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ußball kann grausam sein.
Stellen Sie sich vor, Sie
schießen das Tor Ihres
Lebens – und der Schiri
pfeift vorher ab. Ich war nie ein
Strafraum-Stürmer wie Bernd
Hobsch oder Bruno Labbadia, ei-
gentlich bin ich immer nur ‚un-
diszipliniert‘ vors gegnerische Tor
gelaufen. Zu Beginn der Saison
1996/1997 hatte ich aber einen
Glanzmoment. Wir spielten zu
Hause gegen den FC Bayern, ein
Duell, das ohnehin immer beson-
ders aufgeladen war. Ich setzte zu
einem Fallrückzieher an, erwisch-
te den Ball perfekt und hämmerte
ihn unter die Latte. Ich konnte es
selbst kaum glauben, noch ver-
wunderter war ich aber, als der
Unparteiische auf ‚gefährliches
Spiel‘ entschied. Das ‚Beweisfoto‘
zeigt eindeutig: Bayern-Verteidi-
ger Oliver Kreuzer stand mindes-
tens zwei Meter entfernt. Gott sei
Dank haben wir 3:0 gewonnen,
das war am Ende das Wichtigste.
Dieses ‚Traumtor‘
blieb mir zwar
verwehrt, glücklicherweise sind
im Lauf meiner Karriere aber
trotzdem ein paar Treffer zu-
sammengekommen. Ein einziges
Mal, in meinem 300. Bundesliga-
Spiel beim VfL Wolfsburg
(7:2-
Sieg in der Saison 1999/2000,
Anm. d. Red.),
gelangen mir
sogar drei Tore in einer Partie.
Wolfsburg war ein gutes Pflas-
ter für mich, dort habe ich fast
immer getroffen. Woran das
lag, kann ich nicht genau sagen.
Mein Geburtsort Osterode ist
nicht allzu weit entfernt, es wa-
ren also fast immer Familie und
Freunde im Stadion. Vielleicht
hat mich das zusätzlich moti-
viert. Bewusst wahrgenommen
habe ich das allerdings nie, für
mich bleibt dieses Phänomen
eher ein Mysterium.
Damals gehörte ich
schon zu den
‚alten Hasen‘, ich erinnere mich
aber auch noch gut an meine
Anfänge in Bremen. Zunächst
spielte ich für die Amateurmann-
schaft. Bei den Profis trainierte
ich etwa zweimal pro Woche mit.
Viel mehr Zeit blieb nicht, paral-
lel absolvierte ich meinen Zivil-
dienst in einem Altenheim. Als
sich Karl-Heinz Riedle und Frank
Neubarth zu Beginn der Saison
1989/1990 verletzten, fand ich
mich plötzlich in der Bundesliga
wieder. Am zweiten Spieltag ge-
gen Fortuna Düsseldorf wurde
ich in der Schlussphase einge-
wechselt. Nervös war ich komi-
scherweise nicht – das war ein
Stück weit immer meine Stärke.
Eine Ausnahme
gab es allerdings:
Elfmeterschießen. Dieser ‚Show-
down‘ gehörte wirklich nicht
zu meinen Lieblingsdingen. Im
DFB-Pokal-Finale 1991 habe ich
dankend verzichtet. Später, im
Halbfinale der Europameister-
schaft 1996, bin ich dem Elfme-
terschießen nur um Haaresbreite
entkommen. Hätten Englands
Gareth Southgate und Andreas
Möller nicht für die Entschei-
dung gesorgt, wäre ich der
nächste Schütze gewesen. Ich
bin noch heute dankbar, dass es
nicht soweit kam. Trotzdem hat
mit diesem Spiel ein Umdenken
eingesetzt. Ich habe mir gesagt:
Statt lange zu warten und im-
mer nervöser zu werden, ist es
doch besser, möglichst früh zu
schießen. Im Pokal-Finale 1999
bin ich deshalb als Erster ange-
treten. Auch deshalb war der
99er-Titel der schönste meiner
drei Pokalsiege. Zum Erreichen
des Endspiels hatte ich übrigens
auch meinen Teil beigetragen.
Im Halbfinale schoss ich den
1:0-Siegtreffer – in Wolfsburg.“
Aufgezeichnet von Jörn Lange
„Wolfsburg war ein
gutes Pflaster“
Werder-Idole
erinnern sich an ihre größten Spiele in grün-weiß.
Heute: Marco Bode über Lieblingsgegner, aberkannte
Traumtore und die Angst vorm Elfmeter.
Fotos: imago, picture-alliance
Das ‚Beweisfoto‘
Dieser Fall-
rückzieher von Marco Bode
wurde vom Referee als ‚ge-
fährliches Spiel‘ bewertet. In
Partien gegen den Wolfsburg
(kleines Foto) traf der Werder-
Profi dafür mehrfach.
1989
Marco Bode als junger
Werder-Spieler.
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