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Gutachtliche Entscheidungen
tin zu einer vermeidbaren achtwöchigen Leidenszeit ge-
führt. Der Vorwurf eines eindeutigen Diagnosefehlers musste
sowohl den am Verfahren beteiligten Ärzten der erstbehan-
delnden chirurgischen wie auch den weiterbehandelnden
Ärzten der Neurochirurgischen Klinik gemacht werden.
Fazit
Zwar wäre ein (einfacher) Diagnosefehler grundsätzlich
kein Behandlungsfehler. Das gilt aber nicht, wenn es sich
– wie hier – um einen schwerwiegenden Fehler handelt, der
sich gegebenenfalls zugleich als Befunderhebungsfehler er-
weist.
Schon die Ärzte der Chirurgischen Klinik stellten die falsche
Diagnose Bandscheibenvorfall LW3/4 und berücksichtigten
bei dieser Diagnose unter anderem nicht die skoliotische
Verbiegung der Lendenwirbelsäule. Zur weitergehenden
Diagnostik hätte Anlass bestanden, nachdem sich unter der
konservativen Behandlung keine Besserung einstellte.Diffe-
renzialdiagnostische Erwägungen hätten nahegelegen, weil
die Patientin extrem starke Schmerzen im linken Bein hat-
te, neurologische Defizite aber nicht festzustellen waren.
Hier war es eher fernliegend, an einen Bandscheibenvorfall
zu denken.
Die Ärzte der Neurochirurgischen Klinik schlossen sich der
falschen Diagnose Bandscheibenvorfall an, obwohl auch sie
keine nennenswerten neurologischen Defizite feststellten.
Sie hatten zwar offensichtliche Zweifel an der Diagnose
Bandscheibenvorfall, weshalb sie die MRT-Untersuchung
veranlassten, die aber keinen eindeutigen Befund ergab. Die
periradikuläre Therapie war diagnostisch nicht zielführend,
weil durch die Injektion des Lokalanästhetikums die
Schmerzleitung unterbrochen wurde. Auch hier fehlten dif-
ferenzialdiagnostische Erwägungen, erst recht, nachdem
sich durch die fehlerhafte Operation herausgestellt hatte,
dass ein Bandscheibenvorfall gerade nicht vorlag.
In jedem Fall hätten weitere Befunde erhoben werden müs-
sen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die (zutref-
fende) Diagnose der Oberschenkelhalsfraktur ergeben hät-
ten. Die festzustellenden schwerwiegenden Diagnosefehler
begründen aus folgenden rechtlichen Gründen eine Haf-
tung der beteiligten Kliniken: Da es sich um sogenannte Be-
funderhebungsfehler handelt, kommt es zur Umkehr der
Beweislast, weil dringend gebotene weitere klinische oder
radiologische Untersuchungen der Extremität jedenfalls mit
überwiegenderWahrscheinlichkeit die zutreffende Diagno-
se ergeben hätten. In diesem Fall wäre die Nichtreaktion auf
den Befund einer Oberschenkelfraktur ein grober Behand-
lungsfehler, der zur Umkehr der Beweislast führt. Das be-
deutet, dass die Behandlungsseite darlegen und beweisen
müsste, dass der Krankheitsverlauf ohne die Behandlungs-
fehler identisch gewesen wäre, ein Nachweis, der hier nicht
geführt werden kann.
Michael Schirmer und Lothar Jaeger
Die verkannte Oberschenkelhalsfraktur