2.
U¨ bertragung von „privaten“ Gegensta¨nden in betrieb-
lichen Bereich
Zu Recht kritisiert der BFH Gestaltungsmo¨glichkeiten, nach
denen generell typischerweise „private“ Vermo¨gensgegensta¨nde
durch eine U¨ bertragung oder Widmung als betriebliches Ver-
mo¨gen in die Verschonungsbegu¨nstigung gelangen
25
.
Diesem Missbrauchspotenzial ko¨nnte aber auch durch eine
Erweiterung der Verwaltungsvermo¨gensvorschriften Einhalt ge-
boten werden, z. B. durch die zuvor aufgezeigten A¨ nderungen
i. V. mit einer generellen Reduzierung der Quote auf z. B. 10%
(
im Einzelnen vgl. unter IV. 3.).
3.
U¨ berschreitung der Typisierungsbefugnis bei 50%-Grenze
fu¨r Verwaltungsvermo¨gen
Ebenfalls nachzuvollziehen sind die Ausfu¨hrungen des BFH,
dass die 50%-Grenze fu¨r Verwaltungsvermo¨gen als Typisie-
rungsregelung zu weit geht und mithin gegen die Folgerichtig-
keit versto¨ßt
26
.
Es sei eher die Ausnahme, dass Betriebe aus
Gru¨nden der Liquidita¨t, zur Absicherung von Krediten oder
auch zur Sta¨rkung der Eigenkapitalbasis bis zu 50% u¨ber Ver-
waltungsvermo¨gen i. S. des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG ver-
fu¨gen mu¨ssen. Dies gelte insbesondere deshalb, weil die Mittel
zur Sicherstellung der laufenden Liquidita¨t wie z. B. Bargeld
und Bankguthaben nicht zum Verwaltungsvermo¨gen geho¨ren.
Der BFH ha¨lt es wegen der weitreichenden Auswirkungen der
Typisierungsregelung auf den Verschonungsumfang fu¨r nicht
vertretbar, Verwaltungsvermo¨gen ohne jede Pru¨fung in gleicher
Weise und im gleichen Umfang wie das u¨brige Betriebsver-
mo¨gen zu begu¨nstigen. Dies begu¨nstige die Inhaber von Be-
triebsvermo¨gen und Anteilseigner, da diese im Gegensatz zu
„
reinen Privatpersonen“ die Strukturierungsmo¨glichkeit haben.
In diesem Zusammenhang zeigt der BFH auf, dass eine
mehrstufige Konzernstruktur den Verwaltungsvermo¨gensanteil
erheblich erho¨hen kann, da auf Ebene der Tochtergesellschaften
stets eine 50%ige Verwaltungsvermo¨gensquote ausreicht, die
dann die gesamte Beteiligung als „echtes“ Vermo¨gen qualifiziert.
Nach dem Beispiel des BFH
27
kann – geschickt verteilt – bei
einer Quote von insgesamt nur 6,25% echten Betriebsvermo¨gens
die gesamte Beteiligung begu¨nstigt sein.
Zu beachten ist, dass der Entwurf des JStG 2013
28
bereits
eine Verscha¨rfung vorsah, da danach Bargeld und Bankguthaben
Verwaltungsvermo¨gen sein sollten, wenn diese nicht geringfu¨gig
waren bzw. nicht aus der eigentlichen Unternehmensta¨tigkeit
stammen, wobei diese neue Vorschrift nicht eindeutig wa¨re
29
.
Wenn die A¨ nderungen des JStG 2013 inhaltlich umgesetzt und
auch
mittelbare
Forderungen aus der eigentlichen Unterneh-
mensta¨tigkeit kein Verwaltungsvermo¨gen bilden wu¨rden, kann
sich eine 50%ige Verwaltungsvermo¨gensgrenze als U¨ berschrei-
tung der Typisierungsbefugnis darstellen. Dies ist vor allem i. V.
mit der geplanten Neufassung des § 13a Abs. 5a ErbStG zu se-
hen, der eine Umqualifizierung von Verwaltungsvermo¨gen in
betriebliches Vermo¨gen vorsieht, wenn innerhalb von zwei Jah-
ren ab Erwerb dieses Verwaltungsvermo¨gen im Unternehmen
investiert wird. Diese Vorschrift wu¨rde insbesondere den Be-
du¨rfnissen kapitalintensiver Unternehmen, z. B. solchen mit ho-
hen Forschungs- und Entwicklungskosten, die diese fru¨hzeitig
bereitgestellt haben, Rechnung tragen.
4.
Vollverschonung und Verwaltungsvermo¨gensgrenze von
50%
ab Ebene Tochtergesellschaften
Im gleichen Kontext wie zuvor kritisiert der BFH die Regelung,
dass bei der Inanspruchnahme der Vollverschonung (100%ige
Verschonung) allein auf der Ebene der unmittelbar zu u¨bertragen-
den Gesellschaft die 10%-Grenze einzuhalten ist und ab Ebene
der Tochtergesellschaften wiederum die 50%-Grenze gilt
30
.
Erga¨nzend zu den dazu gemachten Ausfu¨hrungen sei hier an-
gemerkt, dass bei einer Vollverschonung generell von einer
gleichheitswidrigen Begu¨nstigung auszugehen ist, da eine solche
im Vergleich zu anderem Vermo¨gen allenfalls im Ausnahmefall
mit der Gemeinwohlbindung und Gemeinwohlverpflichtung zu
rechtfertigen sein kann.
