S
ein Premierenspiel in
der neu gegründeten
Bundesliga bestritt der
SV Werder in der Saison
1963/1964 im Weser-Stadion ge-
gen Borussia Dortmund und ge-
wann 3:2. Am ersten Spieltag der
Rückrunde mussten die Grün-
Weißen folglich nach Dortmund
reisen. Die Partie fand im Januar
statt, der Platz war voller Schnee.
Werder musste mit Torwart Gün-
ter Bernard sowie den Offensiv-
kräften Helmut Schimeczek und
Theo Klöckner auf drei wichtige
Stammspieler verzichten. Die
Borussen kamen zunächst besser
mit dem rutschigen Untergrund
zurecht und dominierten das
Spielgeschehen. Vier Tore fie-
len in der ersten Hälfte für die
Gastgeber, und die meisten der
16.000 Zuschauer im ‚Stadion
Rote Erde‘ hatten das Spiel bereits
als entschieden abgehakt.
Auch die Borussia-Spieler
schie-
nen dieser Meinung zu sein,
denn nach der Pause ließen sie
es ruhiger angehen. Doch dann
das: Standen bis dahin die 22
Kicker im Mittelpunkt der Par-
tie, bestimmte in Durchgang
zwei Schiedsrichter Karl Riegg
die Ereignisse. Der Augsburger
übersah zunächst zwei elfmeter-
würdige Fouls an Borussia-Stür-
mer Friedhelm Konietzka. Wer-
der konnte in der Folge auf 2:4
verkürzen. Als Konietzka zum
dritten Mal im Strafraum gefoult
wurde, pfiff Schiedsrichter Riegg
und gab den fälligen Elfmeter für
Dortmund. Der BVB hatte also
die Möglichkeit, alles klar zu
machen, zumal nur
noch elf Minuten zu
spielen waren. Doch
Reinhold Wosab traf
nur den Pfosten, und das Spiel
blieb spannend.
Nun stand wieder
Karl Riegg im
Mittelpunkt: Werders Gerhard
Zebrowski ging im Dortmunder
Strafraum zu Boden, der Referee
entschied allerdings nicht auf
Elfmeter, sondern auf Eckstoß.
Aber: Anstatt diesen
ausführen zu lassen,
ließ er sich auf Dis-
kussionen mit den
Werder-Spielern ein, die protes-
tierten und einen Strafstoß for-
derten.
Riegg ließ sich
schließlich tat-
sächlich dazu überreden, aus der
Ecke doch noch einen Strafstoß
zu machen. Arnold ‚Pico‘ Schütz
verwandelte sicher, und Werder
verkürzte somit in der 84. Mi-
nute auf 3:4. Dem Publikum
gefiel dieser Verlauf der Partie
selbstverständlich wenig, und
das ließen die Zuschauer Riegg
auch spüren. Die gellenden Pfiffe
verunsicherten den Schiedsrich-
ter, der erst sein viertes Profi-
Spiel pfiff. Diese Verunsicherung
schien dermaßen groß gewesen
zu sein, dass er die Partie zwei
Minuten vor dem regulären Ende
abpfiff. Tumultartige Proteste der
Spieler beider Teams konnten ihn
nicht von seiner Entscheidung
abbringen. Und so gab es in die-
ser denkwürdigen Partie sieben
Tore, einen nicht verwandelten,
zwei nicht gegebene Strafstöße
und nur 88. Minuten Spielzeit.
Anne Baumann
Es gibt Spiele, die einem in Erinnerung bleiben, weil
sie einfach vollkommen verrückt und außergewöhn-
lich waren. Eines dieser Spiele fand in der ersten
Bundesliga-Saison statt.
Foto: imago
Ein verrückter Kick
Spieler der
ersten Stunde
Gerhard
Zebrowski
(vorne) war
Mitglied
der Werder-
Mannschaft in
der Premieren-
Saison der
Bundesliga
1963/1964.
50 JAHRE BUNDESLIGA
WERDER MAGAZIN 299 85
1...,75,76,77,78,79,80,81,82,83,84 86,87,88,89,90,91,92,93,94,95,...96