trittsgrund fu¨r den Fall vorsehen, dass das zur Anwendung kom-
mende Recht vom BVerfG fu¨r verfassungswidrig erkla¨rt wird
9
.
Problematisch wu¨rde eine ru¨ckwirkende Nichtigerkla¨rung in
den Fa¨llen sein, in denen bei Erbfa¨llen vor dem 1. 1. 2009 von
dem Wahlrecht, die seit dem 1. 1. 2009 geltende ErbSt anzu-
wenden, Gebrauch gemacht wurde (Art. 3 Abs. 1 ErbStRG), da
dann mangels Existenz des „neuen“ Rechts die Wahlmo¨glichkeit
ins Leere liefe und doch die bis zum 31. 12. 2008 geltenden
Steuervorschriften zur Anwendung gela¨ngen.
Es ist davon auszugehen, dass das BVerfG keine Nichtig-
erkla¨rung vornimmt
10
,
da auch das Fiskalinteresse des Staates zu
beru¨cksichtigen sein wird und eine ru¨ckwirkende Nichtigerkla¨-
rung voraussichtlich zu Steuerausfa¨llen in zweistelliger Milliar-
denho¨he fu¨hren wu¨rde.
III. U¨ berprivilegierung des Erwerbs von Betriebsver-
mo¨gen und Anteilen an KapGes.
Der BFH sieht eine U¨ berprivilegierung u. a. des Erwerbs von
Betriebsvermo¨gen und Anteilen an KapGes., sofern ein Betrieb
nicht mehr als 20 Bescha¨ftigte hat und die Gewa¨hrung der Steu-
ervergu¨nstigung somit nicht von der Erhaltung von Arbeitspla¨t-
zen abha¨ngt
11
.
Die sich daraus ergebende verfassungsrechtlich
nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung zeigt sich nach Auf-
fassung des BFH an den nachfolgend dargestellten Punkten.
1.
ErbSt keine Gefa¨hrdung fu¨r mittelsta¨ndische Betriebe
Es sei nicht zu verifizieren, dass die ErbSt generell die Existenz
mittelsta¨ndischer Unternehmen gefa¨hrde
12
.
In diesem Zusam-
menhang werde nicht differenziert, ob auch weiteres Vermo¨gen
auf den Erwerber u¨bergehe. Vielmehr sei zu beachten, dass nicht
das Unternehmen, sondern der Erwerber besteuert werde. Die
Stundungsregelung des § 28 ErbStG sei als Instrument geeignet,
Betriebe zu erhalten.
2.
Bei KapGes. private Vermo¨gensspha¨re betroffen
Bei der Begu¨nstigung von KapGes. werde im Rahmen der weit-
gehenden pauschalen Privilegierung nicht beru¨cksichtigt, dass
dort die Belastung mit Erbschaftsteuer lediglich die private Ver-
mo¨gensspha¨re des Erwerbers betreffe
13
.
Hier muss jedoch beru¨cksichtigt werden, dass die Begu¨ns-
tigung von KapGes. erst bei einer Beteiligungsquote von mehr
als 25% einsetzt. Hierbei handelt es sich vielfach um unterneh-
merische Beteiligungen, bei denen der Gesellschafter auch in die
operative Unternehmensta¨tigkeit eingebunden ist. Da hiermit
vielfach perso¨nliche Verpflichtungen einhergehen wie die Hin-
gabe von Gesellschafterdarlehen, die Abgabe von Bu¨rgschaften
oder das Stellen anderer privater Sicherheiten, kann der Ru¨ck-
schluss auf die private Vermo¨gensspha¨re gerade nicht pauschal
gezogen werden. Vielmehr erscheint die Privilegierung parallel
zu den PersGes. angemessen.
3.
Fu¨nf- bzw. Siebenjahreszeitraum zu kurz
Die U¨ berprivilegierung sei nunmehr im Vergleich zum alten
Recht versta¨rkt, da die Steuervergu¨nstigungen vielfach noch weit
u¨ber das fru¨here Recht hinausgehen
14
.
Der Zeitraum fu¨r die Be-
haltensregelungen von fu¨nf bzw. sieben Jahren (§ 13a Abs. 5
Satz 1 [i. V. mit Abs. 8 Nr. 2] ErbStG) sei unverha¨ltnisma¨ßig
kurz, zumal ein Verstoß gegen die Behaltensregelungen im Re-
gelfall nur zu einem teilweisen ru¨ckwirkenden Wegfall des Ver-
schonungsabschlags fu¨hrt.
Zu beachten ist im Zusammenhang mit den vom BFH beur-
teilten Fristen, dass die Frist generell das operative Gescha¨ft be-
einflusst, da sie z. B. strategische Kooperationen bzw. Umstruk-
turierungen erschwert, sodass eine Fu¨nf- bzw. Siebenjahresfrist
nicht zu kurz erscheint. Zumindest unterliegt die Festlegung der
Behaltensfristla¨nge der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers,
sodass hieraus eine Verfassungswidrigkeit nicht abgeleitet wer-
den kann.
4.
