4.5
Kommt es in einem Versicherungsfall zu einem Rechtsstreit u¨ber
den Anspruch zwischen einer versicherten Person und dem An-
spruchsteller oder dessen Rechtsnachfolger, so fu¨hrt der Versicherer
den Rechtsstreit im Namen der versicherten Person auf seine Kos-
ten.
Der Versicherer gilt auch außergerichtlich als bevollma¨chtigt, alle
zur Beilegung oder Abwehr des Anspruches ihm zweckma¨ßig er-
scheinenden Erkla¨rungen im Namen der versicherten Personen ab-
zugeben. . . .
9.
Anzeigepflichten:
9.1
Vorvertragliche Anzeigepflichten der Versicherungsnehmerin . . .
9.2
Anzeigepflichten der Versicherungsnehmerin wa¨hrend der Ver-
tragslaufzeit
9.2.1 . . .
Die Versicherungsnehmerin ist verpflichtet, dem Versiche-
rer auf Befragen unverzu¨glich alle nach Vertragsschluss eintretenden,
die u¨bernommene Gefahr erho¨henden Umsta¨nde mitzuteilen.
Dies gilt sowohl fu¨r die von der Versicherungsnehmerin als auch von
Dritten mit Duldung der Versicherungsnehmerin verursachten Ge-
fahrerho¨hungen.
9.2.2
a) Verletzt die Versicherungsnehmerin ihre Anzeigepflicht gem. Zif-
fer 9.2.1, kann der Versicherer den Versicherungsvertrag insgesamt
fristlos ku¨ndigen und zwar auch dann, wenn die Voraussetzungen
fu¨r die Ku¨ndigung nur bei einem Teil der versicherten Personen oder
Tochterunternehmen erfu¨llt sind. Beruht die Gefahrerho¨hung nicht
auf einem Verschulden der Versicherungsnehmerin, so braucht diese
die Ku¨ndigung erst mit dem Ablauf eines Monats gegen sich gelten
zu lassen.
Tritt nach Abschluss des Versicherungsvertrages eine Erho¨hung der
Gefahr unabha¨ngig vom Willen der Versicherungsnehmerin ein,
kann der Versicherer den Versicherungsvertrag insgesamt mit einer
Ku¨ndigungsfrist von einem Monat ku¨ndigen und zwar auch dann,
wenn die Voraussetzungen fu¨r die Ku¨ndigung nur bei einem Teil
der versicherten Personen oder Tochterunternehmen erfu¨llt sind.
Dies gilt entsprechend fu¨r eine nach Antragstellung und vor An-
tragsannahme eingetretene Gefahrerho¨hung, die dem Versicherer
bei Annahme des Antrages nicht bekannt war. Das Ku¨ndigungsrecht
in den vorgenannten Fa¨llen erlischt, wenn es nicht innerhalb eines
Monats nach Kenntnis von der Gefahrerho¨hung ausgeu¨bt wird . . .
b) Leistungsfreiheit wegen Gefahrerho¨hung
Der Versicherer ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn
die Versicherungsnehmerin die Pflicht zur unverzu¨glichen Anzeige
gem. Ziffer 9.2.1 verletzt und der Versicherungsfall spa¨ter als einen
Monat nach dem Zeitpunkt eintritt, in welchem die Anzeige dem
Versicherer ha¨tte zugehen mu¨ssen. Die Leistungspflicht bleibt je-
doch bestehen, wenn die Frist fu¨r die Ku¨ndigung des Versicherers
zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalles abgelaufen und eine
Ku¨ndigung nicht erfolgt ist oder die Gefahrerho¨hung keinen Ein-
fluss auf den Eintritt des Versicherungsfalles und den Umfang der
Leistung des Versicherers gehabt hat. Die Leistungspflicht bleibt
auch bestehen, wenn dem Versicherer die Gefahrerho¨hung zu dem
Zeitpunkt bekannt war, zu dem ihm die Anzeige ha¨tte zugehen
mu¨ssen. . . .
11.
Ku¨ndigung, Erlo¨schen des Vertrages . . .
11.2 . . .
