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ückblick: Für zwei
Freunde soll ein Traum
in Erfüllung gehen.
Doch das wissen mäch-
tige Staatsmänner zu verhindern.
Der große Traum zerplatzt. 25
Jahre später sorgen glückliche
Umstände dafür, dass die beiden
doch noch das bekommen, was
ihnen zusteht. Ein echtes Happy
End – dank Werder.
In den 80er Jahren
lernten die
beiden Sachsen Tomas Güttler
und Jochen Salewski das Ehepaar
Gerda und Wolfgang Schreck
aus Worpswede kennen, das mit
Bekannten in die DDR gereist
war. Es entstand eine langjähri-
ge Freundschaft. Familie Schreck
war schon zu diesem Zeitpunkt
gut mit dem damaligen Werder-
Manager Willi Lemke bekannt.
Immer wieder wurden Fan-Arti-
kel zu den Freunden in der DDR
geschickt. Dort schlugen die
Herzen von Tomas Güttler und
Jochen Salweski schon seit ihrer
Kindheit für Dynamo Dresden.
Die Post aus Bremen
sorgte je-
doch schon bald dafür, dass sich
schwarz-gelbe mit grün-weißer
Leidenschaft vermischte. Aus
der DDR verfolgten die beiden
als Jugendliche den SV Werder.
Geschenke der befreundeten
Familien machten die beiden
Anhänger in der Ferne glück-
lich. „Jeder von uns bekam zum
Beispiel einen Ball, der von der
Werder-Mannschaft signiert war.
Außerdem haben wir Trikots
von Dieter Burdenski und Mirko
Votava erhalten“, erinnern sich
die Freunde. Diese kleinen Kost-
barkeiten hielten sie nicht unter
Verschluss, sondern nutzten sie
stolz zum Fußballspielen: „Mit
dem Ball und in den Trikots ha-
ben wir so lange gespielt, bis sie
völlig abgenutzt waren.“
Zum besonderen Highlight
sollte
für die Fans der 11. Oktober 1988
werden. Auf Wunsch ihrer Freun-
de aus Norddeutschland wurden
Tomas Güttler und Jochen Sal-
weski zu einem Spiel eingeladen,
das später als eines der ‚Wunder
von der Weser‘ in die Fußball-
Geschichte eingehen sollte. Im
Europapokal der Landesmeister
empfing Werder den DDR-Re-
nommier-Club BFC Dynamo.
Doch zwei Plätze
auf den Rängen
blieben leer. Denn Tomas Güttler
hatte den Brief der Grün-Weißen
nie erhalten. Stattdessen wurde
er zu seinem Chef zitiert. Die-
ser hatte von der Einladung er-
fahren und wollte wissen, wie
sie zustande kam. Jochen Sa-
lewski dagegen hatte zunächst
Glück, denn ihn erreichte die
Einladung. „Um überhaupt
eine Chance auf den Besuch in
Bremen zu haben, bin ich zur
Polizei gegangen und habe offi-
ziell um Ausreise gebeten. Dort
wurde ich zunächst gefragt, ob
ich schon meinen Dienst für die
‚Nationale Volksarmee‘ geleistet
habe. Das musste ich verneinen“,
erklärt der Dresdener. Daraufhin
behielten die Polizeibeamten
den Brief aus Bremen ein. Und:
„Eigentlich war uns von Anfang
an klar, dass man uns niemals
ausreisen lassen würde“, erin-
nern sich beide Werder-Fans.
Viele Jahre vergingen,
ehe Tomas
Güttler 2008 Einsicht in seine
Stasi-Akten beantragte. Weitere
fünf Jahre später hielt er die Ak-
ten in den Händen – und völlig
unerwartet auch die Einladung
von Werder Bremen. Ein Arbeits-
kollege ermutigte ihn dazu, den
Werder-Brief zu beantworten.
Ohne sich Gedanken über eine
Reaktion des Vereins zu machen,
erzählte Tomas Güttler seine
Geschichte und fragte, ob die
Einladung von 1988 nach wie vor
gültig sei. Das sorgte in der Wer-
der-Geschäftsstelle für Aufsehen.
Und so wurden die beiden Dres-
dener erneut eingeladen.
Bei einem Besuch
im WUSEUM
trafen sie auf Willi Lemke: „Ich
kann mich noch an diesen Vor-
gang erinnern, weil Familie
Schreck mehrfach von den beiden
erzählt hat“, verriet Werders Auf-
sichtsratsvorsitzender den Gästen.
Und bevor sie ihre Plätze auf der
Südtribüne einnahmen, durften
die zwei Dresdener sich noch
über eine weitere Begegnung
freuen: Dieter Burdenski, dessen
Trikots sie einst stolz trugen, ver-
blüffte die Geschichte ebenso.
Die Sorge
der DDR-Politiker war
im Falle von Tomas Güttler und
Jochen Salewski übrigens be-
rechtigt: Beide vermuten heute,
dass sie die Reise nach Bremen
zur gemeinsamen Flucht genutzt
hätten.
Laura Ziegler
Endlich eine runde Sache
Zwei Dresdener wurden bei Werders Heimspiel gegen
den FC Schalke 04 zu Hauptdarstellern ihres eigenen
kleinen Märchens – mit 25 Jahren Verspätung konn-
ten sie einer Einladung des SV Werder nachkommen.
Was lange währt...
Tomas Güttler
(li.) und Jochen
Salewski im WU-
SEUM sowie mit
Werders Ehren-
spielführer Dieter
Burdenski (Foto
unten).
Fotos: M. Rospek
10 WERDER MAGAZIN 305