Background Image
Previous Page  168 / 258 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 168 / 258 Next Page
Page Background

166

Gutachtliche Entscheidungen

erhöhtem Infektionsrisiko, zum Beispiel Diabetikerinnen,

keine Kontraindikation gegen die Einlage eines Intrauterin-

pessars besteht,nach 4Monaten ist das Infektionsrisiko gleich

dem Risiko von Diabetikerinnen ohne Intrauterinpessar.

Auffallend ist,dass bei Frauen mit Kupfer-IUP schwerere In-

fektionen zu beobachten sind als bei Einlage eines Hormon-

pessars

(Leitlinie DGGG, 2004, Weiss u. Wagner, 2003)

. Als

mögliche Erklärung wird von den Autoren angegeben, dass

die Kupferionen entgegen früherer Annahme nicht bakteri-

zid sind und der durch Levonorgestrel verdickte Zervix-

schleim die Aszension von Keimen erschwert.

In den Empfehlungen zur Einlage des IUP wird festgelegt,

dass die Einlage und Entfernung eines IUP während der

Menstruation erfolgen sollte. Für die Einlage ist ein zweizei-

tiges Vorgehen zu empfehlen

(Feige et al., 2006; Hössli et al.,

2003; Diedrich, 2006, Gätje et al., 2006)

. Von den Autoren

wird als Vorteil der vaginalsonographischen Untersuchung

vor der Einlage eines IUP erläutert, dass mögliche Kontrain-

dikationen gegen eine IUP-Einlage bereits imVorfeld erfasst

werden können. Komplikationen wie Dislokation, Perfora-

tion und Expulsion treten seltener auf, wenn zuvor Uterus-

anomalien oder ein Uterus myomatosus ausgeschlossen

worden sind und wenn die Uteruslage bestimmt werden

konnte.Anlässlich der sonographischen Kontrolle vor Einla-

ge eines IUP lässt sich auch ein noch liegendes Pessar iden-

tifizieren, das der Patientin selber nicht mehr bewusst ist.

Im ersten der dargestellten Begutachtungsfälle bestanden

erhebliche sprachliche Kommunikationsprobleme. Ana-

mnestisch war eine vorausgegangene IUP-Einlage nicht zu

eruieren. Anlässlich der Erstuntersuchung mit gynäkologi-

scher Untersuchung und Nativzytologie, PAP-Abstrich,

wurden dieWirkungsweise des Pessars und mögliche Folge-

erscheinungen mit der Patientin besprochen und der Auf-

klärungsbogen mit der Unterschrift der Patientin zum Ein-

verständnis der Einlage eines IUP ausgefertigt. Die Einlage

des IUP erfolgt während der kommenden Menstruation.

Um das Entzündungsrisiko so gering wie möglich zu halten,

muss das IUP unter streng aseptischen Kautelen eingelegt

werden.Der korrekte Sitz des IUPwird unmittelbar nach der

Insertion vaginalsonographisch überprüft. Die erste Kon-

trolluntersuchung erfolgt 6Wochen nach Insertion und wird

alle 6 Monate wiederholt. Die Liegezeit des Pessars richtet

sich nach der Zulassung, die im Beipackzettel angegeben ist.

In beiden hier besprochenen Begutachtungsfällen erfolgte

keine vorausgegangene vaginalsonographische Untersu-

chung zum Ausschluss eines möglicherweise noch liegen-

den IUP, sodass in Unkenntnis eines noch in situ belassenen

IUP ein zweites gelegt wurde. Auch bei der anschließenden

Lagekontrolle des neu gelegten IUP fiel das noch in utero

belassene IUP nicht auf, es wurde – wie dokumentiert – nur

der korrekte Sitz des neu gelegten IUP beschrieben. Die in

der Folgezeit aufgetretenen entzündlichen Komplikationen

waren aber als typisch bei länger liegendem IUP anzusehen

und nicht typisch für ein „Zweitpessar“.

