bleiben soll
22
,
vor allem gegen das Verbot der Marktmanipulati-
on verstoßen haben. Dieses Verbot ist auf europa¨ischer Ebene in
Art. 5 der Marktmissbrauchsrichtlinie (
Market Abuse Directive
MAD) aus dem Jahre 2003 verankert
23
.
Bei einem grenzu¨ber-
greifenden Sachverhalt wie der Libor-Manipulation ko¨nnen Zu-
widerhandlungen grundsa¨tzlich in jedem Mitgliedstaat verfolgt
werden, in dem ein betroffenes Finanzinstrument auf einem ge-
regelten Markt gehandelt wird, sowie in jedem Mitgliedstaat, in
dem eine Manipulationshandlung zumindest teilweise vor-
genommen wurde
24
.
Dies sei im Folgenden am Beispiel des
deutschen und englischen Kapitalmarktrechts illustriert.
1.
Marktmanipulation nach deutschem Recht
Der deutsche Gesetzgeber hat das Verbot der Marktmanipulati-
on in § 20a WpHG umgesetzt. Normadressaten sind natu¨rliche
und juristische Personen
25
.
a) Sachlicher Anwendungsbereich
Eine Anwendbarkeit von § 20a WpHG setzt zuna¨chst voraus,
dass sich die Libor-Manipulation auf Finanzinstrumente i. S.
des WpHG bezog. Im Ausgangspunkt geho¨ren zu diesen nach
der Legaldefinition des § 2 Abs. 2b Satz 1 WpHG Wertpapiere,
Geldmarktinstrumente, Derivate und Rechte auf Zeichnung von
Wertpapieren. Gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 c) WpHG fallen unter
den Derivatebegriff auch Zinsderivate. Allerdings werden Fi-
nanzinstrumente gem. § 20a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG nur
dann vom Manipulationsverbot erfasst, wenn sie an einer inla¨n-
dischen Bo¨rse zum Handel zugelassen oder in den regulierten
Markt oder den Freiverkehr einbezogen sind
26
.
Ausweislich der
Regierungsbegru¨ndung soll damit (allein) die Funktionsfa¨higkeit
der u¨berwachten Wertpapierma¨rkte geschu¨tzt werden
27
.
Aus-
geklammert sind somit Zinsderivate, die ausschließlich im au-
ßerbo¨rslichen Kapitalmarkt, insbesondere direkt zwischen
Marktteilnehmern gehandelt werden. Infolgedessen fallen
OTC-Zins-Swaps von vornherein aus dem sachlichen Anwen-
dungsbereich des § 20a WpHG heraus. Anders liegt es bei bo¨r-
sengehandelten Zins-Futures.
b) Verbotstatbestand
Als Tathandlung kommt vorliegend eine informationsgestu¨tzte
Manipulation nach § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG in
Betracht. Hilfsweise ist an die Vornahme einer sonstigen Ta¨u-
schungshandlung gem. § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WpHG zu
denken.
aa) Unrichtige Angaben
Fu¨r § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG mu¨sste die U¨ ber-
mittlung unrichtiger Zinssa¨tze durch die Banken im Rahmen des
Libor-Verfahrens als „Machen“ unrichtiger Angaben anzusehen
sein. Angaben macht, wer Erkla¨rungen u¨ber das Vorliegen von
Umsta¨nden abgibt
28
.
Anders als § 264a StGB verlangt § 20a
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 WpHG nach h. M. nicht, dass die Er-
kla¨rung gegenu¨ber einem gro¨ßeren Kreis von Personen oder gar
o¨ffentlich erfolgt
29
.
Angaben gegenu¨ber einzelnen Personen rei-
chen aus
30
.
Daher ist es vorliegend unscha¨dlich, dass die Zinsmel-
dung zuna¨chst nur
Thomson Reuters
u¨bermittelt wird. Unabha¨ngig
davon wa¨re hier auch die von der Gegenmeinung geforderte kapi-
talmarktbezogene Kundgabe
31
gegeben, weil
Thomson Reuters
die
Zinsmeldungen anschließend vero¨ffentlicht.
bb) Bewertungserhebliche Umsta¨nde
Weiterhin mu¨ssen die unrichtigen Zinsangaben Umsta¨nde be-
treffen, welche fu¨r die Bewertung des Finanzinstruments erheb-
lich sind. Dies sind nach § 2 MaKonV Tatsachen und Wert-
urteile, die ein versta¨ndiger Anleger bei seiner Anlageentschei-
dung beru¨cksichtigen wu¨rde. Hier empfiehlt es sich, zwischen
den unterschiedlich motivierten Falschangaben vor und wa¨hrend
der Finanzkrise zu unterscheiden:
Falschangaben zur Verheimlichung eigener Finanzierungs- und
Liquidita¨tsprobleme:
Gescho¨nte Zinsangaben wa¨hrend der
Finanzkrise vermittelten einen falschen Eindruck von den
Refinanzierungsmo¨glichkeiten der betreffenden Bank
32
.
