lungsgehalt jenes Bescheids erscho¨pft sich nicht in der Feststel-
lung, dass die auf Vorsteueru¨berha¨ngen beruhenden USt-Ver-
gu¨tungsanspru¨che der Schuldnerin September – Dezember 2001
als durch Verrechnung mit dem gegen diese gerichteten, vom
FA aufgrund Berichtigung der bislang fu¨r Januar – August 2001
angesetzten Vorsteuerbetra¨ge wegen Uneinbringlichkeit der be-
treffenden Entgelte festgesetzten USt-Anspruch August 2001
erloschen sind, sondern er entscheidet damit zugleich, dass der
Kla¨ger eine Vergu¨tung von in diese Monate fallender Vorsteuer
bzw. eine Erstattung insofern entrichteter positiver USt nicht
beanspruchen kann. Diese Feststellung hat auch nach Entstehen
der Jahressteuer Bedeutung. Sie ist jedoch rechtma¨ßig und die
Klage daher, wie es das FG getan hat, abzuweisen, weil der An-
spruch auf Absetzung der Vorsteuerbetra¨ge zwar mo¨glicherweise
nicht schon aufgrund Aufrechnungserkla¨rung, wohl aber aufgrund
der Saldierung gem. § 16 Abs. 2 UStG erloschen ist, bei welcher
die Rspr. des BFH § 96 Abs. 1 InsO nicht beachtet
8
.
Das ist als
ein bloßes Element der Begru¨ndung des angefochtenen Bescheids
ungeachtet dessen zu beru¨cksichtigen, dass sich das FA in diesem
Bescheid nicht auf jene Vorschrift, sondern lediglich auf die
Wirksamkeit seiner Aufrechnungserkla¨rung berufen hat.
Sache ist auch spruchreif
14
I
Die Sache ist insofern auch spruchreif (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 1 FGO). Wie der Senat mit Urteil VII R 29/11
9
vom 25. 7.
2012
entschieden hat, entsteht ein bei der Steuerberechnung
bzw. -festsetzung zu beru¨cksichtigender, mithin mit den u¨brigen
Berechnungspositionen des betreffenden Besteuerungszeitraums
(
hier: 2001) zu saldierender Berichtigungsbetrag, sobald einer
der Tatbesta¨nde des § 17 Abs. 2 UStG verwirklicht wird. Das
hat das FA zuna¨chst fu¨r August angenommen, ohne dass der
Kla¨ger dem substanziiert entgegengetreten ist. Das FG hat sich
zu der Frage zwar nicht ausdru¨cklich gea¨ußert; aus seinen Erwa¨-
gungen ergibt sich jedoch sinngema¨ß die Feststellung, dass die
Schuldnerin spa¨testens im Zeitpunkt der Ero¨ffnung des Insol-
venzverfahrens tatsa¨chlich zahlungsunfa¨hig war, mithin das FA
zu Recht die fu¨r Januar – August geltend gemachten Vorsteuern
noch vor Ero¨ffnung des Insolvenzverfahrens im November um
einen gescha¨tzten Anteil berichtigt hat.
>
Anmerkung zu den BFH-Urteilen vom 25. 7. 2012 – VII
R 29/11 und VII R 44/10 von RA/StB Dr. iur. Gu¨nter
Kahlert, White & Case LLP, Hamburg
Mit seinen Urteilen vom 25. 7. 2012 – VII R 29/11 und VII R
44/10
10
u¨berla¨sst der VII. Senat dem V. Senat das Feld des USt-
Insolvenzrechts, soweit das Festsetzungsverfahren betroffen ist.
Der Ru¨ckzug geschieht mit kritischen To¨nen. Denn das Konzept
des V. Senats stellt ein unzula¨ssiges Vorrecht des Fiskus dar.
Dieses fußt in der offen ausgesprochenen (insolvenzrechtlich al-
lerdings unrichtigen) Ansicht, es handele sich bei der USt, die
der Leistende als Kaufpreisbestandteil auf den Leistungsempfa¨n-
ger u¨berwa¨lzt, um Fremdgeld, das dem Fiskus auch im Fall der
Insolvenz zustehen mu¨sse. Zur Verwirklichung dieser Ansicht
legt der V. Senat das Gesetz im Fall der Soll-Besteuerung wie
folgt zielorientiert aus:
Bei noch nicht vereinnahmten Entgelten (
Ausgangsleistungen
)
habe eine erste Berichtigung der USt gem. § 17 Abs. 2 Nr. 1
Satz 1 UStG wegen rechtlicher Uneinbringlichkeit zu erfolgen,
die eine Insolvenzforderung gem. § 38 InsO darstelle. Bei Ver-
einnahmung des Entgelts im Insolvenzverfahren habe eine zwei-
te Berichtigung gem. § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG zu erfol-
gen, die als Masseverbindlichkeit gem. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO
zu beurteilen sei. Bei noch nicht bezahlten
Eingangsleistungen
habe spa¨testens mit Insolvenzero¨ffnung eine Berichtigung der
Vorsteuer wegen tatsa¨chlicher Uneinbringlichkeit gem. § 17
Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG zu erfolgen, die als Insolvenzforde-
rung gem. § 38 InsO zu beurteilen sei. Zur Anmeldung der USt
zur Insolvenztabelle gem. §§ 87, 174 ff. InsO habe eine
Jahres-
steuerberechnung
zu erfolgen, welche den Zeitraum bis zur Insol-
venzero¨ffnung umfasse und in der sa¨mtliche USt, Vorsteuer und
auch Berichtigungen fu¨r diesen Zeitraum als unselbststa¨ndige
Besteuerungsgrundlagen zu erfassen und nach § 16 Abs. 2 UStG
zu saldieren seien. Bei der Saldierung handele es sich nicht um
eine Aufrechnung, weshalb die Aufrechnungsverbote gem.
