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Wir alle lieben ihn. Designer und Art Direktoren ganz besonders. Er gibt Gedrucktem, Internetseiten, mobilen

Angeboten Luft und Freiraum. Er ist edel, wunderschön anzuschauen, hat etwas Erhabenes, bringt gute Typo-

grafie zu voller Blüte und ist alles andere als marktschreierisch. Nur mit ihm können wir die natürliche Haptik

des Papieres erfahren, indem wir mit dem Finger darüber streichen oder das Magazin zwischen Daumen und

Zeigefinger fest in die Hand nehmen. Es gibt Bücher über ihn, sicher nicht so viele wie über die Liebe, Leiden-

schaft, Mord oder Kommissare. Sie sind meist etwas dröge, beschäftigen sich mit Rasterlinien, goldenem Schnitt

und Proportionen. Erörtern Fragen zu Paginierung, ob innerhalb oder außerhalb des Satzspiegels. Und unsere

Setzervorfahren schenkten im oft nur eine technische oder kaufmännische Beachtung. A propos Buchhaltung.

Wie mitleidig wird derjenige heute angesehen, der erklärt, jener sei doch nur Papierverschwendung, koste doch

nur Geld und brächte nichts. Vor allem, wenn wir über ihn in der digitalen Form sprechen. Dort, wo der Platz

doch grenzenlos und immer über den Wolken erscheint, wo alles nichts kostet und frei zur Verfügung steht. Wo

man dem noch so unsinnigsten Katzeninhalt mit ihm ein Alleinstellungsmerkmal geben kann, dass dieser Null-

inhalt majestätisch wirkt. Dort, wo das Flat Design bestimmt, ja fast schon unseren guten Geschmack diktiert.

Und wie verhält sich das mit unserem Geschmack? Üppig ist out, das haben wir schon einmal in der KNOW!S

festgestellt, entspricht nicht unserem aktuellen Schönheitsideal. Das war schon einmal anders. In Zeiten oder

nach Zeiten, in denen Menschen hungern mussten, da war dick und voll ein Zeichen von Wohlstand und Si-

cherheit. Das ist übrigens heute noch in vielen Kulturen so, etwa in ländlichen Regionen Asiens, wo ein tradi-

tionelles Rollenverständnis vorherrscht. Da wird der Mann mit Bauch – ja, wir alle denken, wie kann man nur

– als attraktiver angesehen, weil er wahrscheinlich wohlhabender ist und am Ende auch die Familie ernähren

kann. Fülle und Ausfüllen als Schönheitsideal. Das sind schlechte Karten für ihn, über den wir hier sprechen. In

vielen westlichen Gesellschaften ist es genau umgekehrt. Wir sind übersättigt. Immerzu an allen Orten gibt es

alles, Hunger und Entbehrung kennen die meisten heute nicht mehr. Dick und ausfüllend sind wir oft nur, weil

wir uns falsch ernähren oder bei dem uns umgebenden Überangebot und der Fülle zu oft laben. Wir lieben das

Schlanke, weniger ist mehr, ja, genau ihn:

den Weißraum.

Offline wie online. Generationen von Designpäpsten

haben ihn gepredigt, haben in Verlagen und Unternehmen missioniert, sind auf die Kanzel gestiegen, haben

eben gegen jene Buchhalter gewettert, haben, ohne nachzudenken, Weißraumspalten angepriesen. Ganz beson-

ders auch online. Dabei haben sie über einen Aspekt nie gesprochen. Und das ist der Grund, warum diese Seite

bis an den maximalen Rand vollgeschrieben ist. Es ist die Energieeffizienz. Sprechen wir über Papier, dann ist

jedem sofort einleuchtend, dass weniger Weißraum Energie, weil Papier einspart. Aber genau das Gleiche gilt für

elektronische Medien. Wer viel Weißraum einsetzt, der verbaucht auch mehr Energie, zumindest auf AMOLED-

und Röhrenmonitoren, nicht auf LCD-Monitoren. Denken Sie daran, wenn sie das nächste Mal eine Steckdose

suchen, um Ihr Smartphone mit AMOLED-Monitor aufzuladen. Verleger, Designer, Produktentwickler, Typogra-

fen, Rastergestalter und Weißraumfanatiker sollten es wissen, sich bewusst machen, ohne gleich den Zeigefinger

zu erheben. Der vollgeschriebene Dunkelraum ist, sprechen wir über Energieeffizienz im Druck, wenn der In-

halt also auf weniger Seiten dargestellt wird und die Seiten voller sind, oder in der Gestaltung von Onlineseiten,

manchmal die energetisch günstigere Alternative in jeder Hinsicht. Bis der Dunkelraum allerdings wieder Trend

ist und wir nur noch alle fünf Millimeter Sicherheitsabstand an den Rändern schick finden, dürfte noch ein we-

nig Zeit vergehen. Dass er weniger gut gestaltbar ist, dürfte allerdings nur vorgeschoben sein, von Designern, die

ihr Handwerk nicht verstehen. Dazu mehr auf Seite 17.