Trotz des festzustellenden Behandlungsfehlers konnte im

zweiten Begutachtungsfall die Entstehung des Tuboovarial-

abszesses – eine mögliche Komplikation im Gefolge einer

IUP-Einlage–nicht unbedingt als Folge der Zweiteinlage an-

gesehen werden; sie hat sie jedoch möglicherweise begüns-

tigt.

Fazit

Bei den in beiden Fällen festgestellten Behandlungsfehlern

handelte es sich nicht um schwerwiegende Behandlungs-

fehler im Sinne der Rechtsprechung, weshalb eine Beweis-

lastumkehr ausscheidet. Ein schwerwiegender Behand-

lungsfehler wird nur bejaht, wenn der Arzt eindeutig gegen

bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gegen gesicher-

te medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler

begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständ-

lich erscheint, weil er einem Arzt dieser Fachrichtung

schlechterdings nicht unterlaufen darf

(BGH NJW 2004,

2011)

.

Für den zweiten Begutachtungsfall bedeutet dies, dass die

Patientin gemäß

§ 286 ZPO

(Strengbeweis) beweisen muss,

dass sich infolge des nicht entfernten länger liegenden IUP

die entzündliche Komplikation als Gesundheitsschaden ver-

wirklicht hat. Diesen Beweis kann sie nicht allein dadurch

führen, dass sie den Gesundheitsschaden als typische Folge

des Behandlungsfehlers darstellt, denn die Entstehung des

Tuoboovarialabszesses konnte nicht sicher als Folge der län-

geren Liegezeit des IUP oder als Folge der zweiten Einlage

angesehen werden.

Jörg Baltzer, Lutwin Beck und Lothar Jaeger

Literatur

[1] de Bruyne, F., T. Somville: Gutartige Erkrankungen des Corpus

uteri, in: Gutartige gynäkologische Erkrankungen, Hrsg. H.G.

Bender, 4. Auflage, Urban und Fischer, München - Jena, 2002

[2] Diedrich, K.: Gynäkologie und Geburtshilfe, Springer,

Berlin - Heidelberg - New York, 2006

[3] Feige, A.: Intrauterinpessar, in: Frauenheilkunde: Fortpflan-

zungsmedizin, Geburtsmedizin, Onkologie, Psychosomatik;

Hrsg. A. Feige, A. Rempen, W. Würfel, J. Jawny,

A. Rohde Elsevier, Urban und Fischer-Verlag, 2006

[4] Gätje, R, C. Sohn, A. Scharl, J. Heinrichs, S. Zangos, V. Jacobi, C.

Menzel, T. Diebold, J. Vogl: Apparative Diagnostik, in:

Gynäkologie, Hrsg. M. Kaufmann, S.D. Costa, A. Scharl, 2. voll-

ständig überarbeitete und aktualisierte Auflage, Springer,

Berlin - Heidelberg - New York, 2006

[5] Graf, M.: Aktuelle Methoden der Empfängnisverhütung, in:

Praxis der Gynäkologie und Geburtshilfe, Hrsg. J. Baltzer,

K. Friese, M. Graf, F. Wolff, Thieme, Stuttgart - New York, 2004

[6] Hössli, J., W. Holzgreve, S. Tercanli: Intrauterinpessare - IUP,

in: Ultraschall in Gynäkologie und Geburtshilfe, Hrsg. C. Sohn,

P.M. Baier, W. Holzgreve,S. Tercanli, 2003, Thieme, Stuttgart

[7] Wagner, H.: Intrauterine Kontrazeption – Vergangenheit,

Gegenwart, Zukunft Gynäkologe 31 (1998), 426–437

[8] Weiss, J.M., H. Wagner Intrauterine Kontrazeption, in:

Endokrinologie und Reproduktionsmedizin II, Hrsg. K. Diedrich,

4. Auflage, Urban und Fischer, München - Jena, 2003

Vermeidung der Doppeleinlage eines Intrauterinpessars