen wir bei der personalisierten Medizin“, sagt Professor Dr. Burkhard Sievers. „Stellen wir uns beispielsweise eine zierliche, kleine, muskulöseFrauvor unddanebeneine großgewachsene, leicht übergewichtige Frau mit geringer Muskelmasse und hohem Fettanteil. Beide sind Frauen, bräuchten aber zum Beispiel unterschiedliche Medikamentendosierungen.“ Körpergröße und -bau, Gewicht, Muskelmasse oder Fettanteil, das alles spiele neben dem biologischen und sozio-ökonomischen Geschlecht in eine

Thema 14 Rheinisches Ärzteblatt / Heft 3 / 2023 gerschaftsdiabetes und -hypertonus. Risikofaktoren, über die Frauen von ihren Ärztinnen und Ärzten im Bezug auf Herz- und Gefäßerkrankungen meist noch nie befragt worden seien, so Sievers. Auch die Tatsache, dass Frauen, die rauchen, an Diabetes mellitus leiden oder viel Stress haben ein fast doppelt so hohes Risiko für Herz-/Kreislauferkrankungen haben als Männer bliebe weitestgehend unbeachtet. Allerdings beschäftigt sich die Gendermedizin nicht nur mit den Frauen. Männer sind bei einigen Erkrankungen unterdiagnostiziert und benachteiligt, so Sievers. Fort- und Weiterbildung gendersensibel gestalten Gendersensible Themen sind in Sievers’ Abteilung regelmäßig Teil der wöchentlich stattfindenden Fortbildungen und der täglichen Visiten. „In den Visiten prüfenwir Beschwerdendanach, ob sie auf geschlechtsspezifische Erkrankungen hinweisen. Speziell bei Patientinnen überprüfen wir, ob Medikamente auch bei niedrigerer Dosierung dieselbe Wirkung haben.“ Das reduziere Nebenwirkungen und erhöhe die Therapietreue, weiß Sievers. Wichtig sei daher, mit einer niedrigen Dosierung zu starten und diese langsam zu erhöhen, bis die gewünschte Wirkung erzielt sei. Dem Internisten, Kardiologen, Angiologen und Gendermediziner zufolge sterben Frauen häufiger an Herzerkrankungen als Männer. Und sie sterben häufiger an Herzerkrankungen als an allen Krebserkrankungen zusammen. Ein Fakt, der für Erstaunen sorge, aber vor allem Interesse wecke, sagt Sievers. Umso wichtiger ist es laut Sievers, die gendersensible Medizin auch fest in die Fort- undWeiterbildung zu integrieren. „Nur so können Ärztinnen und Ärzte auf das Thema aufmerksam werden“, so Sievers. Klinische Studien müssen das Geschlecht berücksichtigen In der Pharmakologie zeigen sich bei Frauen und Männern laut Thürmann deutliche Unterschiede bei der Verstoffwechselung vonArzneimitteln sowieUnterschiede in der Empfindlichkeit. Frauen verstoffwechselten manche Medikamente deutlich langsamer als Männer und litten dadurch eher an Nebenwirkungen. Das sei zumBeispiel beimhäufig verwendeten Chemotherapeutikum 5-Fluoruracil oder dem Antidepressivum Venlafaxin der Fall. Nebenwirkungen wie eine QT-Verlängerung oder eine daraus resultierende Torsade-de-Pointes-Arrhythmie treten bei Frauen doppelt so häufig auf wie bei Männern. Die Arzneimittel-­ induzierte QT-Verlängerung mit lebensbedrohlichen Arrhythmien sei in den vergangenen zwanzig Jahren immer wieder Anlass für die Marktrücknahme verschiedener Medikamente gewesen, erklärt Thürmann. „Eine Analyse von Veröffentlichungen zu diesen Medikamenten ergab jedoch, dass in den klinischen Studien meist keine Frauen eingeschlossen wurden.“ personalisierte Medizin mit hinein, so Sievers. Der Chefarzt der Medizinischen Klinik I amSana-Klinikum Remscheid ist zugleich stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Geschlechtsspezifische Medizin (DGeSGM). Die DGeSGM beschäftigt sich mit geschlechterabhängigen Beschwerden und damit, wie sich klinische Erscheinungsbilder, Diagnostik, Prävention und Krankheitsverläufe bei Männern, Frauen und Andersgeschlechtlichen unterscheiden. Die Gesellschaft setzt sichwie auch das neu gegründete Netzwerk für eine standardisierte und flächendeckende Einführung der geschlechterspezifischenMedizin in der Lehre ein. „Geschlechtsspezifische Unterschiede müssen direkt für jede Krankheit mitgelehrt werden“, bekräftigt Sievers. Auch in der Ausbildung des Medizinischen Im Netzwerk geschlechtersensible Medizin will Professor Dr. Sabine Oertelt-Prigione gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen geschlechtersensible Medizin fest in den Curricula der medizinischen Fakultäten verankern. Professor Dr. Sabine Oertelt-Prigione ist Professorin für geschlechtersensible Medizin an der Universität Bielefeld Foto: Uni Bielefeld Assistenzpersonalsmüssen geschlechtersensible Inhalte fest verankert werden, fügt er hinzu. ImGender-Herzzentrum inRemscheid (Gender-Herzzentrum | Kardiologie, Angiologie, Pneumologie & Intensivmedizin | Remscheid | Sana Kliniken AG) ist gendersensible Medizin bereits gelebte Praxis. Insbesondere bei Herz- und Gefäßerkrankungen gibt es deutliche Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Gerade Frauen litten unter geschlechtsspezifischen Herzerkrankungen, die häufig fehldiagnostiziert würden. Ein klassisches Beispiel dafür sei der Herzinfarkt. Frauen zeigten bei einemHerzinfarkt andere Symptome als Männer. „Untypische“ oder besser nicht die bekannten „männlichen“ Symptome. „Wer nur die klassischen Lehrbuchbeschwerden gelernt hat, schickt eine Fraumit einemHerzinfarkt wieder nachHause“, berichtet Sievers. „Auch bei den Grenzwerten für Bluthochdruck gibt es bis dato keineUnterscheidung zwischenFrauenund Männern.“ Dabei wiesen Studienergebnisse darauf hin, dass diese Werte für Frauen zu hoch angesetzt seien, so Sievers. Frauenmüssten demnach bereits bei niedrigerenWertenmedikamentös behandelt werden. Grund sei, dass dieBlutdruckdifferenz über die Lebenszeit die spätere Entstehung von Herz-Kreislauf- und Gefäßerkrankungen beeinfluße, so Sievers. Leider sind auch geschlechtsspezifische Risikofaktoren denmeisten Ärztinnen und Ärzten und auch der Bevölkerung nicht hinreichend bekannt, so Sievers. Hierzu gehörten unter anderem ein später Beginn der ersten Regelblutung oder der Wechseljahre, Schwan-

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