neue Situation einstellte: Es wurden eine Vielzahl von Unter-
nehmen von AA auf A herabgestuft. Auch kamen keine von
AAA auf AA herabgestuften Unternehmensanleihen mehr nach,
da es so gut wie keine AAA-Unternehmensanleihen mehr gibt.
Insbesondere sind im Bereich der la¨ngeren Laufzeiten (> 10 Jahre)
kaum noch Unternehmensanleihen mit AA-Rating auf dem
Markt zu finden. Dieser Sachverhalt machte es nahezu unmo¨g-
lich, eine vernu¨nftige Zinskurve zu erstellen
5
.
Die logische Kon-
sequenz ist, dass nur ein vergro¨ßertes Anleihenspektrum wieder
eine sachgerechte Zinsfestsetzung ermo¨glicht
6
.
Zur Illustration
wie signifikant sich die Ratingeinstufungen im Laufe der Jahre
verschoben haben, sei auf Tab. 1 verwiesen.
Jahr
AAA
AA
A
BBB
1993
17,80% 40,10% 33,10% 9,10%
2003
2,30% 19,50% 43,50% 34,60%
2008
1,80% 19,60% 49,00% 29,50%
2012
0,90% 12,50% 46,60% 39,90%
Tab. 1: Anteil der Wertpapiere eines Ratings an allen Wertpapieren
in den La¨ndern der derzeitigen Eurozone mit „Investment Grade“
(
Rating zwischen AAA und BBB)
Aus dieser Unsicherheit heraus entwickelten in den letzten
Monaten insbesondere Unternehmen und Berater kreative An-
sa¨tze, wie man das Anleihenspektrum sachgerecht weiterent-
wickeln ko¨nnte. Derzeit zeichnet sich bei einer Reihe von Unter-
nehmen und Beratern ein gewisser Trend ab, nicht mehr nur
AA-Anleihen, sondern auch A-Anleihen als hochwertige Anlei-
hen zu qualifizieren.
Eine weitere Mo¨glichkeit wa¨re z. B. ein Gesamt-Anleihen-
universum aus sog. sechs, also allen A-Anleihekategorien A,
AA, und AAA zu bilden. In Frankreich scheint man sich an den
Gedanken der hochwertigen A-Anleihen schon zu gewo¨hnen,
in Deutschland ist seitens der Wirtschaftspru¨fer und einiger Un-
ternehmen noch eine gewisse Zuru¨ckhaltung zu spu¨ren. Bis zum
Jahresende 2012 sind noch sehr spannende Diskussionen dieser
Sachverhalte zu erwarten.
Fu¨r die nachfolgend dargestellten Zinsempfehlungen wurde
das Anleihenspektrum seit Mai 2012 wie folgt erweitert:
1.
In der Vergangenheit wurden nur Anleihen in die Betrach-
tung einbezogen, die im Median mit AA geratet waren. Per
31. 5. 2012
wurden alle Anleihen beru¨cksichtigt, die von
mindestens einer Rating-Agentur mit AA eingestuft wurden.
2.
Fu¨r lange Laufzeiten stehen nur wenig AA-geratete Unterneh-
mensanleihen zur Verfu¨gung. Da die Abweichung zu A-gera-
teten Anleihen nahezu laufzeitunabha¨ngig ist, werden nun fu¨r
lange Laufzeiten zusa¨tzliche Marktinformationen herangezo-
gen, indem mit A eingestufte Anleihen betrachtet werden und
deren Rendite um die durchschnittliche Abweichung zu den
mit AA eingestuften Anleihen verringert wird. Wenn vor-
handen, werden auch Anleihen mit Rating AAA einbezogen.
3.
Die Untergrenze des Ausgabevolumens fu¨r Anleihen, die be-
ru¨cksichtigt werden, wurde von 300 Mio. € auf 50 Mio. € ab-
gesenkt.
In den letzten Jahren waren bereits unterschiedliche Zinsempfeh-
lungen von u¨ber einem Prozentpunkt zu beobachten. Diese Schere
ko¨nnte sich aufgrund der unterschiedlichen Ansa¨tze bei der Erwei-
terung des Anleihenspektrums Ende 2012 sogar noch weiter o¨ffnen.
