bis zu zwo¨lf Monaten anbieten
13
.
Er ist der wichtigste Referenz-
zinssatz bei variabel verzinslichen Euro-Anleihen sowie ebenfalls
Basis fu¨r zahlreiche andere Zinsprodukte wie Termingescha¨fte,
Swaps, Sparanlagen und Hypotheken. Der Euribor wird im
Auftrag der
European Banking Federation
sowie der
Financial
Markets Association
durch
Thomson Reuters
ermittelt. Dabei wer-
den 43 europa¨ische Banken zu dem Zinssatz befragt, zu dem
eine Bank mit erstklassiger Bonita¨t bereit ist, einer anderen
ebensolchen Bank innerhalb der Eurozone Euro-Terminein-
lagen zur Verfu¨gung zu stellen. Hieraus wird ein Mittelwert be-
rechnet, wobei die ho¨chsten und niedrigsten 15% der Angaben
unberu¨cksichtigt bleiben.
2.
Konstruktion und Wirkungsweise der betroffenen Zins-
derivate
Im Mittelpunkt der mutmaßlichen Libor-Manipulation stehen
Zinsderivate, also Kontrakte oder Gescha¨fte, deren Wert aus
einem Referenzzinssatz oder dem Marktwert einer Schuldver-
schreibung abgeleitet wird. Dabei geht es vor allem um zwei Ar-
ten von Zinsderivaten: OTC-Zins-Swaps und bo¨rsengehandelte
Zins-Futures. Deren Konstruktion und Wirkungsweise seien
kurz erla¨utert:
–
OTC-Zins-Swaps:
Bei ihnen handelt es sich um derivative
Finanztitel, die außerbo¨rslich (
over the counter – OTC
)
gehan-
delt werden. Sie verpflichten die Vertragspartner zum wieder-
holten Austausch zuku¨nftiger Zahlungen in noch zu be-
rechnender Ho¨he zu bestimmten Zeitpunkten
14
.
Bei einem
Standard-Zins-Swap geht eine Partei eine hypothetische
Zinsverbindlichkeit ein, die auf einem festen Referenzzins,
dem sog. Swap-Satz, beruht, und die andere Partei eine hypo-
thetische Verbindlichkeit, die auf einem variablen Zinssatz
beruht. Periodische Nettozinszahlungen leistet jeweils die
Partei, deren Verbindlichkeit ho¨her ist (unbedingtes Termin-
gescha¨ft). Zu den ga¨ngigsten Swap-Konstruktionen geho¨ren
fix-variable Zins-Swaps, die den Tausch fixer Zinszahlungen
aus einem Festzinstitel gegen variable Zinszahlungen aus
einem Geldmarktgescha¨ft beinhalten. Werden ausschließlich
variable Zinszahlungsstro¨me ausgetauscht, so spricht man
von Basis-Swaps
15
.
Bei Euro-, US-Dollar- oder Sterling-
Zins-Swaps wird der variabel verzinste Teil am ha¨ufigsten im
Verha¨ltnis zum Libor oder Euribor definiert. Vera¨nderungen
der Libor- und Euribor-Zinssa¨tze beeinflussen daher unmit-
telbar die Zahlungsverpflichtungen aus den meisten Euro-,
US-Dollar- und Sterling-Zins-Swaps.
–
Bo¨rsengehandelte Zins-Futures:
Hinter diesem Begriff verber-
gen sich standardisierte Zinsterminkontrakte. Gehandelt wer-
den (konkrete oder idealtypische) Rentenwerte per Termin.
Die Bezeichnung Zins-Future beruht auf dem engen und di-
rekten Zusammenhang zwischen dem Marktzinsniveau und
dem Kurs eines festverzinslichen Wertpapiers
16
.
Z. B. bezieht
sich ein standardisierter, an der Eurex gehandelter Drei-
monats-Euribor-Future auf 1.000.000 € einer fiktiven Euro-
Interbankanleihe zum Euribor-Zinssatz mit einer Laufzeit
von drei Monaten (Dreimonats-Termingeld in Euro)
17
.
Er-
fu¨llt wird durch Barausgleich; die Eurex legt ta¨glich Abrech-
nungspreise fest. Im Ergebnis zahlt also bei Zins-Futures der
eine Teil einen vereinbarten Preis und erha¨lt dafu¨r vom Ver-
tragspartner fu¨r eine in der Zukunft liegende Periode eine
Zinszahlung bezogen auf einen bestimmten Betrag. Die Zah-
lung, der sog. Abrechnungspreis, wird u¨blicherweise im Ver-
ha¨ltnis zu Libor- oder Euribor-Zinssa¨tzen festgelegt. Wie-
derum beeinflussen Vera¨nderungen dieser Referenzsa¨tze die
Zahlungspflichten aus entsprechenden Termingescha¨ften.
3.
