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it 32 Jahren gehört
man im Fußball fast
schon zum ‚alten
Eisen‘. Nicht wenige
haben deshalb etwas skeptisch
geschaut, als mich der SV Wer-
der 1997 nach Bremen holte. Es
waren ohnehin turbulente Zeiten
für den Verein. Nach der Ära von
Otto Rehhagel musste man sich
erst wieder finden, ich habe un-
ter vier verschiedenen Trainern
gespielt. Trotzdem denke ich sehr
gerne an meine Bremer Jahre zu-
rück, an die Menschen, die Stadt
– und natürlich an die Erfolge.
Für mich persönlich
ging beim
SV Werder ein großer Traum in
Erfüllung: Ich konnte endlich
international spielen! Los ging
es in der Saison 1998/1999 im
UI-Cup. Sportlich waren diese
Spiele keine Feinkost, aber die
Erfahrungen möchte ich trotz-
dem nicht missen. Ich erinnere
mich noch an unser Auswärts-
spiel bei Samsunspor in der Tür-
kei. Der Flughafen bestand aus
einer Start- und Landebahn und
einem fast menschenleeren Ter-
minal, gefühlt kaum größer als
eine Pommes-Bude. Wir haben
uns gefühlt wie bei einer Ex-
pedition, dort hätte man ohne
weiteres eine Szene für ‚Indiana
Jones‘ drehen können. Und auch
das Spiel war abenteuerlich. Wir
gewannen wie schon beim Hin-
spiel in Bremen mit 3:0, was bei
den Samsunspor-Fans natürlich
für Unmut sorgte. Zum Teil wur-
den sogar Pflastersteine von den
Rängen geworfen, verletzt wur-
de aber niemand.
In der nächsten Saison
dann
das ‚Wunder‘ – dritte Runde im
UEFA-Cup, Hinspiel bei Olym-
pique Lyon: Wir verloren völlig
verdient mit 0:3. Die Franzosen
waren eine außergewöhnlich
starke Heimmannschaft, und
Spielmacher Vikash Dhorasoo
spielte so stark auf, dass selbst
ich als Gegner fast zum Fan ge-
worden wäre. In Lyon saß ich
nur auf der Bank, im Rückspiel
sollte ich mich jedoch höchstper-
sönlich um Dhorasoo kümmern.
Ich hatte gewaltigen Respekt
vor dieser Aufgabe, habe mich
aber voll reingehängt und ihm
tatsächlich den ‚Zahn gezogen‘.
Dhorasoo hat praktisch nicht
stattgefunden – und wir gewan-
nen mit 4:0.
Im Achtelfinale
gegen AC Parma
waren die Namen dann sogar
noch größer: Gianluigi Buffon,
Lilian Thuram, Fabio Cannavaro,
Hernan Crespo – allesamt Welt-
klassespieler. Sich mit solchen
Leuten zu messen, das ist ein-
fach klasse und unvergleichlich!
Rückblickend fand ich es immer
ein bisschen schade, dass ich die-
se Duelle erst spät in meiner Kar-
riere erleben durfte. An Heraus-
forderungen dieser Art wächst
man als Spieler, sie können
einem ein ungeheures Selbstbe-
wusstsein geben.
Der größte Erfolg
ist und bleibt
für mich der DFB-Pokalsieg 1999
im Finale gegen den FC Bayern.
Die Atmosphäre in Berlin war
einmalig, zudem hatten wir als
Außenseiter wenig zu verlieren.
Für uns wurde die Partie zu ei-
ner wahren Abwehrschlacht. Ich
habe überall Löcher gestopft, wo
es etwas zu stopfen gab. In der
letzten Minute der Verlängerung,
ich war gerade in einem Duell
mit Lothar Matthäus, spürte
ich plötzlich einen stechenden
Schmerz. Später stellte sich he-
raus, dass die Bizepssehne im
Oberschenkel gerissen war. Ei-
nen Elfmeter konnte ich mit die-
ser Verletzung nicht mehr schie-
ßen. Im Nachhinein war das aber
völlig egal. Denn schließlich hat-
ten wir beim Elfmeterschießen
das bessere Ende für uns. Und
dieser Abend bleibt für immer
unvergesslich.“
Aufgezeichnet von Jörn Lange
‚Indiana Jones‘
in der Türkei
Werder-
Idole erinnern sich an ihre größten
Spiele in grün-weiß. Heute: Bern-
hard Trares über skurrile Reiseer-
lebnisse, Pokal-Sensationen und
das Kräftemessen mit Weltstars.
Erfolg im Herbst der Karriere
Bernhard Trares spielte von 1997 bis 2001 für den SV Werder und holte mit den Grün-Weißen
im Jahr 1999 den DFB-Pokal an die Weser. Bremen war seine letzte Station im Fußball-Oberhaus, danach spielte er noch
drei Jahre in der zweiten Liga.
Fotos: picture-alliance
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