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s mag sonderbar klin-
gen, aber einer meiner
schönsten Momente als
Fußballer war tatsäch-
lich ein schnödes 2:2 gegen den
MSV Duisburg. Das Besondere
daran: Es war mein Comeback!
Zu Beginn der Saison 1997/1998
hatte ich eine komplizierte
Zehen-Operation. Das ganze
Grundgelenk war kaputt, zeit-
weise war sogar unklar, ob ich
meine Karriere überhaupt fort-
setzen kann. Letztendlich wurde
das Gelenk aber versteift – und
nach überstandener Reha stand
ich gegen Duisburg endlich wie-
der im Kader.
Die Fans
im Weser-Stadion ha-
ben mir schon beim Aufwärmen
einen fantastischen Empfang be-
reitet. ‚Wir woll‘n den Andi seh‘n,
wir woll‘n den Andi seh‘n‘ – das
ganze Stadion war happy, dass
ich wieder spielen konnte. Zu
Beginn saß ich erst mal auf der
Bank, aber als ich eingewechselt
wurde, schoss das Adrenalin
durch meinen ganzen Körper.
Ich schnappte mir den Ball und
startete ein Wahnsinns-Solo über
das halbe Feld. Gestoppt wurde
ich erst durch ein Foul. Das holte
mich auf den Boden der Realität
zurück. Noch während ich auf
dem Rasen lag, merkte ich: Jun-
ge, du bist ja jetzt schon völlig
erledigt.
Am nächsten Spieltag
ist mir in
Dortmund sogar schon wieder
ein Tor gelungen. Aber dieser
Moment gegen Duisburg, in dem
ich nach monatelangem Zwei-
feln und Warten endlich wieder
auf dem Platz stand, war un-
beschreiblich. Ich war einfach
nur glücklich. Der damalige
Präsident, Dr. Franz Böhmert,
kam kurz darauf auf mich zu
und sagte mir, dass der SV Wer-
der meinen Vertrag unbedingt
verlängern wolle. Besser hätte
sein Timing nicht sein können.
Ich hatte seinerzeit ein attrakti-
ves Angebot aus der englischen
Premier League, aber nach dem
Comeback-Spiel war meine Ent-
scheidung klar: Ich blieb in Bre-
men.
Natürlich waren auch
die Spiele
gegen den FC Bayern immer et-
was Besonderes für mich – erst
recht nach meinem unglückli-
chen Gastspiel in München in
der Saison 1995/1996. Bei den
Bayern hat es einfach nicht ge-
passt. Man denke nur an die
absurde Szene, als Oliver Kahn
mich wie von Sinnen am Kragen
packte und durch den eigenen
‚Sechzehner‘ schubste...
Mit meiner Rückkehr
nach Bre-
men war dieses ‚Horror-Jahr‘
schlagartig vergessen. Ich habe
mich von der ersten Sekunde an
wie Zuhause gefühlt, denn ich
bekam sofort wieder das Vertrau-
en geschenkt, das ich brauchte.
Am achten Spieltag kam es zum
Wiedersehen mit den Bayern.
Wir gewannen mit 3:0 – die ers-
ten zwei Tore schoss ich selbst,
den dritten Treffer bereitete ich
vor. Das war eine große Genug-
tuung.
Schon in meinem
ersten Jahr in
Bremen erwischte ich gegen die
Bayern zweimal Super-Tage. Das
Hinspiel gewannen wir mit 3:1,
und nach dem 4:1-Sieg im Weser-
Stadion waren wir am 28. Spiel-
tag plötzlich punktgleich mit den
Bayern. An die Tabellenspitze
schoben wir uns aber erst durch
einen 5:0-Erfolg gegen den Ham-
burger SV am vorletzten Spiel-
tag. Die Meisterschaft war ein
Kopf-an-Kopf-Rennen, den Unter-
schied machte nur ein einziger
Treffer. Warum ich das erzähle?
Dreimal dürfen Sie raten, wem
im Nordderby gegen den HSV
in der 90. Minute das letzte Tor
gelang…“
Aufgezeichnet von Jörn Lange
Wir woll’n den Andi
seh’n…
Werder-Idole erinnern sich an
ihre größten Spiele in grün-weiß. Heute: Andreas
Herzog über Comebacks, Genugtuungen und
Last-Minute-Tore gegen den Hamburger SV.
Fotos: picture-alliance
SPIELE MEINES LEBENS
WERDER MAGAZIN 311 67
Unvergessen
Andreas
‚Andi‘ Herzog spielte
von 1992 bis 1995
und nach einem ein-
jährigen Gastspiel bei
Bayern München noch
einmal von 1996 bis
Dezember 2001 beim
SV Werder.