ErbStG eine Mo¨glichkeit ero¨ffnet, Liquidita¨tsengpa¨ssen zu be-
gegnen. Hier ist jedoch zum einen zu bedenken, dass § 28
ErbStG keine Regelungen fu¨r den Erwerb von Beteiligungen an
KapGes. vorsieht, obwohl gerade bei diesen oftmals dieselben
Engpa¨sse eintreten wie beim Betriebsvermo¨gen, insbesondere
bei unternehmerischen Beteiligungen. Zum anderen vermeidet
die Stundung voru¨bergehende Engpa¨sse, nicht jedoch den Erlass
einer Steuerzahlung, wie sie ausschließlich vom Ergebnis aus be-
trachtet bei den Verschonungsregelungen bewirkt wird. Ein Er-
lass ginge nur u¨ber die restriktiven Erlassvorschriften des § 227
AO, bei denen auf die gesamte Leistungsfa¨higkeit des Stpfl. und
nicht auf die Leistungsfa¨higkeit im Zusammenhang mit dem
Erwerb des Stpfl. abgestellt wird. Auf die gesamte Leistungs-
fa¨higkeit abzustellen, wa¨re ein Systembruch, da das ErbStG bei
der Besteuerung auf den Erwerb abstellt.
Bei der Begu¨nstigung von Erwerbern großer und gro¨ßter Un-
ternehmen ist zu bedenken, dass diese nur gilt, wenn diese Un-
ternehmen in einer PersGes.-Struktur sind oder bei einer Betei-
ligung von mehr als 25%. Da viele Anteile an KapGes. im Streu-
besitz gehalten werden und nicht in einer Holdingstruktur, die
ggf. den Streubesitz begu¨nstigt, kommt die Begu¨nstigung dann
grds. nicht zum Tragen.
5.
Verringerung des Bu¨rokratieaufwands kein Grund fu¨r
Nichtanwendung der Lohnsumme
Wenn die Ermittlung der Lohnsumme auch „kleineren Unter-
nehmen ohne gro¨ßeren Aufwand mo¨glich und somit zumutbar“
ist
17
,
ist dem BFH zuzustimmen, dass allein die Verringerung
von Bu¨rokratieaufwand keinen Grund fu¨r die Nichtanwendung
der Lohnsummenregelung auf Betriebe mit nicht mehr als
20
Bescha¨ftigten darstellt.
6.
Gemeinwohlverpflichtung gegenu¨ber Arbeitnehmern
keine Rechtfertigung
Daru¨ber hinaus fu¨hrt der BFH aus, dass unter Zugrundelegung
der Ausfu¨hrungen im BVerfG-Beschluss vom 7. 11. 2006
18
die
Gemeinwohlbindung und Gemeinwohlverpflichtung von Be-
trieben insbesondere auch gegenu¨ber den Arbeitnehmern als
Rechtfertigung fu¨r Verschonungsregelungen schon im Ansatz
ausscheiden, weil sie sich im Regelfall bereits in den Werten ab-
bilden
19
.
Aufgeza¨hlt werden der Bo¨rsenkurs (§ 11 Abs. 1 BewG)
sowie ein Kaufpreis unter fremden Dritten (§ 11 Abs. 2 Satz 2
Hs. 1 bzw. 2, §§ 199 ff. ggf. i. V. mit § 109 BewG).
Diese Argumentation la¨sst jedoch außer Acht, dass ein Kauf-
preis unter fremden Dritten anhand weiterer Merkmale be-
stimmt wird. Die Bereitschaft, einen bestimmten Kaufpreis zu
zahlen, kann auch von strategischen Erwa¨gungen sowie dem be-
sonderen individuellen Potenzial des Erwerbers gepra¨gt sein. Bei
strategischen Investoren ko¨nnen z. B. die Erga¨nzung der eige-
nen Produktpalette und die dadurch bedingte Verbesserung der
Wertscho¨pfungskette einen ho¨heren Kaufpreis verursachen.
Wa¨hrend z. B. bestimmte Investoren bereit sind, einen hohen
Kaufpreis zu zahlen, weil sie nicht davor zuru¨ckschrecken, Mit-
arbeiter zu entlassen, kann ein solcher Kaufpreis nicht beim Er-
werb durch Erbfall oder Schenkung zugrunde gelegt werden,
wenn eine solche Strategie nicht verfolgt wird. Dies gilt erst
recht, wenn Begu¨nstigungsvorschriften an den Erhalt von Ar-
beitspla¨tzen anknu¨pfen. Insoweit darf nicht der pauschale Ru¨ck-
schluss gezogen werden, dass ein Bo¨rsenkurs oder ein Kaufpreis
unter fremden Dritten eine entsprechende Gemeinwohlbindung
und Gemeinwohlverpflichtung einschließen.
7.