§§ 96 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 InsO keine Anwendung finden
wu¨rden. Ein zur Insolvenztabelle festgestellter USt-Anspruch sei
nur gem. § 130 AO analog
a¨nderbar
.
Nach Ansicht des V. Se-
nats ist sein Konzept Teil des
Festsetzungsverfahrens
,
fu¨r das er
und nicht der VII. Senat zusta¨ndig sei
11
.
Mit seinem Konzept befand sich der V. Senat bislang im Wider-
spruch zur Rspr. des VII. Senats hinsichtlich der Auslegung der
§§ 38, 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Der V. Senat hat die Begru¨ndetheit
eines Vermo¨gensanspruchs vor oder nach der Insolvenzero¨ffnung
gem. § 38 InsO im Festsetzungsverfahren danach beurteilt, wann
der
Steuertatbestand
vollsta¨ndig verwirklicht und damit abge-
schlossen sei. Demgegenu¨ber hat der VII. Senat das gleichwertige
Schuldigwerden vor oder nach Insolvenzero¨ffnung im Rahmen
des Erhebungsverfahrens gem. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO (Aufrech-
nungsverbot) danach bestimmt, wann der dem Steuertatbestand
zugrunde liegende zivilrechtliche
Sachverhalt
also die Lieferung
oder sonstige Leistung – verwirklicht worden sei. Danach wu¨rde
es sich z. B. – anders als der V. Senat meint – bei der zweiten Be-
richtigung um eine Insolvenzforderung handeln, weil die zugrun-
de liegenden Lieferungen und sonstigen Leistungen regelma¨ßig
vor Insolvenzero¨ffnung ausgefu¨hrt worden sind.
Der VII. Senat lo¨st mit seinem Urteil VII R 29/11 den Wider-
spruch dadurch auf, dass er mit Blick auf § 17 Abs. 2 UStG sei-
ne Rspr. ausdru¨cklich a¨ndert und sich der Rspr. des V. Senats
anschließt, um eine Einheitlichkeit der Rspr. zu bewirken. Fu¨r
die U¨ berpru¨fung der Rechtma¨ßigkeit einer Aufrechnung gem.
§ 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO knu¨pft er nunmehr hinsichtlich der Ho¨-
he an das Ergebnis nach Saldierung und hinsichtlich der insol-
venzrechtlichen Qualifikation an die Jahressteuerberechnung
(
Insolvenzforderung) oder an den Bescheid nach Insolvenzero¨ff-
nung (Masseverbindlichkeit) an. Davor liest sich das Urteil aller-
dings wie eine Rechtfertigung seiner bisherigen Rspr. und als
berechtigte – Kritik an dem Konzept des V. Senats
12
.
Dass der
VII. Senat in seinem Urteil VII R 29/11 zu einem Aufrech-
nungsverbot gelangt, liegt allein darin begru¨ndet, dass der Fiskus
das Konzept des V. Senats (noch) nicht angewendet und keine
erste Berichtigung vorgenommen hatte.
In seinem Urteil VII R 44/10 schließt sich der VII. Senat der
Rspr. des V. Senats an, wonach zum Zwecke der Anmeldung
zur Insolvenztabelle eine Jahressteuerberechnung zu erfolgen ha-
be. Diese erledige auch einen Abrechnungsbescheid, in dem
u¨ber die Rechtma¨ßigkeit einer Aufrechnung von Anspru¨chen
aus der Zeit vor Insolvenzero¨ffnung entschieden worden sei.
Auch wenn der VII. Senat die Zusta¨ndigkeit des V. Senats fu¨r
das Festsetzungsverfahren und somit fu¨r die Jahressteuerberech-
8
BFH vom 24. 11. 2011, a.a.O. (Fn. 4).
9
BFH-Urteil vom 25. 7. 2012 – VII R 44/10, DB0529517.
10
BFH-Urteil vom 25. 7. 2012 – VII R 29/11, DB0529517; VII R 44/10,
DB0529518.
11
Vgl. zur Kritik
Kahlert/Onusseit
,
DStR 2012 S. 921.
12
BFH vom 25. 7. 2012 – VII R 29/11, Rdn. 12-15.
2558
Steuerrecht
DER BETRIEB | Nr. 45 | 9. 11. 2012