5.
Kein § 42 AO
Der BFH macht unmissversta¨ndlich klar, dass es sich nach sei-
ner Auffassung bei Gestaltungen zur Ausnutzung der Gestal-
tungsmo¨glichkeiten „nicht um missbra¨uchliche Gestaltungen
i. S. des § 42 AO, sondern um die Folgen einer verfehlten Ge-
setzestechnik“ handelt, da der Bundesrat im Gesetzgebungsver-
fahren zum JStG 2010
31
auf entsprechende Gestaltungen hinge-
wiesen hat und bekannt war, dass das Gesetz entsprechende Ge-
staltungen zula¨sst
32
.
6.
Ermo¨glichung sog. „Cash“-Gesellschaften
Gut nachvollziehbar stu¨tzt der BFH die Begru¨ndung der Verfas-
sungswidrigkeit auch auf die Ermo¨glichung sog. „Cash“-Gesell-
schaften und die damit einhergehende Bevorzugung gegenu¨ber
Erwerbern, die gleiche Vermo¨gensgegensta¨nde im Privatver-
mo¨gen halten
33
.
Da Geldforderungen wie etwa Sichteinlagen,
Sparanlagen und Festgeldkonten bei Kreditinstituten sowie For-
derungen aus Lieferungen und Leistungen und Forderungen an
verbundene Unternehmen nicht zum Verwaltungsvermo¨gen i. S.
des § 13b Abs. 2 ErbStG geho¨ren, ko¨nnen Anteile an derartigen
Gesellschaften (sofern sie die weiteren Voraussetzungen wie Be-
teiligungsho¨he bei KapGes. und Behaltensfrist erfu¨llen) derzeit
erbschaft- und schenkungsteuerfrei u¨bertragen werden. Mangels
mehr als 20 Bescha¨ftigten bei derartigen Konstellationen kommt
es auf die Erreichung der Lohnsumme und somit die Erhaltung
von Arbeitspla¨tzen nicht an.
Auch hier liege kein Fall des § 42 AO vor, sondern die Nut-
zung von Gestaltungsmo¨glichkeiten. Dass auch der Bundesrat
diese Auffassungen vertrete, leitet der BFH daraus ab, dass er
sonst keine A¨ nderung des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 ErbStG
vornehmen mu¨sste, wie im JStG 2013 vorgesehen war
34
.
Glei-
ches ist aus der Stellungnahme des Bundestages zum JStG 2013
abzuleiten
35
.
25
BFH vom 27. 9. 2012, a.a.O. (Fn. 2), unter B. II. 6. b).
26
BFH vom 27. 9. 2012, a.a.O. (Fn. 2), unter B. II. 6. c).
27
BFH vom 27. 9. 2012, a.a.O. (Fn. 2), unter B. II. 6. c).
28
BT-Drucks. 17/10604, DB0491934, S. 37; BR-Drucks. 302/12 (Beschluss),
DB0483199 S. 113.
29
Die Regelung des Gesetzesentwurfs ist insoweit nicht eindeutig, als es dort
heißt: „
Forderungen aus der eigentlichen Unternehmensta¨tigkeit bilden kein
Verwaltungsvermo¨gen. Hierzu geho¨ren z. B. Forderungen aus Lieferungen und
Leistungen.
“
Da zum scha¨dlichen Verwaltungsvermo¨gen jedoch ausdru¨cklich
„
Wertpapiere sowie vergleichbare Forderungen, Zahlungsmittel, Sichteinlagen,
Bankguthaben und andere Forderungen
“
geho¨ren, stellt sich die Frage, ob
Bankguthaben, die nach dem Gesetzeswortlaut
Forderungen
sind, immer
dann auch solche aus der eigentlichen Unternehmensta¨tigkeit sind, wenn
sie aus der Zahlung von Forderungen resultieren. Dies du¨rfte nur dann nicht
gelten, wenn das Bankguthaben zwischenzeitlich in Verwaltungsvermo¨gen
umgeschichtet worden wa¨re. Der Wortlaut des Gesetzes legt eine solche Aus-
legung nahe, sodass auch
mittelbar
aus der eigentlichen Unternehmens-
ta¨tigkeit stammendes Bankguthaben so lange der Begu¨nstigung unterliegen
mu¨sste, wie es nicht in Verwaltungsvermo¨gen umgeschichtet wurde. An-
dernfalls ha¨tte der Gesetzgeber ein „unmittelbar“ erga¨nzen mu¨ssen.
30
BFH vom 27. 9. 2012, a.a.O. (Fn. 2), unter B. II. 6. e).
31
BT-Drucks. 17/2249 S. 91.
32
BFH vom 27. 9. 2012, a.a.O. (Fn. 2), unter B. II. 6. f).
33
BFH vom 27. 9. 2012, a.a.O. (Fn. 2), unter B. II. 6. g).
34
BR-Drucks. 302/12 [Beschluss], DB0483199, S. 113 ff.
35
BT-Drucks. 17/10604, DB0491934, S. 37.
DER BETRIEB | Nr. 45 | 9. 11. 2012
Steuerrecht
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