nung anerkennt, so finden sich im Urteil VII R 44/10 gleich-
wohl kritische To¨ne. Der VII. Senat weist zu Recht darauf hin,
dass der V. Senat hinsichtlich der Saldierung nach § 16 Abs. 2
UStG insbesondere nicht die entsprechende Anwendung des
§ 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO (Aufrechnungsverbot wegen Insolvenz-
anfechtung) in Betracht zieht
13
.
Der VII. Senat knu¨pft bei § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO auf Grundlage
der Rspr. des IX. Senats des BGH nicht an die Verwirklichung
des Steuertatbestands an, sondern an die Lieferungen und sons-
tigen Leistungen als Rechtshandlungen i. S. der §§ 129 ff.
InsO
14
.
Deshalb erscheint es mo¨glich, dass der VII. Senat im
Erhebungsverfahren die Saldierung nach § 16 Abs. 2 UStG auf-
bricht. In seinem vorzitierten Urteil hatte der VII. Senat diese
Frage nicht zu entscheiden, weil der Vorsteueru¨berhang nach In-
solvenzero¨ffnung allein aus der Rechnung des vorla¨ufigen Insol-
venzverwalters resultierte. Ein Aufbrechen der Saldierung nach
§ 16 Abs. 2 UStG kommt auch in Betracht, wenn der Fiskus
einen Vorsteueru¨berhang aus einem Jahr vor Insolvenzero¨ffnung
mit einer USt-Schuld aus der Jahressteuerberechnung bis zur
Insolvenzero¨ffnung aufrechnet. Das Verha¨ltnis zwischen V. und
VII. Senat erscheint somit weiterhin nicht widerspruchsfrei.
Das Konzept des V. Senats ist aus Sicht der Insolvenzpraxis auch
deshalb bedenklich, weil es sanierungsfeindlich ist. Denn im
Vergleich zum vormaligen Vorrecht des Fiskus gem. § 61 KO
erfolgt keine vorrangige Verteilung der Masse am Ende des Ver-
fahrens, sondern ein vorrangiger Zugriff des Fiskus. Dadurch
wird der Masse Liquidita¨t entzogen, die zur Sanierung erforder-
lich wa¨re. Das steht auch im Widerspruch zum Ziel des ESUG,
Sanierungen zu fo¨rdern.
Redaktioneller Hinweis:
Volltext-Urteil online: DB0529518.
13
BFH vom 25. 7. 2012 – VII R 44/10, Rdn. 10, dazu
Kahlert/Onusseit
,
a.a.O.
(
Fn. 11).
14
BFH-Urteil vom 2. 11. 2010 – VII R 6/10, BStBl. II 2011 S. 374 = DB 2011
S. 511.
Finanzgerichtsordnung
Ordnungsgeld nach Klageru¨cknahme
Angeordnetes perso¨nliches Erscheinen – Festsetzung eines Ord-
nungsgelds – Sachverhaltsaufkla¨rung – Verfahrensbeschleuni-
gung – Klageru¨cknahme in mu¨ndlicher Verhandlung – Keine
Verfahrensverzo¨gerung
FGO § 76, § 80 Abs. 1; ZPO § 141 Abs. 3; VwGO § 95; SGG § 111,
§ 202
1.
Die Anordnung des perso¨nlichen Erscheinens sowie die An-
drohung und Festsetzung eines Ordnungsgelds (§ 80 Abs. 1
FGO) dienen der Sachverhaltsaufkla¨rung und der Verfahrens-
beschleunigung.
2.
Unter Beru¨cksichtigung dieses Normzwecks ist der Wortlaut
des § 80 Abs. 1 Satz 3 FGO dahingehend einzuschra¨nken,
dass Ordnungsgeld im Regelfall nur festgesetzt werden darf,
wenn das unentschuldigte Ausbleiben zu einer Verfahrens-
verzo¨gerung fu¨hrt. Daran fehlt es bei einer Klageru¨cknahme
im Laufe der mu¨ndlichen Verhandlung.
BFH-Beschluss vom 17. 9. 2012 – V B 77/12
u
DB0529555
Die Beschwerde der Beschwerdefu¨hrer richtet sich gegen die Festset-
zung eines Ordnungsgelds von jeweils 200 €.
In dem beim FG anha¨ngigen Hauptsacheverfahren (10 K 400/11) der
Grundstu¨cksgemeinschaft (Kla¨gerin) wandte sich diese gegen die Fest-
setzung und die Ho¨he eines Verspa¨tungszuschlags i. H. von 1.030 €.
