Zweitabtretung um die Verfu¨gung eines Nichtberechtigten
1
.
Die
zweite Abtretung kann allerdings wirksam werden, falls der Ver-
fu¨gende die Forderung durch Ru¨ckabtretung wiedererlangt, wo-
bei eine Ru¨ckwirkung ausscheidet
2
.
Daher ist auch die weitere
Annahme des Berufungsgerichts zutreffend, dass – bezogen auf
den Erwerb des Vollrechts nach Ero¨ffnung des Insolvenzverfah-
rens u¨ber das Vermo¨gen des Schuldners – eine Konvaleszenz
ausscheidet
3
.
Gebot einer beiderseits interessengerechten Auslegung der
Abtretungsvereinbarungen
9
I
2.
Die Revision ru¨gt aber mit Recht, diese rechtliche Beurtei-
lung scho¨pfe den Prozessstoff nicht hinreichend aus. Das Beru-
fungsgericht hat sich darauf beschra¨nkt, die streitgegensta¨ndli-
chen Vereinbarungen vom 10. 10. 2000 und vom 10. 2. 2004 –
dem reinen Wortlaut folgend – als jeweils auf das Sparguthaben
beschra¨nkte Abtretungsvereinbarungen anzusehen. Dies verletzt
das rechtliche Gebot einer beiderseits interessengerechten Aus-
legung
4
.
Auslegungsgrundsa¨tze
10
I
a)
Hinsichtlich der Vertragsa¨nderung vom 10. 2. 2004 geht
es um die Auslegung einer Individualvereinbarung. Diese ist
grundsa¨tzlich Sache des Tatrichters
5
.
Das Revisionsgericht pru¨ft
lediglich nach, ob dieser die gesetzlichen Auslegungsregeln, die
anerkannten Auslegungsgrundsa¨tze, die Denkgesetze und die
Erfahrungssa¨tze beachtet hat
6
.
11
I
Nach den anerkannten Auslegungsgrundsa¨tzen hat der Tat-
richter bei seiner Willenserforschung insbesondere den mit der
Absprache verfolgten Zweck
7
und die Interessenlage der Partei-
en
8
zu beru¨cksichtigen, ferner die sonstigen Begleitumsta¨nde,
die den Sinngehalt der gewechselten Erkla¨rungen erhellen ko¨n-
nen
9
.
Dazu kann auch die Entstehungsgeschichte einer vertragli-
chen Vereinbarung geho¨ren, jedenfalls soweit Entwu¨rfe angefer-
tigt oder Vorbesprechungen gefu¨hrt worden sind
10
.
Schließlich
darf der Auslegungsgrundsatz nicht vernachla¨ssigt werden, wo-
nach im Zweifel derjenigen Auslegung der Vorzug gebu¨hrt, wel-
che die Nichtigkeit des Rechtsgescha¨fts vermeidet
11
.
Nichtbeachtung der Auslegungsgrundsa¨tze durch das OLG
12
I
b)
Dem tragen die Auslegungserwa¨gungen des Berufungs-
gerichts nicht hinreichend Rechnung.
U¨ bertragung der dem Schuldner verbliebenen Rechte aus der
Sicherheitenabrede
13
I
aa)
Eine eingehende Auseinandersetzung mit dem Inhalt
der Abrede vom 10. 2. 2004 fehlt, insbesondere mit dem in der
Fassung als „unwiderrufliche“ Abtretung zum Ausdruck kom-
menden versta¨rkten Bindungs- und Gewa¨hrleistungswillen des
Sicherungsgebers. Die Revision weist in diesem Zusammenhang
zutreffend darauf hin, hieraus ko¨nne abgeleitet werden, der
Schuldner habe seine nach der ersten Abtretung bei ihm verblie-
bene Rechtsposition vollsta¨ndig und endgu¨ltig auf die Kla¨gerin
u¨bertragen wollen. Mit den dem Schuldner zum Zeitpunkt der
Abtretungserkla¨rung vom 10. 2. 2004 zustehenden Rechten hat
sich das Berufungsgericht nicht na¨her befasst. Es hat lediglich,
dem Wortlaut der Vertragsurkunde vom 10. 2. 2004 folgend,
die Frage der Abtretung der Guthabenforderung ero¨rtert. Unter
dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der beiderseits interessen-
gerechten Auslegung liegt es hingegen nahe, dass der Schuldner
nicht nur das bereits im Jahre 2000 an die V abgetretene Voll-
recht, sondern auch die ihm verbliebenen Rechte aus der Sicher-
heitenabrede auf die Kla¨gerin u¨bertragen hat. Dieses Ergebnis
la¨sst sich zudem auf den schon erwa¨hnten Grundsatz stu¨tzen,
wonach im Zweifel derjenigen Auslegung der Vorzug gebu¨hrt,
welche die Unwirksamkeit des Rechtsgescha¨fts vermeidet.
Abtretung des schuldrechtlichen Ru¨cku¨bertragungs-
anspruchs
14
I
bb)
Das Berufungsgericht hat sich auch nicht mit dem Vor-
bringen der Kla¨gerin auseinandergesetzt, der Bank sei im De-
zember 2006 die Erkla¨rung vom 10. 2. 2004 angezeigt worden.
Das nachtra¨gliche Verhalten von Vertragspartnern kann zwar
den bei Vertragsschluss zum Ausdruck gebrachten objektiven
Gehalt der wechselseitigen Vertragserkla¨rungen nicht mehr be-
einflussen
12
.
Es kann aber fu¨r die Auslegung bedeutsam sein,
weil es Anhaltspunkte fu¨r den tatsa¨chlichen Vertragswillen ent-
halten kann
13
.