Soweit man sich dafu¨r entscheidet, nur an den AA-Anleihen
festzuhalten, wu¨rde sich ein weiteres Problem ergeben: Wenn
noch mehr AA-Anleihen herabgestuft werden, ko¨nnte der
Markt als nicht mehr liquide („deep“) angesehen werden. Nach
dem Wortlaut der internationalen Bilanzierungsregeln mu¨sste
man von AA-Unternehmensanleihen auf Staatsanleihen u¨berge-
hen. Leider ist nirgends definiert, was unter Staatsanleihen genau
zu verstehen ist. Hier wartet aber bereits die na¨chste Herausfor-
derung. In den letzten Jahrzehnten war der Begriff „Staatsanlei-
he“ immer gleich bedeutend mit einem AAA-Rating. Heute ist
das nicht mehr der Fall. Es ergibt sich deshalb ein großer Unter-
schied, ob man z. B. deutsche Staatsanleihen mit extrem nied-
rigen Zinsen oder Euro-Staatsanleihen (einschließlich Grie-
chenland, Spanien etc.) mit relativ hohen Zinsen betrachtet. Ba-
siert man die Zinsfestsetzung auf deutschen Staatsanleihen, ha¨t-
te dies einen extremen Anstieg der Verpflichtungswerte zur Fol-
ge. Im Fall der Ableitung des Zinses aus Euro-Staatsanleihen
wa¨re der Zins derzeit sogar ho¨her als bei Ableitung aus AA-Un-
ternehmensanleihen. Die Problematik des liquiden oder nicht-
liquiden Marktes ist zumindest derzeit noch eher theoretischer
Natur und wird deshalb in diesem Beitrag nicht weiter verfolgt.
Aber wenn der Markt fu¨r AA-Unternehmensanleihen irgend-
wann in der Zukunft nicht mehr die beno¨tigte Mindesttiefe auf-
weisen sollte, stellt sich das geschilderte Problem der unter-
schiedlichen Bonita¨t bei Staatsanleihen im Euro-Raum und da-
mit der sehr unterschiedlichen Verzinsung.
Die „realistischen“ Zinssa¨tze der langlaufenden Unterneh-
mensanleihen sind im Laufe des Jahres 2012 laufend abgesunken
und fu¨hren somit zu Rechnungszinsen von etwas unter 4%.
Die fu¨r typische Rentner-, Aktiven-, und Mischbesta¨nde in
2012
beobachteten Zinssa¨tze sind in Abb. 1 aufgefu¨hrt. Es zeigt
sich weiterhin eine deutliche Zinsdifferenz zwischen „Kurz- und
Langla¨ufern“. In unserer Kurve sind auch die „Langla¨ufer“ (u¨ber
10
Jahre) aus Unternehmensanleihen enthalten. Die Herausnah-
me der „Langla¨ufer“ aus der Datenbasis (und Ersetzen durch
Staatsanleihen mit Aufschlag fu¨r Firmenanleihen) lo¨st meist
deutlich niedrigere Zinsvorschla¨ge aus.
Der Abstand („Spread“) zwischen der Rendite von Euro-Staats-
anleihen (government bonds) mit AAA-Rating und der Rendite
von Unternehmensanleihen (corporate bonds) mit AA-Rating
liegt derzeit (Stand: Oktober 2012) bei weit u¨ber 2 Prozentpunk-
ten und damit deutlich u¨ber dem Spread im Vorjahr. Die Ver-
ha¨ltnisse vor der Finanzkrise (zwischen 0,5 bis 1 Prozentpunkte
Spread) werden wohl in absehbarer Zeit nicht wieder erreicht.
5
Vgl.
Thurnes/Vavra/Geilenkothen
,
DB 2012 S. 2113.
6
Vgl.
Rouette/Volpert
,
CFB 2012 S. 329.
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Betriebswirtschaft
DER BETRIEB | Nr. 45 | 9. 11. 2012