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Jahresbericht 2015

Ärztekammer

Nordrhein

Medizinische Grundsatzfragen

Die Ethikkommission – einer

humanen Forschung verpflichtet

Eine humane medizinische Forschung ist demWohl des einzelnen Menschen verpflichtet.

Zum Schutze der Versuchsteilnehmer muss daher jede Studie vor ihrem Beginn einer Ethik-

kommission (EK) als einem unabhängigen, interdisziplinär besetzten Gremium vorgelegt werden,

um feststellen zu lassen, ob die Grundsätze ethisch zulässigen ärztlichen Handelns eingehalten

werden.

Die Ethikkommission (EK) der Ärztekammer

Nordrhein berät nach

§ 15 Berufsordnung (BO)

Ärz-

tinnen und Ärzte vor der Durchführung biome-

dizinischer Forschung am Menschen über die mit

ihrem Vorhaben verbundenen berufsethischen

und berufsrechtlichen Fragen. Grundlage für die

ethische Beratung sind insbesondere die ethischen

Grundsätze medizinischer Forschung nach der De-

klaration von Helsinki des Weltärztebundes. Nicht

beratungspflichtig sind ausschließlich retrospekti-

ve epidemiologische Forschungsvorhaben.

Im Vordergrund der Beratung stehen:

• die Freiwilligkeit der Entscheidung

zur Versuchsteilnahme nach Aufklärung

(informed consent),

• das Überwiegen des Nutzens gegenüber einem

potenziellen Schaden,

• die angemessene Auswahl der Studienteilnehmer

und

• der Schutz vulnerabler Gruppen.

Datenschutzrechtliche Belange der Teilnehmer

sind ebenso zu beachten wie Interessenlagen for-

schender Ärzte. Auf Basis wissenschaftlicher Leit-

linien prüft die EK, ob der Studienplan definierten

wissenschaftlichen Kriterien genügt.

Bei Beratungen der EK nach der Berufsordnung

können Ärztinnen und Ärzte auch – im Gegensatz

zu klinischen Prüfungen nach dem

Arzneimittel-

gesetz

sowie dem

Medizinproduktegesetz

– bei einer

ablehnenden Entscheidung der EK mit der Studie

beginnen.

Klinische Prüfungen gemäß Arzneimittelgesetz (AMG)

Der Sponsor darf mit einer klinischen Studie

nach dem

AMG

erst beginnen, wenn die zuständige

Ethikkommission (EK) diese zustimmend bewer-

tet und die zuständige Bundesoberbehörde diese

genehmigt hat. Bei multizentrischen klinischen

Prüfungen, die zugleich in mehreren Mitgliedstaa-

ten der Europäischen Union durchgeführt werden

(multinationale multizentrische klinische Prü-

fung), muss jeder betroffene Mitgliedstaat jeweils

eine Stellungnahme der EK abgeben. Diese Vorgabe

wird in Deutschland durch die Abgabe einer Stel-

lungnahme von der federführenden EK eingehal-

ten.

Die

EU-Verordnung über klinische Prüfungen mit

Humanarzneimitteln und zur Aufhebung der Richt-

linie 2001/20/EG

ist am 27. Mai 2014 im

Amtsblatt

der Europäischen Union

veröffentlicht worden und

im Juni 2014 in Kraft getreten. Die Anwendung

der EU-Verordnung setzt allerdings das Funk-

tionieren des EU-Portals voraus, das durch ein ab-

schließendes Audit geprüft und bestätigt werden

muss. Dieses befindet sich derzeit im Aufbau. Die

Verordnung wird jedoch selbst bei einem funktions-

fähigen EU-Portal frühestens ab dem 28. Mai 2016

mit einer Übergangsregelung von zwei oder drei

Jahren angewendet werden.

Das Verfahren bei multinationalen multizentri-

schen klinischen Prüfungen wird grundlegend neu

gestaltet. Dies hat zur Konsequenz, dass die bisher

vom

AMG

vorgegebenen und bewährten Verfah-

rensweisen für die Bewertung klinischer Prüfun-

gen in Deutschland wesentlich verändert werden.

Die Ethik-Kommissionen werden aber weiterhin

eine eigenständige Bewertung an die Genehmi-

gungsbehörde abgeben, die den Verwaltungsakt für

den Mitgliedsstaat Deutschland abgibt. Dieser Ver-

waltungsakt beinhaltet die Entscheidung der Bun-

desoberbehörde (Bundesinstitut für Arzneimittel

und Medizinprodukte oder Paul-Ehrlich-Institut)

und der sachlich zuständigen EK, ob die Durch-

führung der klinischen Prüfung in Deutschland

zugestimmt oder abgelehnt wird.

Das in der EU-Verordnung geregelte Verfahren

soll auch bei monozentrischen klinischen Prüfun-

gen, die ausschließlich inDeutschlanddurchgeführt