Aus diesem Offenbarungsverhalten la¨sst sich
mo¨glicherweise ableiten, dass die Vertragsbeteiligten der Verein-
barung vom 10. 2. 2004 der Kla¨gerin auch einen sicherungs-
rechtlichen Ru¨cku¨bertragungsanspruch des Schuldners zuweisen
wollten
14
.
15
I
cc)
Dem Schuldner stand aus der Sicherheitenabrede gegen-
u¨ber der V jedenfalls ein schuldrechtlicher Ru¨cku¨bertragungs-
anspruch hinsichtlich der abgetretenen Guthabenforderung zu,
falls die gewa¨hrte Sicherheit endgu¨ltig nicht mehr bestimmungs-
gema¨ß in Anspruch zu nehmen war
15
.
Mo¨glicherweise kommt
auch nach der Fassung der Vereinbarung, die Abtretung werde
bei einer schriftlichen Freigabeerkla¨rung gegenstandslos, in Be-
tracht, dass die U¨ bertragung an die V auflo¨send bedingt verein-
bart wurde. Eine derartige Regelung ist allerdings in der Bank-
praxis nicht u¨blich
16
,
aber auch nicht ausgeschlossen. Besteht
nur ein schuldrechtlicher Ru¨cku¨bertragungsanspruch des Siche-
rungsgebers, kann dieser selbst zur Sicherheit abgetreten wer-
den
17
.
Hierbei handelt es sich um eine aufschiebend bedingte
1
Vgl. BGH-Urteil vom 15. 1. 1990 – II ZR 311/88, DB 1990 S. 978 = NJW 1990
S. 2678 (2680);
Bayreuther
,
in: Mu¨nchKomm-BGB, 6. Aufl., § 185 Rdn. 18.
2
BGH-Urteil vom 23. 5. 1962 – V ZR 123/60, BGHZ 37 S. 147 (151 f.); ferner Be-
schluss vom 25. 9. 2003 – IX ZR 213/03, DB0049483 = NZI 2004 S. 29 (30 f.).
3
Vgl. BGH vom 25. 9. 2003, a.a.O. (Fn. 2).
4
Vgl. BGH-Urteil vom 17. 3. 2011 – I ZR 93/09, DB0457638 = WRP 2011
S. 1302, Rdn. 26, m. w. N.
5
Vgl. BGH-Urteil vom 3. 4. 2000 – II ZR 194/98, DB0051502 = NJW 2000
S. 2099; vom 13. 3. 2003 – IX ZR 199/00, DB0048617 = NJW 2003 S. 2235
(2236);
vom 29. 5. 2008 – IX ZR 45/07, DB0296045 = WM 2008 S. 1456,
Rdn. 23.
6
Vgl. BGH-Urteil vom 5. 7. 1990 – IX ZR 10/90, WM 1990 S. 1549 (1551); vom
29. 3. 2000 –
VIII ZR 297/98, DB0051490 = NJW 2000 S. 2508 (2509); vom
29. 5. 2008,
a.a.O. (Fn. 5).
7
BGH-Urteil vom 10. 10. 1989 – VI ZR 78/89, BGHZ 109 S. 19 (22) = DB 1989
S. 2605; vom 16. 10. 1997 – IX ZR 164/96, WM 1997 S. 2305 (2306); vom
17. 3. 2011,
a.a.O. (Fn. 4), Rdn. 18.
8
BGH-Urteil vom 28. 10. 1997 – XI ZR 260/96, BGHZ 137 S. 69 (72) = DB
1998
S. 190; vom 17. 5. 2004 – II ZR 261/01, DB 2004 S. 1549 = WM 2004
S. 1286; vom 29. 5. 2008, a.a.O. (Fn. 5), Rdn. 24.
9
Vgl. BGH-Urteil vom 18. 2. 1993 – IX ZR 108/92, DB 1993 S. 1235 = ZIP 1993
S. 749 (750); vom 16. 10. 1997, a.a.O. (Fn. 7).
10
Vgl. BGH-Urteil vom 12. 2. 1981 – IVa ZR 103/80, DB 1981 S. 1187 = NJW
1981
S. 2295; vom 23. 2. 1987 – II ZR 183/86, DB 1987 S. 1135 = NJW 1987
S. 2437 (2438).
11
Vgl. dazu BGH-Urteil vom 26. 9. 2002 – I ZR 44/00, BGHZ 152 S. 153
(158
f.) = DB0048006; vom 17. 3. 2011, a.a.O. (Fn. 4), Rdn. 26.
12
BGH-Urteil vom 24. 6. 1988 – V ZR 49/87, NJW 1988 S. 2878 (2879); vom
16. 10. 1997,
a.a.O. (Fn. 7).
13
BGH-Beschluss vom 24. 11. 1993 – BLw 57/93, WM 1994 S. 267 (268); Urteil
vom 14. 1. 1993 – IX ZR 76/92, WM 1993 S. 1197 (1200); vom 16. 10. 1997,
a.a.O. (Fn. 7).
14
Vgl.
Bu¨low
,
WM 1998 S. 845.
15
Vgl. BGH-Urteil vom 10. 11. 2011 – IX ZR 142/10, DB0463065 = NZI 2012
S. 17, Rdn. 12 ff.;
Ganter
,
in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshand-
buch, 4. Aufl., § 90 Rdn. 130.
16
Vgl.
Ganter
,
a.a.O. (Fn. 15), Rdn. 120.
17
Vgl.
Ganter
,
a.a.O. (Fn. 15), Rdn. 130.
2570
Wirtschaftsrecht
DER BETRIEB | Nr. 45 | 9. 11. 2012