Begu¨nstigungsregelungen im Verha¨ltnis zur Stundung
Letztlich nachvollziehbar ist die Argumentation des BFH, dass
an eine weitgehende oder vollsta¨ndige Steuerfreistellung ho¨here
Anforderungen als an eine bloße Stundung gestellt werden
mu¨ssten, was bei den derzeitigen Vorschriften genau umgekehrt
ist
20
.
Allerdings setzt eine Stundung stets eine Pru¨fung des Ein-
zelfalls voraus, wa¨hrend bei der generellen Begu¨nstigung der
§§ 13a und 13b ErbStG Typisierungen vorgenommen werden.
Ein ErbStG ist aber nur praktikabel, wenn nicht jedwede Be-
gu¨nstigung von betrieblichem Vermo¨gen einer individuellen
Pru¨fung unterzogen werden muss. Dies erga¨be einen unverha¨lt-
nisma¨ßig hohen bu¨rokratischen Aufwand.
IV. Verfassungswidriger Begu¨nstigungsu¨berhang durch
die Regelungen u¨ber das sog. Verwaltungsvermo¨gen
Im Rahmen des verfassungswidrigen Begu¨nstigungsu¨berhangs
durch die Regelungen u¨ber das sog. Verwaltungsvermo¨gen be-
ma¨ngelt der BFH eine zielgenaue Verschonung und macht diese
anhand zahlreicher Gestaltungsmo¨glichkeiten deutlich.
1.
Verwaltungsvermo¨gensgrenze von 50%
Der BFH sieht einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz darin,
dass das ErbStG die Mo¨glichkeit ero¨ffnet, bei Anwendung der
Regelverschonung i. H. von 85% dem betrieblichen Vermo¨gen
bis zu 50% Verwaltungsvermo¨gen beizumischen
21
.
Damit ko¨n-
nen Gegensta¨nde der privaten Vermo¨gensverwaltung im selben
Umfang wie „echtes“ Betriebsvermo¨gen von der 85%igen Ver-
schonung erfasst werden. Durch die Einlage in KapGes. oder
eine betriebliche Widmung kann mithin praktisch alles einer
privaten Vermo¨gensverwaltung unterliegende Vermo¨gen als Be-
triebsvermo¨gen begu¨nstigt werden, obwohl dieses Vermo¨gen in
erster Linie der weitgehend risikolosen Renditeerzielung dient
und i. d. R. weder die Schaffung von Arbeitspla¨tzen noch zu-
sa¨tzliche volkswirtschaftliche Leistungen bewirkt. Entsprechen-
des Vermo¨gen solle aber nach der Zielrichtung des Gesetzes ge-
rade nicht begu¨nstigt werden
22
.
Der Auffassung des BFH ist zuzustimmen, da Zweifel an
einer Vereinbarkeit mit dem Gebot der Folgerichtigkeit beste-
hen
23
.
Auch genu¨gen die Vorschriften zum jungen Verwaltungs-
vermo¨gen nicht einer ausreichenden Missbrauchsbeka¨mpfung.
Das Problem kann nach hier vertretener Auffassung aber ku¨nftig
dadurch behoben werden, dass die Vorschriften zum Verwal-
tungsvermo¨gen weiter gefasst werden, wie es bereits im Entwurf
des JStG 2013 vorgesehen war
24
.
Danach sollen zum Verwal-
tungsvermo¨gen neben Wertpapieren auch Zahlungsmittel,
Sichteinlagen, Bankguthaben und andere Forderungen geho¨ren,
sofern deren Wert nicht 10% u¨bersteigt. Hierzu sollen auch For-
derungen geho¨ren, die aus der Vera¨ußerung von Verwaltungs-
vermo¨gen stammen.
17
BFH vom 27. 9. 2012, a.a.O. (Fn. 2), unter B. II. 5. d).
18
BVerfG-Beschluss vom 7. 11. 2006 – 1 BvL 10/02, BStBl. II 2007 S. 192 = DB
2007
S. 320, unter C. II. 2. b) ee) und C. II. 4. d).
19
BFH vom 27. 9. 2012, a.a.O. (Fn. 2), unter B. II. 5. e).
20
BFH vom 27. 9. 2012, a.a.O. (Fn. 2), unter B. II. 5. f); ebenso
Eisele
,
NWB
2012
S. 3453 (3463), unter VI. 4. e).
21
BFH vom 27. 9. 2012, a.a.O. (Fn. 2), unter B. II. 6. a).
22
BFH vom 27. 9. 2012, a.a.O. (Fn. 2), unter B. II. 6. mit Verweis auf BT-
Drucks. 16/7918 S. 35.
23
Vgl. ausfu¨hrlich zur Folgerichtigkeit BVerfG-Beschl. v. 4. 12. 2002 – 2 BvR
400/98 / 2
BvR 1735/00, BVerfGE 107 S. 27 = DB 2003 S. 860, C. I. 1. b).
24
BT-Drucks. 17/10604, DB0491934 S. 37, insbesondere A¨ nderung zu § 13b
Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 ErbStG, d. h. 10%-Grenze.
2540
Steuerrecht
DER BETRIEB | Nr. 45 | 9. 11. 2012