gen, die geeignet sind, einen versta¨ndigen Anleger u¨ber die wah-
ren wirtschaftlichen Verha¨ltnisse, insbesondere Angebot und
Nachfrage in Bezug auf ein Finanzinstrument, an einer Bo¨rse
oder einem Markt in die Irre zu fu¨hren und den Bo¨rsen- oder
Marktpreis hoch- oder herunterzutreiben oder beizubehalten.
Eine Subsumtion der Libor-Manipulation unter diese Basisde-
finition bereitet vor allem in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal
der „wahren Verha¨ltnisse an einer Bo¨rse oder einem Markt“
Schwierigkeiten. Ob hierunter auch der Preis selbst fa¨llt, ist
nicht gekla¨rt
34
,
angesichts des bedenklich weit geratenen Tat-
bestands aber zweifelhaft. Es erscheint daher schwierig, die Li-
bor-Manipulation als sonstige Ta¨uschungshandlung zu qualifi-
zieren, zumal sich die Lehre auch sonst zuru¨ckhaltend bei der
Annahme handlungsgestu¨tzter Manipulationen zeigt, deren
Ta¨uschungswert fragwu¨rdig ist
35
.
c) Sanktionen
aa) Bußgeld- und Strafbewehrung
Eine informationsgestu¨tzte Marktmanipulation durch falsche
Zinsangaben stellt nach § 39 Abs. 2 Nr. 11 WpHG eine Ord-
nungswidrigkeit dar, wenn der Ta¨ter in Bezug auf alle Tat-
bestandsmerkmale vorsa¨tzlich oder zumindest leichtfertig gehan-
delt hat. Hat er vorsa¨tzlich gehandelt und tatsa¨chlich auf den
Bo¨rsen- oder Marktpreis eines Finanzinstruments eingewirkt,
droht ihm nach § 38 Abs. 2 WpHG eine Freiheitsstrafe bis zu
fu¨nf Jahren oder eine Geldstrafe.
bb) Bankaufsichtsrechtliche Maßnahmen
Neben dem Verbotstatbestand des § 20a WpHG ist bei einer
Libor-Manipulation auch an die Compliance-Pflichten der Kre-
dit- und Finanzdienstleistungsinstitute zu denken. Diese haben
gem. § 25a Abs. 1 Satz 1 KWG eine ordnungsgema¨ße Ge-
scha¨ftsorganisation zur Einhaltung gesetzlicher Vorschriften ein-
zurichten. Weiterhin ordnet § 33 WpHG an, dass Wertpapier-
dienstleistungsunternehmen die organisatorischen Pflichten des
§ 25a Abs. 1 und 4 KWG einhalten (Abs. 1 Satz 1) und u¨ber
angemessene Compliance-Funktionen zur Beachtung des
WpHG verfu¨gen mu¨ssen (Abs. 1 Satz 2 Nr. 1). Gem. § 33
Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 WpHG i. V. mit § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1
WpDVerOV sind zudem Chinese Walls einzufu¨hren, soweit
das notwendig ist, um einen Informationsaustausch zwischen
Mitarbeitern zulasten des Kundeninteresses zu unterbinden. Die
Einhaltung dieser Vorgaben wird von der BaFin regelma¨ßig und
im Einzelfall durch Sonderpru¨fungen nach Maßgabe der §§ 44
Abs. 1 KWG, 35 WpHG kontrolliert. Aufgrund des Libor-
Skandals hat die BaFin eine solche Sonderpru¨fung gegen die
Deutsche Bank eingeleitet, die nach Presseberichten noch la¨nger
dauern soll
36
.
Dabei untersucht sie u. a., ob geeignete bankinter-
ne Kontrollmechanismen geschaffen wurden, um Zinsabspra-
chen zuku¨nftig zu verhindern.
cc) Zivilrechtliche Haftung
Eine zivilrechtliche Haftung fu¨r Marktmanipulation gem. § 823
Abs. 2 BGB i. V. mit § 20a WpHG scheidet aus, weil dieser
Vorschrift nach h. M. die Schutzgesetzeigenschaft fehlt
37
.
Da-
von unberu¨hrt bleibt allerdings eine Schadensersatzhaftung nach
§ 826 BGB
38
.
Eine attraktivere Alternative ha¨lt womo¨glich das
Kartellrecht bereit, das gem. § 33 Abs. 3 GWB jedem Betroffe-
nen bei einem Verstoß gegen deutsches oder europa¨isches Kar-
tellrecht einen Schadensersatzanspruch zubilligt
39
.
Hierauf ist
zuru¨ckzukommen (na¨her unter IV.).
2.
Marktmissbrauch nach englischem Recht
Neben dem deutschen ist vorliegend auch das englische Kapital-
marktrecht von Interesse. Zum einen haben die britischen Be-
ho¨rden bereits Ermittlungsergebnisse zur Verwicklung der
Barclays Bank
in den Libor-Skandal vorgelegt. Zum anderen ist
der Libor ein „Kind“ des Finanzplatzes London, weshalb man
sich dort besonders um eine rasche Reform bemu¨ht.
a) Spezielle Verbotstatbesta¨nde
Der englische Gesetzgeber hat das Marktmissbrauchsregime der
MAD durch die
Financial Services and Markets Act 2000 (Market
Abuse) Regulations 2005
unter dem Oberbegriff „market abuse“
in nationales Recht umgesetzt
40
.
