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158

Gutachtliche Entscheidungen

Brust sei nach präoperativer Drahtmarkierung und vorheri-

ger MRT-Diagnose zum Ausschluss von Zweitherden in der

Brust zu Recht die Gewebeentnahme vorgenommen wor-

den, wobei der gesamte umgebende Gewebebezirk zu ent-

fernen gewesen sei. Nach präoperativer nuklearmedizini-

scher Markierung sei die Entnahme des Sentinel-Lymph-

knotens erfolgt. Als sich am Schnellschnitt des Lymphkno-

tens kein Hinweis für maligne Veränderungen ergeben ha-

be, habe auf weitere operative Maßnahmen im Bereich der

Axilla verzichtet werden können.

Das gesamte ärztliche Verhalten in Diagnostik und Behand-

lung sei sachgerecht und nicht zu beanstanden gewesen.

Dennoch stehe fest, dass es für die Mammatumorexstirpati-

on und Lymphknotenentfernung keinen medizinischen

Grund gegeben habe und deshalb ein ärztliches Fehlverhal-

ten vorliege. Ob die dem Fehlverhalten zugrunde liegende

Verwechselung der Präparate allerdings dem Klinikarzt

oder den Pathologen anzulasten sei, sei mit den Mitteln der

Gutachterkommission nicht aufzuklären. Es sei nämlich

auch kein den Pathologen zuzurechnendes konkretes Fehl-

verhalten feststellbar. Eine Verletzung der Pflicht zur Aufbe-

wahrung der Probengefäße könne nicht vorgeworfen wer-

den, weil es keine Vorschriften oder Standards gebe, die ei-

ner raschen Entsorgung der Gefäße entgegenstünden. Es ge-

be auch keine Hinweise dafür, dass die Probengefäße erst

nach der Entdeckung der Verwechselung vernichtet worden

seien, sodass auch eine Verletzung der Befundsicherungs-

pflicht nicht in Betracht komme.Wo es in den Arbeitsabläu-

fen der Klinik oder des Pathologischen Instituts einen Feh-

ler gegeben habe, sei mit den Mitteln der Gutachterkommis-

sion, die nach ihrem Statut keinen Beweis durch Verneh-

mung von Zeugen oder Beteiligten erheben dürfe, nicht fest-

stellbar.

In die Entscheidungsfindung ist schließlich auch einbezo-

gen worden, dass Ansatzpunkte für eine Umkehr der Be-

weislast nicht vorlagen. Insbesondere konnte entgegen der

Ansicht der Antragstellerin der Fehler nicht als schwerwie-

gender (grober) Behandlungsfehler bewertet werden. Eine

beweisrechtlich günstigere Position der Antragstellerin ließ

sich auch nicht aus Dokumentationsmängeln herleiten. Die

ärztliche Dokumentationspflicht umfasst nicht die lücken-

lose und nachvollziehbare Dokumentation aller Arbeitsvor-

gänge in Praxis und Klinik oder Pathologie. Schließlich war

eine gesamtschuldnerische Haftung der beidenArztgruppen

(Klinikarzt einerseits und Pathologen anderseits) nicht zu

begründen, weil die Voraussetzungen der allein in Betracht

kommenden Vorschrift des

§ 830 Abs. 1 S. 2 BGB

nicht vorla-

gen. Nach dieser Bestimmung ist für einen durch eine ge-

meinschaftlich begangene unerlaubte Handlung verursach-

ten Schaden jeder Beteiligte auch dann verantwortlich,

wenn sich nicht ermitteln lässt, wer von mehreren Beteilig-

ten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat. Die

Ärzte konnten nicht als „Beteiligte“ im Sinne dieser Vor-

schrift angesehen werden.Voraussetzung nach dieser Norm

ist, dass der Tatbeitrag jedes einzelnen zu einer rechtswidri-

gen Gefährdung der Schutzsphäre des Betroffenen geführt

hat und zur Herbeiführung der Verletzung geeignet war.

