WERDER MAGAZIN Nr. 317 - page 75

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us meinen drei Jahren
beim SV Werder ist
mir ein Spiel ganz be-
sonders in Erinnerung
geblieben: das direkte Duell im
Kampf um den Deutschen Meis-
tertitel 1995 gegen Borussia Dort-
mund. Von einem ‚Spiel‘ konnte
man damals allerdings kaum spre-
chen – es war fast eine ‚Schlacht‘.
Ich habe extra nochmal in einer
alten Ausgabe des ‚kicker‘ nach-
geschaut. Schiedsrichter Markus
Merk hatte alle Hände voll zu tun
– es gab fünf Mal Gelb und zwei
Platzverweise.
Für mich
war die Partie auch des-
halb so besonders, weil ich erst
vor der Saison vom BVB nach
Bremen gewechselt war. In Dort-
mund führte Ottmar Hitzfeld ein
hartes Regiment, alles war von
großer Ernsthaftigkeit geprägt.
Unter Otto Rehhagel lief das et-
was anders, beim SV Werder wur-
de ständig gelacht. Ich weiß noch,
dass Wynton Rufer die erste Trai-
ningseinheit nach der Sommer-
pause in Schlappen und mit Son-
nenbrille absolvierte. Wir sind nur
drei, vier Runden um den Platz
getrabt – das war’s. Bernd Hobsch
bekam trotzdem einen Kreislauf-
zusammenbruch, er ist regelrecht
zusammengesackt. Gut, zu seiner
Verteidigung muss man sagen: Es
war damals tierisch heiß.
Der Zusammenhalt
im Team war
sensationell. Zu meiner Frau
sagte ich: ‚Ich habe hier so viel
Spaß wie noch nie, aber ich habe
keine Ahnung, wie wir auch
nur ein einziges Spiel gewinnen
sollen.‘ Verstehen Sie mich nicht
falsch – es war natürlich nicht so,
dass wir nicht trainiert hätten.
Anders wären unsere Erfolge
gar nicht möglich gewesen. Aber
eine derartige ‚Lacherei‘ hatte
ich im Fußball nie zuvor erlebt.
Zurück zum Dortmund-Spiel:
29.
Spieltag, Zweiter gegen Erster.
Das Hinspiel hatten wir 0:2 ver-
loren, jetzt konnten wir – einen
Punkt hinter dem BVB – vor
eigenem Publikum die Tabel-
lenführung ergattern. Mehr Mo-
tivation geht nicht! Dementspre-
chend aggressiv gingen wir in
die Partie. Ich will ehrlich sein:
Wir wollten die Dortmunder aus
dem Konzept bringen und haben
sie gereizt bis aufs Messer. Alle
haben kräftig zugelangt – bei ei-
nem Blick in die Karten-Statistik
findet man die ‚üblichen Ver-
dächtigen‘: Steffen Freund und
Matthias Sammer beim BVB; auf
Werder-Seite neben Hany Ramzy
und Uli Borowka auch einen
gewissen Michael Schulz... Ich
selbst war bekanntlich kein Kind
von Traurigkeit, aber wenn Uli
zugelangt hat, musste ich mich
selbst als Mitspieler manchmal
wegdrehen.
Gegen Dortmund
ging unsere
Taktik auf. Andi Herzog und
zweimal Mario Basler schossen
uns zum 3:1-Sieg. Der Meister-
titel war damit zum Greifen nah
und schien am 33. Spieltag sogar
perfekt. Wir führten 2:0 gegen
den Karlsruher SC, Dortmund
kassierte beim MSV Duisburg
kurz nach der Pause das 0:2.
Doch irgendwie gelang es dem
BVB, die Partie noch zu dre-
hen. Eine Woche später gewann
Dortmund in Hamburg, und wir
verloren mit ‚Beton‘ in den Ober-
schenkeln 1:3 beim FC Bayern.
Das Ziel meiner Träume blieb
mir bis zu meinem Karriereen-
de verwehrt. Dennoch: Die Zeit
in Bremen zählt definitiv zu den
schönsten Kapiteln meiner Profi-
Laufbahn – auch ohne Titel.“
Aufgezeichnet von Jörn Lange
Werder-Idole erinnern sich an ihre größten Spiele
in grün-weiß. Heute: Michael Schulz über das
Titelrennen gegen den BVB, die ‚üblichen Ver-
dächtigen‘ und Bremer Lockerheit.
„Schuuuuulz“
Von 1994 bis 1997
spielte Michael Schulz für den
SV Werder und zuvor von 1990
bis 1994 für Borussia Dortmund.
Fotos: picture-alliance, imago
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SPIELE MEINES LEBENS
Hartes Duell gegen
den BVB
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