Background Image
Table of Contents Table of Contents
Previous Page  190 / 220 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 190 / 220 Next Page
Page Background

Fall 1

Der Patient stellte sich erstmals am 31. Mai beim belasteten

HNO-Arztes vor und klagte über Schmerzen und eine Ab-

sonderung auf dem linken Ohr seit seinem Wassersportur-

laub trotz bekanntem Trommelfelldefekt. Otoskopisch lag

links eine chronische Otitis media mesotympanica mit Ohr-

sekretion bei mittelgroßer Trommelfellperforation vor.

Nach Abstrichentnahme mit Resistenzbestimmung wurden

der Gehörgang gereinigt, Panotile Cipro

®

-Ohrentropfen

eingebracht und der Gehörgang mit Canesten

®

-Creme be-

handelt. Verordnet wurden homöopathische Mittel und

Otalgan-Tropfen.

Verspätete resistenzgerechte Antiobiotikagabe

Bei der Wiedervorstellung am 6. Juni lag das mikrobiologi-

sche Untersuchungsergebnis des Ohrabstrichs bereits vor.

Es zeigte eine Infektion mit einem auch gegen Ciprofloxa-

cin multiresistenten Pseudomonas aeruginosa-Keim sowie

Candida parapsilosis. Die Behandlung wurde mit Panotile

Cipro

®

und Canesten

®

fortgeführt, obwohl auch bei den

späteren Untersuchungen am 8. und 16. Juni keine Besse-

rung der entzündlichen Ohrabsonderung zu erkennen war.

Erst dreiWochen später, am 27. Juni,wurde dann eine syste-

mische antibiotische Behandlung mit dem im Antibio-

gramm ausgetesteten Ceftazidim beziehungsweise mit Cefu-

hexal eingeleitet, das wegen seiner oralen Anwendbarkeit

vorgezogen wurde. Danach war eine sofortige Besserung zu

beobachten. Bei den nachfolgenden Untersuchungen am

1. und am 21. Juli zeigten sich trockene Verhältnisse bei un-

verändert bestehender, aber nunmehr reizloser Trommel-

fellperforation auf dem linken Ohr. Auch die bestehende

Otomykose heilte aus.

Beurteilung

Durch denWassersport war es über die Trommelfellperfora-

tion zu einer Infektion des Mittelohrs gekommen. Die Be-

handlung mit Panotile Cipro

®

-Ohrentropfen, die das hoch-

wirksame Antibiotikum Ciprofloxacin enthalten, sowie mit

Dexasine

®

-Tropfen war in diesem Fall zunächst angemessen.

Vorschriftsmäßig erfolgte sofort ein Probeabstrich zur bak-

teriologischen Untersuchung und Resistenzbestimmung.

Obwohl bei der nächsten Vorstellung in der Praxis sechs Ta-

ge später das Ergebnis der bakteriologischen Untersuchung,

eine Infektion durch Pseudomonas aeruginosa pyocyaneus,

bereits feststand und die Resistenzbestimmung ergeben hat-

te, dass der Problemkeim gegen die meisten Antibiotika –

wie auch gegen das hier verabreichte Ciprofloxacin – resis-

tent war und nur auf Ceftazidim, Gentamycin und Tobra-

mycin ansprach, wurde das – als unwirksam nachgewiesene –

Antibiotikumweiterhin angewendet. Erst 21 Tage nach Fest-

stellung der Resistenz veranlasste der belastete Arzt die ge-

botene Umstellung auf das wirksame Präparat Ceftazidim.

Die bei fehlender lokaler Befundbesserung nicht beachtete

Erregerresistenz und die dadurch um drei Wochen verzö-

gerte Verordnung eines geeigneten Antibiotikums zur Aus-

heilung der nicht unbedenklichen Pseudomonas-Infektion

war dem behandelnden HNO-Arzt als fehlerhaft vorzuwerfen.

Fall 2

Die Patientin suchte am 13. November wegen akut aufgetre-

tener linksseitiger Ohrschmerzen die Praxis des belasteten

HNO-Arztes auf. Unter der Behandlung mit dem Antibioti-

kumOfloxacin (Tarivid

®

) kam es zu einer kurzzeitigen Bes-

serung. Am 20. November fiel eine linksseitige wässrige Ohr-

absonderung auf, weswegen zusätzlich zu Tarivid

®

noch

ein Tetracyclin-Antibiotikum verordnet wurde. Gleichzeitig

mit der Ohrentzündung hatte sich ein starker Nacken- und

Kopfschmerz eingestellt. Zur diagnostischen Abklärung ver-

anlasste der HNO-Arzt eine orthopädische Untersuchung,

bei der ein Zervikalsyndrom als Ursache für die Beschwerden

angenommenwurde.Die Schmerzen nahmen imweiterenVer-

lauf zu und konnten orthopädischerseits auch durch eine

Infiltrationsbehandlung mit Lidocain nicht gelindert werden.

Irrtümliche Gabe ungeeigneter Antibiotika

In den folgendenTagen entwickelte sich auf dem linken Ohr

im Bereich der sezernierenden Trommelfellperforation ein

Polyp, der entfernt wurde. Es wurde eine Paukendrainage

gelegt, um die Entzündung im Mittelohr besser behandeln

und kontrollieren zu können. Bei dieser Gelegenheit ent-

nahm der Arzt einen Abstrich, der als Erreger Streptococcus

pyogenes A ergab. Nach telefonischer Vorweginformation

über das Ergebnis findet sich in der Krankenkartei der Ein-

trag: „Resistenzen: Ciprofloxacin, Cotrimoxazol, Genta-

mycin“.Von der – irrigen –Annahme ausgehend, dass wegen

der Resistenzen nur diese Antibiotika in Betracht kämen,

führte der behandelnde Arzt die Therapie mit Ciprofloxacin

(Ciprobay

®

) fort. Das am folgenden Tag übermittelte aus-

führliche Antibiogramm, das zeigte, dass das Bakterium auf

fast alle Antibiotika, außer den genannten, sensibel reagier-

te, beachtete er nicht.

Am 3. November erfolgten ein CT und ein MRT, das eine

linksseitige Otitis media mit Mastoidbeteiligung ergab. Der

Arzt riet seiner Patientin telefonisch dringend,weiter Cipro-

bay einzunehmen, da nur dieses gegen die Erreger wirksam

sei. In den folgenden Tagen verschlechterte sich das Krank-

heitsbild erheblich. Eine daraufhin nochmals durchgeführ-

te bakteriologische Abstrichuntersuchung ergab dasselbe

Ergebnis wie zuvor. Durch die Mitteilung des Labors, der

Befund sei unverändert, sah sich der belastete Arzt in seinem

Irrtum bestätigt, die Therapie mit Ciprobay

®

unverändert

fortzusetzen. Auch dieses Mal nahm er den ausführlichen

bakteriologischen Befundbericht nicht zur Kenntnis.

Wegen zunehmender Beschwerden entschloss er sich am

7. Dezember unter der Verdachtsdiagnose einer Mucosis oti-

tis, für den 12. Dezember zu einer Mastoidektomie auf dem

linken Ohr. Zuvor erfolgte am 8. Dezember nochmals ein CT,

das, verglichen mit dem Ohrbefund vom 30. November, eine

188

Gutachtliche Entscheidungen

Resistenzmitteilung erfordert Umstellung der Antibiotikagabe