Die zumeist wo¨rtlich u¨bernom-
menen Vorgaben finden sich in s. 118 (5) bis (7) FSMA. Zu-
sa¨tzlich entha¨lt s. 118 (8) FSMA einen u¨ber die MAD hinaus-
gehenden Auffangtatbestand, der noch den fru¨heren Marktmiss-
brauchsregeln entstammt. Wie der
Wheatley Review
im Einzel-
nen herausgearbeitet hat, werden die Libor-Manipulationen zu
einem großen Teil nicht von diesen Regelungen erfasst
41
.
Die
Gru¨nde hierfu¨r gleichen denen zum deutschen Recht: Gema¨ß
s. 118 (1) FSMA erstreckt sich der sachliche Anwendungs-
bereich der Vorschrift nur auf Finanzinstrumente, die auf einem
prescribed market
zum Handel zugelassen sind. Interbankenkre-
dite und OTC-Zinsswaps scheiden damit von vornherein aus.
Grundsa¨tzlich erfasst werden dagegen bo¨rsengehandelte Zins-
derivate, doch fehlt es bei der Libor-Manipulation nicht selten
an der Verwirklichung eines einschla¨gigen Verbotstatbestands.
In Betracht kommen am ehesten s. 118 (7) FSMA, der die Ver-
breitung von Informationen verbietet, die wahrscheinlich einen
falschen oder irrefu¨hrenden Eindruck in Bezug auf die Finanz-
instrumente vermitteln, und s. 118 (8) FSMA, der missbra¨uchli-
che Verhaltensweisen erfasst, die aus Sicht eines regelma¨ßigen
Marktteilnehmers dazu geeignet sind, einen falschen oder irre-
fu¨hrenden Eindruck in Bezug auf Angebot, Nachfrage, Preis
oder Wert eines Finanzinstruments hervorzurufen oder den
Markt fu¨r ein solches Finanzinstrument zu verzerren
42
.
Auch
das strafrechtliche Marktmanipulationsverbot in s. 397 (3)
FSMA wird kaum weiterhelfen. Es setzt voraus, dass der Ta¨ter
andere Personen vorsa¨tzlich oder grob fahrla¨ssig verleitet, Ver-
einbarungen in Bezug auf das betroffene Finanzinstrument ein-
zugehen oder zu unterlassen. Hieran fehlt es, soweit Libor-Ma-
nipulationen – wie regelma¨ßig – mit Blick auf bereits abge-
schlossene Vertra¨ge vorgenommen wurden.
34
Befu¨rwortend
Mock/Stoll/Eufinger
,
in: Ko¨lnKomm-WpHG, 2007, § 20a Anh. I
§ 4 MaKonV Rdn. 6; zuru¨ckhaltend
Vogel
,
a.a.O. (Fn. 25), § 20a Rdn. 226
i. V. mit Rdn. 150.
35
Vgl.
Fleischer
,
a.a.O. (Fn. 23), § 20a WpHG Rdn. 69: keine sonstige Ta¨u-
schungshandlung durch Bestechung eines skontrofu¨hrenden Kursmaklers
oder durch Sabotageakte gegen den Emittenten, die auf eine Verringerung
des inneren Werts seiner Aktien abzielen.
36
Vgl. FAZ Nr. 212 vom 11. 9. 2012 S. 15: „Libor-Pru¨fung dauert la¨nger“.
37
Vgl. zuletzt BGH-Urteil vom 13. 12. 2011 – XI ZR 51/10, DB 2012 S. 450
(452
f.), Rdn. 20-26, m. w. N.; dazu
Hellgardt
,
DB 2012 S. 673.
38
Na¨her
Fleischer
,
a.a.O. (Fn. 23), § 20a Rdn. 154, m. w. N.
39
Allgemein dazu
Emmerich
,
in: Immenga/Mestma¨cker, GWB, 4. Aufl. 2007,
§ 33 Rdn. 22 ff.; zur Schutzgesetzeigenschaft von Art. 101 AEUV
Sprau
,
in:
Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, § 823 Rdn. 61.
40
Vgl.
Melrose
,
in: Blair/Walker/Purves (Hrsg.), Financial Services Law, 2009,
Rdn. 8.139 ff.; rechtsvergleichend
Veil/Wundenberg
,
Englisches Kapital-
marktrecht, 2010, S. 76.
41
Vgl. Wheatley Review, a.a.O. (Fn. 6), initial discussion paper, Rdn. 2.34:
However, for the reasons discussed in Annex B, much manipulation and at-
tempted manipulation of LIBOR is unlikely to fall under the market abuse re-
gime.“
42
Vgl. Wheatley Review, a.a.O. (Fn. 6), initial discussion paper, Annex B, B.9:
Subsection (8) is perhaps the most likely to be apt [. . .].“
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Wirtschaftsrecht
DER BETRIEB | Nr. 45 | 9. 11. 2012