des Informationsgehalts des Jahresabschlusses und Grenzkosten
der Jahresabschluss-Erstellung fa¨llt stetig und wird kleiner 1.
Spa¨testens dann sollten keine weiteren Anstrengungen in die
Aufstellung des Jahresabschlusses mehr unternommen werden.
Abb. 1 verdeutlicht den Sachverhalt auf a¨hnliche Weise:
Die Zusammenha¨nge lassen sich auch anhand von Abb. 2 ver-
deutlichen:
I. Der erste Quadrant ist dadurch gekennzeichnet, dass der
Wert der Information zwar relativ niedrig ist, die zu ihrer
Gewinnung erforderlichen Kosten aber auch. Das sind Mit-
nahmeeffekte, die keine große Erla¨uterung erfordern.
II. In diesem Bereich sollten die Kra¨fte konzentriert sein. Ein
hoher Wert an Informationen la¨sst sich mit vergleichsweise
niedrigen Kosten erreichen.
III. Der dritte Quadrant ist kritisch zu sehen. Zwar ergibt sich
ein hoher Informationswert, aber die dafu¨r einzusetzenden
Kosten sind auch sehr hoch. Besonders in diesem Quadran-
ten besteht die Gefahr, dass der o. g. Quotient einen Wert
kleiner 1 hat.
IV. Der vierte Quadrant ist aus naheliegenden Erwa¨gungen zu
meiden.
Gerade nach der Reform des HGB durch das BilMoG besteht
die große Gefahr, dass sich der Jahresabschlussersteller ha¨ufig
–
bewusst oder unbewusst – in dem III. und IV. Quadranten
befindet. Die durch das BilMoG angestrebte Verbesserung der
Informationsfunktion des Jahresabschlusses
3
hat ihren Preis.
Hauptursa¨chlich dafu¨r ist das Auseinanderfallen von Handels-
und Steuerbilanz durch die Streichung der umgekehrten Maß-
geblichkeit in § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG a. F. und dem damit ver-
bundenen Wegfall der handelsrechtlichen O¨ ffnungsklauseln,
insbesondere in § 254 HGB a. F.
Man kann es aber auch umdrehen: Nicht die verbesserte In-
formationsfunktion des Jahresabschlusses hat ihren Preis, son-
dern die Inanspruchnahme ertragsteuerlicher Vergu¨nstigungen.
Ziel vieler Jahresabschlussersteller ist aber auch nach BilMoG
weiterhin die Erstellung einer sog. „Einheitsbilanz“. Und in die-
sem Zusammenhang kommt dem Grundsatz der Wesentlichkeit
eine wichtige Bedeutung zu: Deckt dieser Grundsatz einen an
sich fehlerhaften Ansatz im Jahresabschluss, wenn z. B. ein nach
ertragsteuerlicher Vorschrift richtiger Wert auch im Jahres-
abschluss angesetzt wird, obwohl dieser Wert nicht exakt den
einzelnen HGB-Normen entspricht?
Es geht hierbei um einen handelsrechtlichen GoB. Von daher
wird im Nachfolgenden nicht untersucht, einen handelsrecht-
lichen Wert in die Steuerbilanz zu u¨bernehmen, der den ertrag-
steuerlichen Vorschriften nicht entspricht. Es geht vordergru¨n-
dig darum, einen ertragsteuerlichen Wert auch in der Handels-
bilanz anzusetzen, ohne dass der Ersteller Gefahr la¨uft, die Bi-
lanz nicht mehr als „Handelsbilanz“ bezeichnen zu du¨rfen. Oder
anders gefragt: Welcher Fehler in der Handelsbilanz ist durch
den Grundsatz der Wesentlichkeit noch gedeckt, ohne dass die-
se „fehlerhaft“ oder gar „nichtig“ i. S. des § 256 AktG wird?
III. Der Grundsatz der Wesentlichkeit
1.
Definitionen des Grundsatzes
Eine einheitliche Definition des Grundsatzes der Wesentlichkeit
findet sich im Deutschen Schrifttum nicht.
Leffson
kommt nach
ausfu¨hrlichem Abwa¨gen zu folgender Definition: „Fu¨r den Bi-
lanzierenden besagt der Grundsatz, dass bei der Aufstellung des
Jahresabschlusses alle Tatbesta¨nde beru¨cksichtigt werden mu¨s-
sen, die Einfluss auf die Entscheidungen der Bilanzempfa¨nger
haben ko¨nnten“
4
.
Nach
Adler/Du¨ ring/Schmaltz
besagt der Grundsatz der We-
sentlichkeit,
–
dass bei der Rechnungslegung alle Tatbesta¨nde zu beru¨ck-
sichtigen und offenzulegen sind, die fu¨r die Adressaten des
Jahresabschlusses von Bedeutung sein ko¨nnen, wa¨hrend
–
umgekehrt Sachverhalte von untergeordneter Bedeutung, die
wegen ihrer Gro¨ßenordnung keinen Einfluss auf das Jahres-
ergebnis und die Rechnungslegung haben, vernachla¨ssigt
werden ko¨nnen
5
.
Er bleibt jedoch insofern unbestimmt, als er keine exakten Maß-
sta¨be und Grenzwerte fu¨r die Relevanz von Bilanzinformationen
liefert
6
.
Nur zum Vergleich sei die Definition aufgefu¨hrt, wie sie im
IASB-Rahmenkonzept (F.30) zu finden ist: „Informationen sind
wesentlich, wenn ihr Weglassen oder ihre fehlerhafte Darstel-
lung die auf der Basis des Abschlusses getroffenen wirtschaftli-
chen Entscheidungen der Adressaten beeinflussen ko¨nnten“.
2.
Stellung des Grundsatzes innerhalb der GoB
Der Grundsatz der Wesentlichkeit ist ein erga¨nzender GoB, der
jedoch bisher nicht explizit (siehe Abschn. I.) im HGB geregelt
ist. Er ergibt sich unmittelbar aus dem Sinn der Rechenschafts-
legung, dem Adressaten „nu¨tzliche“ Informationen als Grund-
lage fu¨r seine Entscheidungen zu liefern.
3
Vgl. Stellungnahme des Bundesrats zum BilMoG-Regierungsentwurf,
BR-Drucks. 344/08 S. 69 ff.
4
Leffson
,
a.a.O. (Fn. 1), S. 182.
5
Vgl.
Adler/Du¨ring/Schmaltz
,
Rechnungslegung und Pru¨fung der Unterneh-
men, 6. Aufl. 1995, § 252 Rdn. 127.
6
Vgl.
Eisele
,
Technik des betrieblichen Rechnungswesens, 7. Aufl. 2002,
S. 29.
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Betriebswirtschaft
DER BETRIEB | Nr. 45 | 9. 11. 2012