Die Vorschrift überbrückt nicht den Zweifel darüber, ob

dem in Anspruch genommenen Arzt überhaupt eine rechts-

widrige Handlung oder wie hier – ein Behandlungsfehler –

zur Last gelegt werden kann

(vgl. BGH NJW 1989, 2943,

2944)

. Um diesen von der Vorschrift nicht gedeckten Zwei-

fel geht es aber, denn es steht nicht fest, dass einem oder je-

dem der Ärzte die Verwechselung der Präparate angelastet

werden kann.

So musste denn der gutachtliche Bescheid zu dem Ergebnis

gelangen, dass zwar ein den Ärzten anzurechnendes Fehl-

verhalten durch Verwechselung der Präparate vorliegt, sich

jedoch nicht feststellen lässt, ob der Fehler dem Klinikarzt

oder den Pathologen als Behandlungsfehler anzulasten ist.

Kommissionsentscheidung

Die Antragstellerin hat von der ihr im Statut der Gutachter-

kommission eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht

und eine Entscheidung durch die Gutachterkommission be-

antragt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, ihre Behand-

lung sei im Zusammenwirken der Ärzte durchgeführt wor-

den. Es könne nicht ihre Aufgabe sein herauszufinden, wer

für die Verwechselung der Präparate verantwortlich sei.

Bei der Vorbereitung ihrer Entscheidung hat die Gutachter-

kommission die Vertragsbeziehungen der Beteiligten in den

Blick genommen, sich von dem Träger des Krankenhauses

den mit der Antragstellerin für die stationäre Behandlung

geschlossenen Krankenhausvertrag vorlegen lassen und

Auskünfte zu den vertraglichen Beziehungen zwischen dem

Träger des Krankenhauses und dem Pathologischen Institut

und zur Abrechnung der von diesem erbrachten Leistungen

eingeholt. Auf dieser Grundlage ist die Gutachterkommissi-

on zu dem Ergebnis gelangt, dass der gutachtliche Bescheid

abzuändern und festzustellen sei, dass der Träger des

Krankenhauses für den Behandlungsfehler hafte.

Aufgrund der erteilten Auskunft und der übersandten Un-

terlagen war davon auszugehen, dass die Antragstellerin für

ihre stationäre Behandlung mit dem Träger des Kranken-

hauses einen sog. totalen Krankenhausvertrag abgeschlos-

sen hatte und als Kassenpatientin behandelt worden war. In

Erfüllung der dem Krankenhaus aufgrund dieses Vertrages

obliegenden Pflicht zur Behandlung nach dem Stand der

medizinischen Wissenschaft sei das Pathologische Institut

von dem Krankenhaus im Rahmen einer von dem Kranken-

haus als „Untersuchung in fremdem Unternehmen“ be-

zeichneten Maßnahme beauftragt worden, wobei die ent-

standenen Kosten von dem Pathologischen Institut mit dem

Krankenhausträger ohne Einschaltung der Antragstellerin

abgerechnet worden seien. Bei dieser Sachlage sei vom Zu-

standekommen eines Vertrages zur Durchführung der histo-

logischen Untersuchung der bei der Antragstellerin vorge-

nommenen Biopsie zwischen dem Krankenhausträger und

dem Pathologischen Institut auszugehen.

Die Gutachterkommission hat weiter ausgeführt, es werde

nicht übersehen,dass in der Rechtsprechung in Fällen, in de-

nen Krankenhausträger frei praktizierende, niedergelassene

Ärzte in die Krankenhausbehandlung einbezögen, die mit

der Krankenkasse oder dem Patienten selbst abrechneten, in

der Regel von der Begründung eines Behandlungsvertrages

zwischen dem herangezogenenArzt und dem Patienten aus-

gegangen werde, wobei letzterer von dem Klinikträger ver-

treten werde

(vgl. BGH NJW1992, 2962; NJW1999, 2731)

. Die

im vorliegenden Fall gegebene Beurteilung rechtfertige sich

Die vertauschte Gewebeprobe