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Gutachtliche Entscheidungen

139

tionsbestätigung erfolgten die regelhafte Operationsaufklä-

rung und die Veranlassung einer präoperativen HNO-ärzt-

lichen Befunderhebung einer intakten Stimmbandfunktion.

Die Operation wird bezeichnet als beiderseitige subtotale

Struma-Resektion und wird fachärztlich ausgeführt (Resek-

tat links 64 Gramm, rechts 75 Gramm). Nachoperativ ergibt

die anästhesiologische Überprüfung zunächst eine freie

Stimmbandbeweglichkeit. Wegen einsetzender Atemnot

wird kurzfristig die Reintubation erforderlich. Ein HNO-

ärztliches Konsil an je zwei Folgetagen stellt eine vollständi-

ge Stimmbandlähmung links und eine Minderbeweglichkeit

rechts fest. Bei ausgeprägter Heiserkeit war die Atmung

leidlich kompensiert. Die Entlassung erfolgte mit Thyroxin-

Medikation und derVerordnung von Logopädie am zehnten

Tag.

Der Operationsbericht schildert die Präparation des Kropfes

mit üblichen Gefäßunterbindungen, dann „Setzen der Pean-

Klemmen in die Kapsel, subtotale Resektion unter Mitnah-

me aller Knoten und Schonung des Verlaufes des Nervus

laryngeus recurrens – kleine Knoten werden intrakapsulär

entfernt“. Eine detaillierte, nachvollziehbare Schilderung

der präparatorischen Freilegung und Identifizierung des

Stimmbandnerven auf jeder Seite und dessen Sichtkontrolle

auf Unversehrtheit bei der Resektion erfolgt nicht. Das

Gleiche gilt für die Identifizierung der Nebenschilddrüsen.

Angesichts fortbestehender Stimm- und Atmungsbeein-

trächtigung mit fachärztlicherseits langzeitig bestätigtem

unveränderten Befund einer linksseitigen Nervus recurrens-

Parese und rechtsseitiger Stimmbandminderbeweglichkeit

wurde bezüglich der Folgen ein Behandlungsfehlervorwurf

erhoben.

Die Kommission hat den Vorwurf anerkannt und begründet,

dass der Dokumentationsmangel im Operationsprotokoll

nicht gestattet, die Ausführung des Eingriffes mit gebotener

Sorgfalt – also mit Nervendarstellung und Sichtkontrolle –

anzuerkennen, womit gültige Regeln zur Schadensvermei-

dung nicht beachtet wurden.

Fall 2

Bei einem 46 Jahre alten Mann wurde nuklearmedizini-

scherseits eine Knotenstruma von 110 ml mit multifokaler

Autonomie und latenter Hyperthyreose diagnostiziert. Es

erfolgte die Überweisung an eine HNO-ärztliche Klinikab-

teilung zur Operation, die als linksseitige Totalentfernung

und rechtsseitige subtotale Resektion ausgeführt wurde.Das

pathologisch-histologische Untersuchungsresultat des mit

180 Gramm angegebenen Resektates ergab linksseitig ein

0,57 mm im Durchmesser großes follikulär strukturiertes

papilläres Schilddrüsenkarzinom. Dieser Befund veranlass-

te zur Nachoperation zwecks Entfernung des kleinen

rechtsseits belassenen Drüsenrestes und nachfolgend zur

Empfehlung ergänzender Radio-Jod-Behandlung. Bei einer

späteren Kontrollszintigraphie mit sonographischer Bestäti-

gung fand sich ein etwa 13 ml großer Drüsenrest rechts,wes-

wegen eine erfolgreiche 131 Jod-Eliminierungstherapie aus-

geschlossen war. Der auf dringenden Patientenwunsch an-

derenorts durchgeführte zweite Wiederholungseingriff zur

Vervollständigung wurde wegen des risikoreich komplikati-

onsbedrohten Lokalbefundes abgebrochen.

DerVorwurf des Patienten eines Behandlungsfehlers bei der

zweiten Operation wurde durch eine Kommissionsentschei-

dung bestätigt. Als Begründung für die Anerkennung eines

Behandlungsfehlers wurde darauf verwiesen, dass bei einem

papillären Mikrokarzinom nach übereinstimmender Über-

zeugung der beteiligten Fachgesellschaften eine Lobektomie

der betroffenen Seite beziehungsweise eine beidseitige sub-

totale Resektion zur Gewährleistung der radikalen Entfer-

nung eines solchen histologischen Zufallsbefundes vollauf

ausreichend und eine Radikalitätsausweitung durch Reope-

ration unnötig ist. Des Weiteren hatte die Wiederholungs-

operation zur vollständigen Entfernung der Restschilddrüse

rechts gemäß szintigraphischem und sonographischem

Kontrollbefund mit einem noch immer nachweisbaren

Drüsenrest von circa 13 ml ihr Behandlungsziel verfehlt.

Fazit

Die Indikation zu operativer Behandlung sollte heute mit

konsequenter Vordiagnostik und multidisziplinärer Abstim-

mung (eventuell Zweitmeinung) erfolgen. Eine Aufklärung

über Behandlungsrisiken muss problemgerecht und voll-

ständig einschließlich der Erfolgsaussichten alternativer Be-

handlungsmöglichkeiten wahrgenommen werden. Chirur-

gischerseits ist ein nachvollziehbares Operationsprotokoll

gefordert, das den sichtkontrollierten Umgang mit verlet-

zungsgefährdeten Strukturen, wie Stimmbandnerven und

Nebenschilddrüsen zur Schadensabwendung belegt. Der

Einsatz des Neuromonitoring hat lediglich einen Empfeh-

lungscharakter und ist deshalb keine obligate Forderung.

Sein nutzbringender Einsatz bei radikalen oder Wiederho-

lungsoperationen ist belegt. Erforderliche nachoperative

Kontrolluntersuchungen und ergänzende Behandlungs-

empfehlungen sollten besprochen und im Abschlussbericht

ausgeführt werden.

Hans-Dietrich Röher, Beate Weber und Ulrich Smentkowski

Fehler und Gefahren bei Schilddrüsenoperationen