WERDER MAGAZIN Nr. 314 - page 75

M
an kommt ja kaum
hinterher: Gerade
bin ich für 50 Jahre
Mitgliedschaft im SV
Werder Bremen geehrt worden.
Verstehen Sie mich nicht falsch,
selbstverständlich bin ich stolz
auf diese beeindruckende Zahl.
Aber 50 Jahre sind eine lange Zeit
– erst recht, wenn man bedenkt,
dass mein Wechsel nach Bremen
eigentlich nur eine vorübergehen-
de Lösung sein sollte.
Ich komme ursprünglich
aus
Süddeutschland, meine ersten
fußballerischen Erfolge habe ich
beim 1. FC Schweinfurt 05 ge-
feiert. Was mich in den Norden
zog? In erster Linie Sepp Piontek
und Max Lorenz. Beide kannte
ich aus der Jugend-Auswahl des
DFB, wir hatten einen sehr guten
Draht. Als in Bremen ein Tor-
wart benötigt wurde, haben sie
mir den SV Werder schmackhaft
gemacht. Neben der sportlichen
Perspektive war es vor allem das
gute Verhältnis zu Sepp und Max,
das mich 1963 zum Wechsel be-
wogen hat. Aber um ehrlich sein:
Eigentlich wollte ich nach zwei
oder drei Jahren wieder in südli-
che Gefilde wechseln.
Dass alles ganz anders kam,
lag
vor allem am Erfolg. Allerdings
geriet mein Debüt zur totalen Ka-
tastrophe. Vor Saisonbeginn ab-
solvierten wir ein Freundschafts-
spiel beim VfB Bottrop. Ich zog
mir einen Kreuzbandriss zu,
eine Operation war unumgäng-
lich. Das war bitter! Zum Start
der neugeschaffenen Bundesliga
war ich nur Zuschauer, erst am
19. Spieltag kehrte ich zwischen
die Pfosten zurück.
In meinem
zweiten Jahr wurden
wir aber bekanntlich Deutscher
Meister – eine absolute Sensati-
on! Ich erinnere mich noch gut
an das letzte Heimspiel gegen
Borussia Dortmund. Der BVB
war Tabellendritter und kämpfte
mit uns und dem amtierenden
Meister 1. FC Köln um den Ti-
tel. Die Unterstützung der Fans
war großartig: Trotz strömenden
Regens gab es im Weser-Stadion
keinen freien Platz mehr.
Klaus Matischak
brachte uns
früh in Führung. Kurz vor der
Pause fing ich einen Dortmun-
der Pass ab und leitete mit einem
schnellen Abwurf den nächsten
Angriff ein. Das Resultat war das
2:0 durch Theo Klöckner. Für
viele galt ich damals als bester
spielender Torwart, die heutige
Spielweise wäre für mich ide-
al gewesen. Wie dem auch sei:
Dortmund gab sich nicht auf,
nach der Pause mussten wir ei-
nige brenzlige Situationen über-
stehen. Unser Verteidiger Helmut
Jagielski spielte einen riskanten
Rückpass. Für den BVB ergab
sich daraus die Riesenchance
zum Anschlusstor, Timo Ko-
nietzka traf aber Gott sei Dank
nur das Außennetz. Jagielski war
ein erstklassiger Fußballer, keine
Frage. Auf solche Aktionen muss-
te man bei ihm allerdings immer
gefasst sein. Mit seinen Absatz-
kicks hat er mich ein ums andere
Mal in Verlegenheit gebracht.
Schlussendlich gewannen
wir 3:0.
Dortmund war damit aus dem
Rennen, nun wartete das ganze
Stadion gespannt auf das Resultat
aus Köln. Tatsächlich kam der FC
gegen den 1. FC Nürnberg nicht
über ein 0:0 hinaus. Als das Er-
gebnis über die Lautsprecher
verkündet wurde, gab es kein
Halten mehr. Rein rechnerisch
hätten uns die Kölner bei absurd
hohen Ergebnissen am letzten
Spieltag noch abfangen können.
Trotzdem wussten in diesem Mo-
ment alle: Der Titel ist uns sicher.
Wir haben gefeiert wie die Welt-
meister. Den ‚kühlen Norddeut-
schen‘ habe ich bis heute nicht
kennengelernt.“
Aufgezeichnet von Jörn Lange
„Die heutige
Spielweise wäre
für mich ideal“ 
Werder-Idole erinnern sich an ihre
größten Spiele in grün-weiß. Heute:
Günter Bernard über frustrierende
Debüts und ein Herzschlagfinale
im Kampf um die Meisterschaft.
Fotos: imago
Großer Rückhalt
Von 1963 bis 1973 stand Günter Bernard in
287 Bundesliga-Spielen im Tor des SV Werder. Höhepunkt:
der Gewinn des Deutschen Meistertitels 1965 (Foto li.).
WERDER MAGAZIN 314 75
SPIELE MEINES LEBENS
1...,65,66,67,68,69,70,71,72,73,74 76,77,78,79,80,81,82,83,84,85,...88
Powered by FlippingBook