Wird die Versicherungsnehmerin selbst freiwillig liquidiert oder
neu beherrscht, erlischt der Versicherungsschutz mit Abschluss der
Liquidation oder mit Beginn des neuen Beherrschungsverha¨ltnisses
automatisch. . . .“
Zum 5. 10. 2007 u¨bernahm die J. B. KG die Mehrheit der Aktien der
Versicherungsnehmerin. Die Beklagte erhielt von der Unternehmens-
u¨bernahme erstmals durch ein Schreiben der Versicherungsnehmerin
vom 13. 3. 2008 Kenntnis. Mit Schreiben vom 11. 12. 2007 nahm die
Versicherungsnehmerin den Kla¨ger neben anderen Aufsichtsratsmit-
gliedern gesamtschuldnerisch auf Zahlung von Schadensersatz i. H. von
4.491.429,45
€ in Anspruch. Zur Begru¨ndung fu¨hrte sie aus, der Auf-
sichtsrat habe von Dezember 2006 bis September 2007 an einer Verlust
bringenden Ausweitung der Gescha¨ftsbeziehung der Versicherungsneh-
merin mit der F. GmbH mitgewirkt. Nachdem die Beklagte u¨ber den
Inhalt des Schreibens informiert worden war, sandte sie unter dem
28. 1. 2008
ein Schreiben an den Kla¨ger, in dem sie ihn aufforderte,
eine perso¨nliche Stellungnahme zu den gegen ihn erhobenen Vorwu¨rfen
abzugeben. Mit Schreiben vom 18. 2. 2008 wiederholte sie diese Auf-
forderung unter Hinweis darauf, dass Leistungsfreiheit drohe wegen
Verletzung der Auskunftsobliegenheit. Nach Erhalt des Schreibens tele-
fonierte der Kla¨ger mit dem zusta¨ndigen Mitarbeiter der Beklagten,
Herrn Vadim A., und fragte nach, ob tatsa¨chlich erwartet werde, dass er
zu den erhobenen Vorwu¨rfen eine eigene individuelle Stellungnahme
vorlege oder ob er anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen ko¨nne. Es ist
streitig, ob dieser geantwortet hat, dass Kosten fu¨r einen Rechtsanwalt –
jedenfalls vorerst – nicht u¨bernommen wu¨rden. In der Folge beauftrag-
ten der Kla¨ger und die weiteren Aufsichtsratsmitglieder Rechtsanwalt
F. mit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen. Er wies im Na-
men der in Anspruch genommenen Aufsichtsratsmitglieder mit Schrei-
ben vom 13. 3. 2008 die Schadensersatzforderungen mit na¨herer Be-
gru¨ndung zuru¨ck. Letztlich verfolgte die Versicherungsnehmerin die
Anspru¨che gegen die Aufsichtsratsmitglieder nicht weiter.
Mit Schreiben vom 14. 3. 2008 u¨bersandte der Anwalt des Kla¨gers seine
Honorarrechnung fu¨r das von ihm gefertigte Schreiben u¨ber
36.010,40
€ netto und 45.852,38 € brutto an die Beklagte unter Hin-
weis auf die D&O-Versicherung. Die Beklagte lehnte Leistungen nach
Nr. 11.2 Abs. 3 der ULLA ab. Außerdem wandte sie ein, dass die For-
derung auch der Ho¨he nach nicht begru¨ndet sei. Mit der Klage hat der
Kla¨ger zuletzt Freistellung von der Gebu¨hrenforderung seines Rechts-
anwalts i. H. von 27.012,80 € erstrebt.
Die Klage hatte in den Vorinstanzen (LG Wiesbaden und OLG Frank-
furt/M.) keinen Erfolg gehabt. Die Revision des Kla¨gers blieb erfolglos.
AUS DEN GRU¨ NDEN
1 . . . 10
I
I.
. . .
II.
Das Berufungsgericht ha¨tte die Klage nicht
mit der von ihm gegebenen Begru¨ndung unter Hinweis auf
§§ 27, 28 VVG a. F. abweisen du¨rfen.
Umfang des Versicherungsschutzes der Vermo¨gensschaden-
Haftpflichtversicherung
11
I
1.
In der Vermo¨gensschaden-Haftpflichtversicherung von
Unternehmensleitern und Leitenden Angestellten verspricht der
Versicherer dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz
u. a. fu¨r den Fall, dass eine versicherte Person wegen einer bei
Ausu¨bung der organschaftlichen Ta¨tigkeit bei der Versiche-
rungsnehmerin begangenen Pflichtverletzung fu¨r einen Ver-
mo¨gensschaden auf Schadensersatz in Anspruch genommen
wird. Der Versicherungsschutz umfasst sowohl die gerichtliche
und außergerichtliche Abwehr unbegru¨ndeter als auch die Be-
friedigung begru¨ndeter Schadensersatzanspru¨che (vgl. Nr. 1
Abs. 1, Nr. 3.2 Abs. 1, Nr. 4.1 ULLA). Diese Voraussetzungen
sind hier unstreitig erfu¨llt.
Versicherungsschutz kann nicht mit der Begru¨ndung verweigert
werden, ein Beherrschungswechsel sei nicht durch die Versiche-
rungsnehmerin unverzu¨glich angezeigt worden
12
I
2.
Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts kann die
Beklagte den Versicherungsschutz nicht deshalb verweigern, weil
die Versicherungsnehmerin den Beherrschungswechsel der Be-
klagten nicht unverzu¨glich nach § 27 Abs. 2 VVG a. F. ange-
zeigt hat.
2572
Wirtschaftsrecht
DER BETRIEB | Nr. 45 | 9. 11. 2012