Der BFH ha¨lt derartige Gestaltungen mit den Anforderun-
gen an eine willku¨rfreie, folgerichtige, an den Zuwachs an Leis-
tungsfa¨higkeit anknu¨pfende Besteuerung des Erwerbers und so-
mit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG)
nicht vereinbar. Es seien keine Gru¨nde ersichtlich, die eine sol-
che Bevorzugung entsprechenden Vermo¨gens, das im Betriebs-
statt im Privatvermo¨gen gehalten wird, rechtfertigen. Dies gelte
auch fu¨r die Behaltensregelungen in § 13a Abs. 5 ErbStG, die
solche Gestaltungen weder verhindern noch maßgeblich er-
schweren ko¨nnten. Ausschu¨ttungen und Entnahmen wirkten
sich nur aus, wenn sie innerhalb der Behaltensfrist die Summe
der Einlagen des Erwerbers und der ihm zuzurechnenden Ge-
winne oder Gewinnanteile seit dem Erwerb um mehr als
150.000
€ u¨bersteigen, wobei Verluste unberu¨cksichtigt bleiben
(
§ 13a Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 [i. V. mit Abs. 8] ErbStG). Soweit
die Ausschu¨ttungen oder Entnahmen 150.000 € u¨berstiegen,
fiele der Verschonungsabschlag lediglich in entsprechender Ho¨-
he ru¨ckwirkend weg, ohne dass sich weitere Nachteile erga¨ben.
I. H. von 150.000 € bliebe der Verschonungsabschlag unange-
tastet. Nach Ablauf der Behaltensfrist ko¨nne der Erwerber frei
u¨ber das Gesellschaftsvermo¨gen verfu¨gen. Die Grenzen zula¨ssi-
ger Typisierung seien u¨berschritten, da die Anforderungen an
die Rechtfertigung einer Steuervergu¨nstigung, die umso ho¨her
sind, je gro¨ßer die Steuerverschonung und damit Sonderbegu¨ns-
tigung einer bestimmten Gruppe ist, nicht erfu¨llt seien.
Fu¨r die Praxis bedeutsam ist die weitere Ausfu¨hrung des
BFH zur verfassungskonformen Auslegung
36
.
Es sei nicht mo¨g-
lich, § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 ErbStG dahingehend verfas-
sungskonform auszulegen, dass Bankguthaben und Festgelder
scha¨dliches Verwaltungsvermo¨gen seien, da dies weder mit dem
Wortlaut noch mit deren Sinn und Zweck, dem systematischen
Zusammenhang und der Entstehungsgeschichte vereinbar sei.
Zwar mu¨sse ein Gesetz im Zweifel verfassungskonform aus-
gelegt werden. Dann mu¨sse aber eine Auslegung unter Beru¨ck-
sichtigung von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Gesamt-
zusammenhang und Zweck zu einem verfassungsgema¨ßen Er-
gebnis fu¨hren. Ein Versta¨ndnis, das in Widerspruch zu dem klar
erkennbar gea¨ußerten Willen des Gesetzgebers steht, ko¨nne
auch im Weg verfassungskonformer Auslegung nicht begru¨ndet
werden. Vorliegend wu¨rde jedoch der Regelung ein neuer nor-
mativer Gehalt gegeben. Denn es mu¨sste eine Auslegung vor-
genommen werden, nach der jede Geldforderung Wertpapieren
vergleichbar wa¨re, was zu einer Verfehlung oder Verfa¨lschung
des gesetzgeberischen Ziels fu¨hren wu¨rde.
Die Ausfu¨hrungen des BFH geben den in der Gestaltungs-
beratung bislang durchgefu¨hrten U¨ bertragungen von
Cash“-Gesellschaften, insbesondere „Cash“-GmbHs, Ru¨cken-
deckung. Weder das Damoklesschwert „§ 42 AO“ noch eine
verfassungskonforme Auslegung dergestalt, dass die Begu¨ns-
tigungsvorschriften der §§ 13a und 13b ErbStG nicht fu¨r ver-
mo¨gensverwaltende Gesellschaften gelten, sind nach geltendem
Recht zu befu¨rchten. Dass der Gesetzgeber dies a¨hnlich sieht,
zeigt sich an den vorgeschlagenen A¨ nderungen des JStG 2013.
In den Begru¨ndungen von Bundessrat
37
und Bundestag
38
heißt
es jeweils ausdru¨cklich: „Nach Auffassung der Finanzverwaltung
und großer Teile des Schrifttums sind Finanzmittel im Rahmen
des bisher geltenden Rechts grds. kein Verwaltungsvermo¨gen,
ko¨nnen also – z. B. in einer sog. „Cash-GmbH“ – den Begu¨ns-
tigungen fu¨r Betriebsvermo¨gen zugefu¨hrt werden.“ Durch die
beabsichtigten A¨ nderungen des JStG 2013 wu¨rde dieser Gestal-
tung ein Riegel vorgeschoben.
In diesem Zusammenhang ist folgende Ausfu¨hrung des BFH
zu hinterfragen: „Umschichtungen innerhalb der nach § 13b
Abs. 1 ErbStG begu¨nstigten Vermo¨gensart sind dabei gem.