Sie
erlaubten es ihr insbesondere, bo¨rsengehandelte Schuldver-
schreibungen gu¨nstiger zu begeben, als dies bei wahrheits-
gema¨ßer Berichterstattung mo¨glich gewesen wa¨re. Außerdem
sind die Refinanzierungsmo¨glichkeiten fu¨r die Aktienbewer-
tung von Bedeutung. Diesbezu¨glich du¨rften die Vorausset-
zungen der Bewertungserheblichkeit also ohne Weiteres er-
fu¨llt sein.
Falschangaben zur Beeinflussung eigener Handelspositionen in
Zinsderivaten:
Vor Beginn der Finanzkrise bestanden keine
Zweifel an Liquidita¨t und Bonita¨t der am Libor-Verfahren
beteiligten Großbanken, sodass eine Bewertungserheblichkeit
der Falschmeldungen insoweit schwer zu begru¨nden sein
wird. Allerdings sind die Falschangaben gleichsam als Vor-
produkt in den Libor eingegangen und haben auf diese Weise
den Wert Libor-basierter Zins-Futures beeinflusst. Wenn
man den Zinsmeldungen zugleich die konkludente Erkla¨rung
der Banken entnimmt, dass die Ermittlung des Libor-Zinses
nicht manipuliert werde, la¨sst sich ihre Bewertungserheblich-
keit unter diesem Blickwinkel bejahen.
cc) Eignung zur Einwirkung auf den Bo¨rsen- oder Marktpreis
Endlich mu¨ssen die unrichtigen Zinsangaben geeignet sein, auf
den Bo¨rsen- oder Marktpreis des Finanzinstruments einzuwir-
ken. Es genu¨gt, dass sie hierfu¨r generell tauglich sind („generelle
Kausalita¨t“)
33
.
Auf falsche Zinsangaben wa¨hrend der Finanzkrise
trifft dies ohne Weiteres zu. Hinsichtlich profitgetriebener
Falschmeldungen vor der Finanzkrise wird dies letztlich vom
Einzelfall abha¨ngen.
dd) Vornahme einer sonstigen Ta¨uschungshandlung
Daru¨ber hinaus ko¨nnte die Libor-Manipulation als Vornahme
einer sonstigen Ta¨uschungshandlung nach § 20a Abs. 1 Satz 1
Nr. 3 WpHG anzusehen sein. Nach § 4 Abs. 1 MaKonV sind
sonstige Ta¨uschungshandlungen Handlungen oder Unterlassun-
22
Allgemein zu Zinsbeschlu¨ssen als mo¨glicher Insiderinformation
Buck-Heeb
,
Kapitalmarktrecht, 5. Aufl. 2011, Rdn. 228; zur A¨ nderung von Refinanzie-
rungssa¨tzen
Schwark/Kruse
,
in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-
Komm., 4. Aufl. 2010, § 13 WpHG Rdn. 40.
23
Eingehend zum europarechtlichen Rahmen und seiner Konkretisierung durch
weitere Durchfu¨hrungsmaßnahmen
Fleischer
,
in: Fuchs, WpHG, 2009, vor
§ 20a Rdn. 29 ff.
24
Na¨her dazu
Schnyder
,
in: Mu¨nchKomm-BGB, 5. Aufl. 2010, Int. Kapitalmarkt-
recht, Rdn. 281.
25
Na¨her dazu
Vogel
,
in: Assmann/Schneider, WpHG, 6. Aufl. 2012, § 20a
Rdn. 54.
26
Ausfu¨hrlich zu diesem Marktbezug
Arlt
,
Der strafrechtliche Anlegerschutz vor
Kursmanipulation, 2004, S. 131;
Eichelberger
,
Das Verbot der Marktmanipu-
lation (§ 20a WpHG), 2006, S. 206.
27
Vgl. Begr. RegE 4. FMFG, BT-Drucks. 14/8017 S. 89.
28
Vgl.
Fleischer
,
a.a.O. (Fn. 23), § 20a Rdn. 18.
29
Vgl.
Fleischer
,
a.a.O. (Fn. 23), § 20a Rdn. 18;
Vogel
,
a.a.O. (Fn. 25), § 20a
Rdn. 65.
30
Vgl.
Fleischer
,
a.a.O. (Fn. 23), § 20a Rdn. 18.
31
So etwa
Schwark
,
in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Komm., 4. Aufl.
2010,
§ 20a WpHG Rdn. 18.
32
Na¨her dazu Wheatley Review, a.a.O. (Fn. 6), initial discussion paper,
Rdn. 2.24, wonach die Zinsmeldungen im Rahmen des Libor-Verfahrens als
Indikator fu¨r die Kreditwu¨rdigkeit einer Bank angesehen werden.
33
Vgl.
Fleischer
,
a.a.O. (Fn. 23), § 20a Rdn. 33.
DER BETRIEB | Nr. 45 | 9. 11. 2012
Wirtschaftsrecht
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