Zu der auf den 26. 4. 2012 terminierten mu¨ndlichen Verhandlung hatte
das FG den Prozessbevollma¨chtigten der Kla¨gerin und die Beschwerde-
fu¨hrer geladen. Hinsichtlich der Beschwerdefu¨hrer war deren perso¨nli-
ches Erscheinen angeordnet und fu¨r den Fall des Nichterscheinens ein
Ordnungsgeld i. H. von jeweils 200 € angedroht worden.
Im Termin zur mu¨ndlichen Verhandlung stellte der Vorsitzende fest,
dass die Beschwerdefu¨hrer trotz ordnungsgema¨ßer Ladung nicht er-
schienen waren. Nach dem Vortrag des Sach- und Streitstands durch
den Berichterstatter und die Ero¨rterung der Rechtslage mit dem Be-
klagtenvertreter und dem Prozessbevollma¨chtigten der Kla¨gerin nahm
dieser die Klage fu¨r die Kla¨gerin zuru¨ck. Das Verfahren wurde darauf-
hin gem. § 72 FGO eingestellt.
Durch die Beschlu¨sse vom 4. 5. 2012 setzte das FG gegen die Be-
schwerdefu¨hrer jeweils ein Ordnungsgeld i. H. von 200 € fest. Zur Be-
gru¨ndung fu¨hrte es aus, dass die Anordnung des perso¨nlichen Erschei-
nens erfolgt sei, um mit den Beschwerdefu¨hrern die Gru¨nde fu¨r die ver-
spa¨tete Abgabe der USt-Erkla¨rung zu ero¨rtern. Da diese ohne Angaben
von Gru¨nden zur mu¨ndlichen Verhandlung nicht erschienen waren,
wurde das gegen sie angedrohte Ordnungsgeld festgesetzt.
Gegen diese Beschlu¨sse legten die Beschwerdefu¨hrer am 23. 5. 2012
beim FG Beschwerde ein, ohne sie zu begru¨nden. Nachdem eine Be-
gru¨ndung auch nicht innerhalb der vom FG gesetzten Frist erfolgt war,
beschloss das FG am 4. 6. 2012, den Beschwerden nicht abzuhelfen.
AUS DEN GRU¨ NDEN
1 . . . 6
I
Die Beschwerde ist begru¨ndet.
Ordnungsgeld zu Unrecht festgesetzt
7
I
Das FG hat zu Unrecht gegen die beiden Beschwerdefu¨hrer
ein Ordnungsgeld festgesetzt. Das FG hatte fu¨r diese zwar ord-
nungsgema¨ß ein perso¨nliches Erscheinen angeordnet und bei
Nichterscheinen die Festsetzung eines Ordnungsgelds i. H. von
200
€ angedroht. Nachdem die Kla¨gerin durch ihren Prozess-
bevollma¨chtigten jedoch die Klage im Termin zur mu¨ndlichen
Verhandlung am 26. 4. 2012 zuru¨ckgenommen hatte, durfte das
angedrohte Ordnungsgeld nicht mehr festgesetzt werden.
Ordnungsgeld kann bei Ausbleiben eines Beteiligten nach An-
ordnung perso¨nlichen Erscheinens angedroht und festgesetzt
werden
8
I
1.
Nach § 80 Abs. 1 FGO kann das Gericht das perso¨nliche
Erscheinen eines Beteiligten anordnen. Fu¨r den Fall des Aus-
bleibens kann es Ordnungsgeld wie gegen einen im Verneh-
mungstermin nicht erschienenen Zeugen androhen. Bei schuld-
haftem Ausbleiben setzt das Gericht durch Beschluss das ange-
drohte Ordnungsgeld fest. Ist der Beteiligte – wie im Streitfall –
eine Vereinigung, so ist das Ordnungsgeld dem nach Gesetz
oder Satzung Vertretungsberechtigten anzudrohen und gegen
ihn festzusetzen (§ 80 Abs. 2 FGO).
Perso¨nliches Erscheinen dient der Aufkla¨rung des Sachverhalts
und der Verfahrensbeschleunigung
9
I
Als erga¨nzende Vorschrift zu § 76 Abs. 1 FGO dient die
Vorschrift der Aufkla¨rung des Sachverhalts durch Mitwirkung
der Beteiligten
1
sowie der Konzentration und Beschleunigung
1
BFH-Beschluss vom 14. 12. 2010 – X B 103/10, BFH/NV 2011 S. 618, unter
II. 1. a);
Sto¨cker
,
in: Beermann/Gosch, Steuerliches Verfahrensrecht, § 80
FGO Rdn. 1 f.;
Thu¨rmer
,
in: HHSp, § 80 FGO Rdn. 11.
DER BETRIEB | Nr. 45 | 9. 11. 2012
Steuerrecht
2559