§ 13a Abs. 5 Satz 3 und 4 ErbStG unscha¨dlich, soweit nicht in
Vermo¨gen investiert wird, das zum Verwaltungsvermo¨gen i. S.
des § 13b Abs. 2 ErbStG geho¨rt.“
39
Isoliert betrachtet, legt die-
ser Satz die Vermutung nahe, dass nach U¨ bertragung der Anteile
einer „Cash“-Gesellschaft eine Umschichtung des Barvermo¨gens
in Verwaltungsvermo¨gen, z. B. Wertpapiere, scha¨dlich sein soll.
Aufgrund der Bezugnahme in § 13a Abs. 5 Satz 3 ErbStG auf
Satz 1 Nr. 1, 2 und 4 ist dieser Satz jedoch so zu verstehen, dass
hier grds. die Reinvestion der Erlo¨se aus der Vera¨ußerung be-
gu¨nstigten Vermo¨gens gemeint ist. Zu beachten ist, dass Satz 1
Nr. 1 Satz 2 als derartige Vera¨ußerung auch die Vera¨ußerung
wesentlicher Betriebsgrundlagen ansieht. Da dies aber nur fu¨r
Gewerbebetriebe, Teilbetriebe, Mitunternehmeranteile und ent-
sprechende freiberufliche Praxen gilt, ko¨nnte bei „Cash“-Pers-
Ges. eine solche Umschichtung von Barvermo¨gen in Wertpapie-
re die Vera¨ußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen darstellen.
Eine entsprechende Umschichtung bei KapGes. ist unscha¨dlich,
da das Gesetz entsprechendes Verhalten nicht sanktioniert und
die Verwaltungsvermo¨gensquote i. S. des im ErbSt-Recht vor-
herrschenden Stichtagsprinzips zum U¨ bertragungsstichtag nicht
u¨berschritten sein darf.
7.
Gestaltungsmo¨glichkeit „Forderungs-Gesellschaft“
Einen weiteren Begu¨nstigungsu¨berhang sieht der BFH in der
Mo¨glichkeit, durch Gestaltungen aus begu¨nstigungsscha¨dlichem
Verwaltungsvermo¨gen begu¨nstigtes Betriebsvermo¨gen zu ma-
chen
40
.
Dies geschieht dadurch, dass eine GmbH, die aus-
schließlich Verwaltungsvermo¨gen ha¨lt, mo¨glicherweise sogar
durch Einlage aus dem Privatvermo¨gen des Gesellschafters, die-
ses Verwaltungsvermo¨gen an eine andere GmbH vera¨ußert und
dann selber nur noch die Kaufpreisforderung ha¨lt, die wiederum
gestundet wird. Bei U¨ bertragung beider Gesellschaften ist die
GmbH, die die Vermo¨gensgegensta¨nde erworben hat, wertlos,
da sie eine Verbindlichkeit i. H. des Kaufpreises hat, und die
GmbH, die die Forderung ha¨lt, hat ausschließlich begu¨nstigtes
Betriebsvermo¨gen und kann die vollsta¨ndige Verschonung in
Anspruch nehmen.
Abhilfe sollte das JStG 2013 schaffen
41
,
indem Forderungen,
die aus der Vera¨ußerung von Verwaltungsvermo¨gen stammen,
zum Verwaltungsvermo¨gen geho¨ren (vgl. § 13b Abs. 2 Satz 2
Nr. 4 Satz 3 ErbStG-Entwurf). Hieraus leitet der BFH ab, dass
derartige Gestaltungen nach dem derzeitigen Recht zu beru¨ck-
sichtigen sind. Das BMF hat sich hierzu im Rahmen seiner Stel-
lungnahme im Verfahren vor dem BFH nicht gea¨ußert und ins-
besondere nicht fu¨r Anwendung von § 42 AO pla¨diert. Nach
den Ausfu¨hrungen des BFH wa¨re dies auch fu¨r die Finanzver-
waltung nicht erfolgversprechend.
V. Verfassungswidriger Begu¨nstigungsu¨berhang durch
die Regelungen u¨ber die Entwicklung der Lohnsummen
Ferner erweist sich nach richtiger Auffassung des BFH die
Lohnsummenregelung in der vorliegenden Fassung als ungeeig-
netes Differenzierungskriterium
42
.
Zum einen ha¨tten weit mehr
als 90% der Betriebe weniger als 20 Bescha¨ftigte und fielen so-
36
Fu¨r die Mo¨glichkeit einer verfassungskonformen Auslegung sprechen sich
Crezelius
,
ZEV 2012 S. 1 (2 f., unter 2.), sowie
Wachter
,
DStR 2011 S. 2331
(2333
f., unter 3.2.) aus.
37
BR-Drucks. 302/12 (Beschluss), DB0483199, S. 115.
38
BT-Drucks. 17/10604, DB0491934 S. 38.
39
BFH vom 27. 9. 2012, a.a.O. (Fn. 2), unter B. II. 6. g).
40
BFH vom 27. 9. 2012, a.a.O. (Fn. 2), unter B. II. 6. h).
41
BR-Drucks. 302/12 (Beschluss), DB0483199, S. 113; BT-Drucks. 17/10604,
DB0491934 S. 38.
42
BFH vom 27. 9. 2012, a.a.O. (Fn. 2), unter B. II. 7.
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Steuerrecht
DER BETRIEB | Nr. 45 | 9. 11. 2012