Keine ausreichende Beru¨cksichtigung der Leistungsfa¨hig-
keit
Die Ungleichbehandlung zeige sich ferner daran, dass die Steuer-
vergu¨nstigungen nicht den Wert des Erwerbs sowie die Leis-
tungsfa¨higkeit des Erwerbers beru¨cksichtigen, wenn die erforder-
lichen liquiden Mittel vorhanden sind oder im Rahmen einer
Stundung der Steuer beschafft werden ko¨nnen
15
. „
Da auch Erwer-
ber großer und gro¨ßter Unternehmen von den Steuervergu¨ns-
tigungen profitieren, begu¨nstigen die Steuervorteile die Konzen-
tration von Unternehmensvermo¨gen bei vergleichsweise wenigen
Personen“, sodass zur Erreichung des vom Gesetzgeber ange-
strebten Steueraufkommens nicht privilegierte Erwerber mit ho¨-
heren Steuern belastet wu¨rden. Unter Hinweis auf den BVerfG-
Beschluss vom 22. 6. 1995
16
mu¨sse aus Gru¨nden der Gemein-
wohlbindung und Gemeinwohlverpflichtung die Steuer so bemes-
sen sein, dass die Fortfu¨hrung des Betriebs steuerlich nicht ge-
fa¨hrdet wird. Das BVerfG habe aber nicht ausgefu¨hrt, dass die
Beru¨cksichtigung der verminderten Leistungsfa¨higkeit solcher
Erben von Betrieben unabha¨ngig von der tatsa¨chlichen Leistungs-
fa¨higkeit der Erben zu einer vollsta¨ndigen oder weitgehenden Be-
freiung von der Steuer fu¨hren mu¨sse oder den Gesetzgeber dazu
berechtige. Ferner sei nicht bewiesen, dass die ErbSt tatsa¨chlich
ungu¨nstige Liquidita¨tseffekte bei Unternehmen auslo¨se.
Auf das Vorhandensein „erforderlicher liquider Mittel“ abzu-
stellen, scheint schwierig umzusetzen, weil die Frage, wann die er-
forderlichen Mittel vorhanden sind, nicht pauschal zu beantwor-
ten ist. So ko¨nnen erhebliche Barbesta¨nde, die sich in der Ge-
winn- oder Kapitalru¨cklage befinden, z. B. bei Forschungsunter-
nehmen bereits fest fu¨r ku¨nftige Forschungsvorhaben eingeplant
und fu¨r den Erhalt des Unternehmens zwingend erforderlich sein,
wa¨hrend bei anderen Unternehmen auf diese Mittel fu¨r ErbSt-
Zwecke zuru¨ckgegriffen werden kann. Was die Beru¨cksichtigung
der Leistungsfa¨higkeit des Erben anbelangt, ist nicht ganz klar, ob
der BFH auf die weitere durch den Erbanfall bewirkte Leistungs-
fa¨higkeit oder auf die Leistungsfa¨higkeit des Erben allgemein ab-
stellt. Die Leistungsfa¨higkeit allgemein und somit losgelo¨st von
dem Erwerb des Erben einzubeziehen, wu¨rde fu¨r gleiche Erwerbe
eine unterschiedliche ErbSt bzw. SchenkSt bedeuten, wenn die
weitere finanzielle Leistungsfa¨higkeit des jeweiligen Erben unter-
schiedlich ist. Dies wa¨re systematisch nicht mit der Besteuerung
des Erwerbs von Todes wegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) bzw.
von Schenkungen unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) in
Einklang zu bringen, da es auf den
Erwerb
ankommt.
Auf den ersten Blick nachvollziehbar ist die Argumentation,
dass das ErbStG selbst durch die Stundungsregelung in § 28
9
Einzelheiten zu Ru¨cktrittsklauseln wegen Verfassungswidrigkeit des ErbStG
vgl.
Felten
,
ZEV 2012 S. 402; auch
Wachter
,
DStR 2011 S. 2331 (2334, unter
5.4.).
10
Ebenso
Meiisel/Bokeloh
,
ErbStB 2012 S. 246 (248 f.);
Geck
,
DNotZ 2012
S. 329 (332), unter I. 1.; a. A.
Theilacker
,
BWNotZ 2012 S. 2 (6), unter 5.;
Balmes
,
ErbStB 2012 S. 92 (94), unter III. 2.
11
BFH vom 27. 9. 2012, a.a.O. (Fn. 2), unter B. II. 5.
12
BFH vom 27. 9. 2012, a.a.O. (Fn. 2), unter B. II. 5. a).
13
BFH vom 27. 9. 2012, a.a.O. (Fn. 2), unter B. II. 5. a).
14
BFH vom 27. 9. 2012, a.a.O. (Fn. 2), unter B. II. 5. b).
15
BFH vom 27. 9. 2012, a.a.O. (Fn. 2), unter B. II. 5. c).
16
BVerfG-Beschluss vom 22. 6. 1995 – 2 BvR 552/91, BStBl. II 1995 S. 671 =
DB 1995 S. 1745, unter C. I. 2. b) bb).
DER BETRIEB | Nr. 45 | 9. 11. 2012
Steuerrecht
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