WERDER MAGAZIN Nr. 309 - page 31

Radsportler, Fußballer und ein Papst
– Desio
hat einige bekannte Persönlichkeiten hervor-
gebracht. Luca Caldirola ist auf dem besten
Weg, der berühmteste Sohn der 40.000-Ein-
wohner-Stadt in der Lombardei zu werden.
Achille Ambrogio Damiano Ratti, der im
Jahr 1857 in Desio das Licht der Welt erblick-
te, machte 1922 als Papst Pius XI. Karriere.
Radsportler Luigi Arienti war Olympiasieger,
Francesca Galli in diesem Sport Weltmeis-
terin. Mit Vito Mannone, derzeit Torwart
beim englischen AFC Sunderland, gibt es im
internationalen Fußball einen weiteren Spie-
ler aus Desio. Luca Caldirola will ab sofort in
der Bundesliga Karriere machen.
Durch die jährliche
Lombardei-Rundfahrt ist
Radsport in der Heimat des Italieners allge-
genwärtig, durch die Nähe zu Monza auch
die Formel 1. „Für mich gab es aber, seit ich
ein kleines Kind war, nur Fußball“, erzählt
Werders neuer Abwehrspieler. Ein Grund da-
für ist, dass das Kicken bei den Caldirolas Fa-
milientradition ist. Vater Enrico und Bruder
Marko waren Torhüter. „Also habe ich auch
zuerst im Tor gestanden“, erinnert sich Luca
Caldirola und schmunzelt: „Allerdings nur
einen Monat, es hat mir nämlich überhaupt
nicht gefallen.“
Schnell zeigte sich:
Es war eine gute Ent-
scheidung, ins Feld zu wechseln. Die Teil-
nahme an der U-21-Europameisterschaft in
diesem Sommer als Kapitän des italienischen
Teams gehört zu den bisherigen Höhepunk-
ten in Caldirolas Karriere. Und auch in den
ersten Bundesliga-Einsätzen – unter ande-
rem beim Heimspielauftakt gegen den FC
Augsburg – bewies er, dass er zu einer ech-
ten Persönlichkeit beim SV Werder und in
der gesamten Bundesliga werden kann.
WERDER MAGAZIN:
Luca, wie hast du dein
erstes Spiel im Weser-Stadion erlebt?
LUCA CALDIROLA:
Sehr emotional. Die At-
mosphäre im Stadion war klasse. Die Fans
haben die ganze Zeit gesungen. Und wir
haben gewonnen – das hat den Tag perfekt
gemacht.
Dazu stand hinten die Null. Wusstest du um
die Probleme der Mannschaft in der vergange-
nen Saison?
Ich hatte einige Spiele von Werder gesehen.
Dabei ist mir sofort aufgefallen, dass die
Mannschaft eigentlich ganz gut spielt, aber
zu viele Gegentore kassiert. Dass wir nun
in den ersten beiden Spielen sogar ohne Ge-
gentor geblieben sind, ist ein gutes Zeichen.
In Mönchengladbach haben
wir es nicht so gut gemacht.
Ich hoffe aber, dass wir häu-
fig zu Null spielen können in
dieser Saison.
Das kann ja dann nur am neu-
en Abwehrspieler liegen…
(lacht)
Nein nein, die ganze
Mannschaft trägt dazu bei.
Diesen Weg als Team müs-
sen wir weitergehen.
Du scheinst dich schnell an
die neue Liga und die neue
Umgebung gewöhnt zu ha-
ben…
… weil ich mich hier von Beginn an wie zu
Hause gefühlt habe. Ich bin schnell ange-
kommen in Bremen. Die Mannschaft und
alle im Verein haben mir sehr geholfen,
mich zurechtzufinden.
Du bist der erste italienische Profi beim SV
Werder und einer der wenigen in der Bundesli-
ga. Werden in Zukunft zunehmend mehr Italie-
ner in Deutschland spielen?
Aus meiner Sicht kommt die Bundesliga im
Vergleich der europäischen Ligen direkt
nach der englischen Premier League. Ich
kann mir sehr gut vorstellen, dass zukünftig
noch mehr Italiener in die Bundesliga wech-
seln. Wenn mich jemand fragt, werde ich
ihm auf jeden Fall dazu raten.
Wann hast du zum ersten Mal vom Interesse
des SV Werder erfahren?
Erst ein paar Tage, bevor ich den Vertrag un-
terschrieben habe. Es war also eine schnelle
Entscheidung, ich habe sofort zugesagt. Es
musste mich auch niemand lange beraten.
Werder ist eine Top-Adresse in Europa, und
ich wollte diese Chance, in der Bundesliga
zu spielen, unbedingt nutzen. Auch meine
Freundin Marija war sehr zufrieden, als
sie erfahren hat, dass ich bei Werder unter-
schrieben habe. Sie mag die Stadt und fühlt
sich hier sehr wohl.
Warst du vorher schon mal in Deutschland?
Als ich in Holland gespielt habe
(Luca Cal-
dirola lief von 2010 bis 2011 für Vitesse
Arnheim auf, Anm. d. Red.)
, war ich öfter
in Deutschland. Denn es hat mir hier schon
immer sehr gut gefallen. Das war auch ein
Grund, warum ich hierhergekommen bin.
Das Land fasziniert mich, Deutschland ist
schon viel weiter als Italien. Das Leben hier
ist sehr gut organisiert. Und ich mag Bremen,
weil es eine ruhige Stadt ist, ganz anders als
zum Beispiel Mailand, wo ich viele Jahre
gespielt habe. Ich mag das Chaos der Groß-
städte nicht.
Stichwort ‚Mailand‘: Bereits als Kind bist du
zu Inter gekommen. In den vergangenen Jah-
ren warst du zwar an andere Clubs ausgelie-
hen, hast aber erst jetzt den Verein fest verlas-
sen. Mit etwas Wehmut?
Mit sieben Jahren bin ich zu Inter gekom-
men. Es war eine große Auszeichnung, aber
nicht immer leicht. Denn zu Beginn war ich
wirklich noch sehr klein. Ich musste einen
Teil meiner Kindheit opfern. Heute kann
ich sagen: Es hat sich gelohnt. Ich bin Inter
sehr dankbar für die hervorragende fußbal-
lerische Ausbildung, dieser Verein hat mich
auch menschlich erwachsen gemacht. Aber
trotz der Verbundenheit zu Inter: Zu Werder
und zur Möglichkeit, nach Bremen zu kom-
men, konnte ich einfach nicht Nein sagen.
Der italienische Fußball ist für seine Defensiv-
stärke bekannt. Wollen alle jungen Fußballer
in Italien Abwehrspieler werden?
(lacht)
In Italien ist es nicht anders als in
Deutschland. Als Kind und junger Fußballer
m
m
„Zu
Werder
konnte ich
nicht Nein
sagen“
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INTERVIEW
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