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Gutachtliche Entscheidungen

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Indikationsmängel bei einer ERC und EPT

Aufnahme 2:

Endoskop in situ. Zusätzlich jetzt Füllung des gewundenen

D. cysticus und der Gallenblase mit einem teilweise umflos-

senen großen Solitärstein, sowie einiger normalkalibriger

intrahepatischer Gallengänge. Führungsdraht für das Papillo-

tom im Gallengang bis in die Leberperipherie vorgeschoben.

Aufnahme 3:

Endoskop weiterhin in situ. Tief in den Gallengang einge-

führtes, noch nicht angespanntes Papillotom. Sonst unver-

änderter Befund.

Auf keiner Aufnahme stellen sich konkrementverdächtige

Kontrastmittelaussparungen dar. Eine Pankreatographie er-

folgte nicht. In der Stellungnahme der beschuldigten Klinik-

ärzte gegenüber der Gutachterkommission wird die Indika-

tion für die ERC und EPT wie folgt begründet:

Sie habe sich für die ERC aus wiederholt aufgetretenen

biliären Schmerzen und dem sonographischen Befund

eines auf 9 mm erweiterten Hauptgallengangs ergeben.

Diese Erweiterung werde in der Literatur als Hauptkri-

terium einer Choledocholithiasis gewertet.

Die EPT sei indiziert gewesen durch eine Dilatation des

Hauptgallengangs in der ERC auf 10 mm, durch eine

CRP-Erhöhung als Hinweis auf eine Cholangitis und

durch den sich „aus dem ERC-Befund insgesamt“ er-

gebenden Verdacht auf eine Mikrolithiasis.

Beiden Begründungen konnte die Kommission nicht folgen.

Zur ERC

Die CRP-Werte vom 15. und 16. November waren mit 3,8

und 2,6 gering erhöht und überdies rückläufig. Der leichte

Anstieg der CRP ist, wenn alle anderen Symptome einer

Cholangitis (Fieber, Ikterus) fehlen, als diagnostisches Krite-

rium ungeeignet. Es steigt als akute-Phase-Protein bei

Gallenblasenkoliken leicht an. Die Transaminasen und die

Cholestase-anzeigenden Enzyme sowie das Bilirubin waren

normal.

Es lagen keine Anzeichen für eine Choledocholithiasis vor.

Hinweise für eine solche Diagnose sind vor allem das klini-

sche Bild der Cholangitis, die Hyperbilirubinämie und ein

sonographisch dilatierter Gallengang sowie eine Erhöhung

der Transaminasen und der Cholestase-anzeigenden En-

zyme. Diese Hinweise fehlten.

Die Schmerzen im rechten Oberbauch waren durch die

Cholecystolithiasis verursacht und begründen keine Indika-

tion für eine ERC.

DieWeite des Gallengangs mit sonographisch 9 mm und mit

10 mm im ERC-Röntgenbild liegt noch im Normalbereich

und stellt keinen Hinweis auf eine Galleabflussbehinderung

dar. Die bei der ERC im Röntgenbild gemessenen Werte

müssen wegen der Zentralprojektion und der Bauchlage des

Patienten bei der Untersuchung durch 1,2 bis 1,4 dividiert

werden, was im vorliegenden Fall 7,5 bis 8,3 mm ergibt. Da-

rüber hinaus erweitert sich der Gallengang je nach Fül-

lungsdruck des injizierten Kontrastmittels, so dass die im

Bild gemesseneWeite nicht mit dem nativen Zustand gleich-

gesetzt werden kann.

Die von den belasteten Ärzten angegebene Obergrenze von

6 mm gibt es nicht. Träfe sie zu, müsste bei einer Vielzahl

von gesunden Menschen eine Galleabflussbehinderung an-

genommen werden. Der Galleabfluss kann zudem bei der

Inspektion der Papillen nicht sicher beurteilt oder sogar

quantifiziert werden. Mit Prämedikation von Dolantin

®

(Pethidin), das wie alle Opioidanalgetika den Tonus der

Papillenmuskulatur erhöhen kann, war ohnehin ein eher

geringer Gallefluss zu erwarten. Eine Indikation zur ERC

folgt hieraus nicht.

Zur EPT

Nachdem durch die ERC ein steinfreier, normalkalibriger

Gallengang festgestellt wurde, ergab sich für die Durchfüh-

rung einer Papillotomie nicht die geringste Begründung.

Eine Indikation kann auch nicht aus den sich nach dem

Papillenschnitt entleerenden Mikrolithen abgeleitet werden.

Mikrolithen werden zwar nicht selten als Ursache von Er-

krankungen mit Behinderung des Galleflusses (Cholangitis,

Pankreatitis) diskutiert. Hier gab es aber keine Anzeichen

für eine Behinderung des Galleabflusses, eine Cholangitis

oder Pankreatitis. Damit schied auch die Annahme einer

Mikrolithiasis aus. Alle Befunde wiesen vielmehr auf eine

Cholecystolithiasis ohne Behinderung des Galleflusses hin.

Eine EPT hätte daher wegen fehlender Indikation unter-

bleiben müssen.

Durchführung des Eingriffs

Das invasive Vorgehen erfolgte dem medizinischen Stan-

dard entsprechend. Sorgfaltsmängel waren nicht erkennbar.

Aufklärung, Prämedikation und Nachsorge erfolgten regel-

gerecht. Eine Füllung des Pankreasgangs, die das Risiko ei-

ner akuten Pankreatitis erhöht, wurde bei der ERC vermie-

den. Nicht nachvollziehen konnte die Kommission, warum

eine „weite“ Papillotomie durchgeführt wurde. Schließlich

hatte die vorausgehende Darstellung des Gallengangs weder

Konkremente noch eine Aufweitung des Gangs gezeigt. Die

Papille ist eine komplexe funktionelle Einheit. Bei jeder Ma-

nipulation an ihr kann es zur Auslösung einer akuten Pan-

kreatitis kommen.

Mit hinreichender Sicherheit lässt sich nicht klären, ob die

ERC oder die EPT die Pankreatitis verursacht hat. Die EPT

ist der traumatischere Eingriff und hat daher eine höhere

Komplikationsrate als die Beschränkung des Eingriffs auf

die ERC, zumal bei dieser die Kontrastmittelfüllung des

Pankreasgangsystems vermieden werden konnte. Es spricht

also vieles dafür, dass die EPT die Pankreatitis ausgelöst hat.

Diagnose und Therapie der Pankreatitis

Die postinterventionelle akute Pankreatitis wurde zeitge-

recht erkannt. Die typischen klinischen, laborchemischen,

sonographischen bzw. computertomographischen Befunde

wurden erhoben. Die Pankreatitis wurde von Anfang an zu-

treffend als schwer und das gesamte Organ und die Umge-