Konkretisierung der Manipulationsvorwu¨rfe
Ein erstes Bild u¨ber Organisation und Ablauf der mutmaßlichen
Libor-Manipulation ergibt sich aus dem Bußgeldbescheid der
britischen Kapitalmarktaufsicht gegen die
Barclays Bank
18
,
einer
Vergleichsvereinbarung dieser Bank mit dem U.S.-amerikani-
schen Justizministerium
19
und einem Antrag der kanadischen
Wettbewerbsbeho¨rde auf Erlass einer gerichtlichen Anordnung
zur Vorlage bestimmter Dokumente
20
.
Konkret geht es um zwei
Vorwu¨rfe:
–
Falschangaben auf Veranlassung von Derivateha¨ndlern:
Zum
einen sollen Derivateha¨ndler verschiedener Banken seit 2005
im Rahmen wiederholter Absprachen Kollegen veranlasst ha-
ben, falsche Zinsmeldungen gegenu¨ber der BBA abzugeben.
Damit wollten sie auf den Libor einwirken und ausnutzen,
dass Vera¨nderungen dieses Zinssatzes den Wert der von ih-
nen aufgebauten Handelspositionen in Zinsderivaten unmit-
telbar beeinflussten. Sie agierten mithin zur Mehrung des
eigenen Gewinns. Nach ersten Ermittlungen haben die
Ha¨ndler zudem Informationen u¨ber Handelspositionen,
Preissetzungsabsichten in Bezug auf Zinsderivate und Erwar-
tungen u¨ber zuku¨nftige Derivatepreise ausgetauscht
21
.
Be-
gu¨nstigt wurden die institutsu¨bergreifenden Absprachen da-
durch, dass einige Ha¨ndler im Laufe der Zeit bei verschiede-
nen Banken gearbeitet hatten.
–
Falschangaben zur Vermeidung negativer Medienberichterstat-
tung:
Zum anderen sollen einzelne Banken wa¨hrend der Fi-
nanzmarktkrise auf Veranlassung des Top-Managements ge-
scho¨nte Eingaben bei der Libor-Festsetzung gemacht haben,
um ihre Finanz- und Liquidita¨tslage gu¨nstiger darzustellen.
Am Beispiel der
Barclays Bank
:
Die Wirtschaftspresse hatte
vor und wa¨hrend der Finanzkrise verschiedentlich berichtet,
dass
Barclays’
Zinsangaben im Rahmen des Libor-Verfahrens
ho¨her waren als die anderer Banken. Die Verantwortlichen
der
Barclays Bank
glaubten indes, dass die Zinsangaben ihrer
Wettbewerber unzutreffend seien. Um negative Medienbe-
richterstattung zu vermeiden und nicht schlechter dazustehen
als die Konkurrenz, entschlossen sich die
Barclays-
Verant-
wortlichen, wahrheitswidrig niedrigere Zinssa¨tze anzugeben.
Ob die
Bank of England
dies wa¨hrend der Finanzkrise still-
schweigend duldete, wird von den Beteiligten unterschiedlich
dargestellt.
III. Kapitalmarktrechtliche Ahndung: Verbot der
Marktmanipulation
In kapitalmarktrechtlicher Hinsicht ko¨nnte die Libor-Manipula-
tion neben dem Insiderhandelsverbot, das hier außer Betracht
13
Vgl.
Rudolph/Scha¨fer
,
Derivative Finanzinstrumente, 2. Aufl. 2010, S. 113.
14
Vgl.
Rudolph/Scha¨fer
,
a.a.O. (Fn. 13), S. 130;
Bloss/Ernst/Ha¨cker/So¨rensen
,
Financial Engineering, 2011, S. 324 (329).
15
Bloss/Ernst/Ha¨cker/So¨rensen
,
a.a.O. (Fn. 14), S. 324;
Rudolph/Scha¨fer
,
a.a.O. (Fn. 13), S. 130 – 132.
16
Vgl.
Rudolph/Scha¨fer
,
a.a.O. (Fn. 13), S. 141; zu diesem Zusammenhang von
Marktzinsniveau und Kurs auch
Bloss/Ernst/Ha¨cker/So¨rensen
,
a.a.O.
(
Fn. 14), S. 136.
17
Vgl.
Rudolph/Scha¨fer
,
a.a.O. (Fn. 13), S. 139 Tab. 5. 2.
18
Vgl. FSA, a.a.O. (Fn. 3).
19
Vgl. das
Statement of Facts
zu dem
non-prosecution agreement
zwischen dem
U.S. Department of Justice und Barclays, abrufbar unter
iso/opa/resources/9312012710173426365941.pdf [letzter Abruf: 18. 10.
2012].
20
Vgl. den Antrag an den
Court of Ontario
,
abrufbar unter
parade.com/wp-content/uploads/2012/07/AffidavitofBrianElliott-
May182011.pdf [letzter Abruf: 18. 10. 2012].
21
Dazu Wettbewerbskommissar
Almunia
,
New rules for finance: Putting the ge-
nie back in the bottle, 24. 9. 2012, Speech/12/648 S. 3.
2562
Wirtschaftsrecht
DER BETRIEB | Nr. 45 | 9. 11. 2012