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Die Kenntnis, dass bei intraartikulären Injektionen mit Corti-

coiden eine erhöhte Infektionsgefahr besteht, führte schon

1978 zu einer warnenden Mitteilung

(Rheinisches Ärzteblatt

11/1978, ergänzt in Rheinisches Ärzteblatt 8/1979)

der nord-

rheinischen Gutachterkommission für ärztliche Behand-

lungsfehler, der entnommen wird: Die Ärzteschaft ist davon

in Kenntnis zu setzen, dass künftig solche Injektionen als Be-

handlungsfehler anerkannt werden müssten, die nicht streng

indiziert waren und nicht unter aseptischen Bedingungen

durchgeführt wurden.

Aus gleichemGrund,nämlich umdie Infektionsrate nach intra-

artikulären Injektionen zu senken, entstand (nachdem dies

1983 ein Hauptthema auf einemOrthopädenkongress war) ei-

ne der ersten Leitlinien (Intraartikuläre Punktionen und In-

jektionen), die seither in wachsender Zusammenarbeit

(DGOOC, BVOU, Arbeitskreis für Krankenhaushygiene) er-

weitert und präzisiert wurde. Auch wenn der prozentuale

Anteil von septischen Komplikationen nach Injektionen mit

Corticoiden,gemessen an der Häufigkeit der jedenTag durch-

geführten Injektionen, sehr gering ist (Angaben von 1:20.000

bis 1:35.000), so sind mitunter die eingetretenen Komplika-

tionen schwerwiegend und in Einzelfällen tödlich verlaufend.

Im Folgenden sei ein solcher Fall beschrieben, aus dem sich

mehrere Fragestellungen ergeben.

Sachverhalt

Eine 74 Jahre alte Frau, die seit neun Jahren in der belasteten

neurochirurgischen Praxis behandelt wurde, stellte sich 2008

vor mit Klagen über Schmerzen im Rücken mit Ausstrahlun-

gen an derRückseite derBeine ohne Gefühlsstörungen imSte-

hen und Liegen, verbunden mit Krämpfen in den Füßen. Sie

nahm Diclofenac.Von einem 1999 angefertigten CT der LWS

waren ausgeprägte Wirbelgelenkveränderungen bekannt.

Einverständniserklärungen lagen vor für Facettenblockaden,

Facettendenervierung und Sacralblockaden. In allen drei Er-

klärungen sind als mögliche Behandlungskomplikationen

auch Infektionen genannt.

Es erfolgten innerhalb von vier Tagen drei sacrale Blockaden.

Fünf Wochen später wurden wegen ähnlicher Beschwerden

innerhalb von neun Tagen vier Blockaden L3-S1 bds durchge-

führt, einmal erfolgte dabei zusätzlich eine Injektion ins

Kreuzdarmbeingelenk.

Ein zu Beginn der zweiten Injektionsserie an denHausarzt er-

gehender Brief nennt als Diagnosen ein „Chronisches LWS-

Schmerzsyndrom bei Facettenarthrosen, Spinalkanalstenose

L4/L5, Protr.“. Es wird ein unauffälliger neurologischer Be-

fund erwähnt,einziger dokumentierter klinischer Befundwar

eine steile fixierte LWS. Als weitere Behandlung war eine

Thermosonde zur Denervierung vorgesehen.

Zwei Tage nach der letzten Injektion wurde eine stationäre

Behandlung erforderlich wegen Abszedierungen im Wirbel-

kanal, in der rechtsseitigen Lendenstreckmuskulatur und im

rechtsseitigen Psoasmuskel. Drei Operationen wurden erfor-

derlich, das Infektionsgeschehen konnte beherrscht werden,

eine Paraparese beider Beine besserte sich während des An-

schlussheilverfahrens.

Die Injektionen erfolgten mit einer Mischung aus 5 ml Scan-

dicain 1%ig plus 20 mg Triamcinolon für jeweils drei Facetten-

gelenke und die Sacralblockade mit 10 ml Scandicain 0,5%ig

plus 10 ml NaCl plus 20 mg Triamcinolon. Die belasteten

Ärzte gaben an, die Injektionen jeweils nach vorgeschriebe-

ner Desinfektion mit sterilen Handschuhen vorgenommen zu

haben.

Ihrer Stellungnahme und einer ergänzend eingeholten Aus-

kunft ließ sich nicht entnehmen, ob bei einer doppelseitigen

Facettengelenkbehandlung jeweils 20 mg Triamcinolon, also

insgesamt jeweils 40 mg insgesamt in einer Sitzung verwandt

wurden. Ob ein Kanülenwechsel erfolgte, wurde nicht präzi-

siert. Den Unterlagen war weiterhin nicht zu entnehmen,

welche sonstigen Behandlungen vorangehend erfolgt waren.

Gutachtliche Würdigung

In der Beurteilung ging die Gutachterkommission davon aus,

dass die Infektion durch eine oder mehrere Injektionen wäh-

rend der letzten Serie entstand. Erreger war ein Staphylo-

coccus aureus. Die Kommission führte aus, dass sich auch bei

Beachtung aller Kautelen eines aseptischen Vorgehens Infek-

tionen nie vollständig vermeiden lassen, und dass sich dieses

Risiko, über das aufgeklärt worden sei, hier verwirklicht ha-

be. Den belasteten Ärzten musste aber vorgehalten werden,

die Gefahr einer Infektion durch Applikation von Cortico-

steroiden in zu kurzen Abständen an jeweils gleichen Orten

gefördert zu haben.

Die Antragstellerin hatte in diesem Fall die Aufklärung nicht

beanstandet. Die belasteten Ärzte hatten folgenden Text un-

terschreiben lassen: Zur Behandlung wird eine lokale Betäu-

bung in die Wirbelgelenke gespritzt. Komplikationen sind

Unverträglichkeiten, kurzfristiges Lähmungsgefühl in den

Extremitäten, Infektion, Bluterguss. Die gleichzeitige Injek-

tion eines Corticosteroids ist nicht genannt. In der Stellung-

nahme wurden die Injektionen als Facettengelenkblockaden

bezeichnet.

Resümee

Fälle wie der hier geschilderte mögen im Vergleich zur Ge-

samtzahl täglich erfolgender ähnlicher Behandlungen sehr

selten sein, aber es werden (auch im Fallmaterial der Gutach-

terkommissionen) noch weitaus ungünstigere Verläufe beob-

achtet bis hin zu Todesfällen durch septische Komplikatio-

nen.Es ist zu fragen,ob nicht (dies auch aufgrund zahlreicher

Publikationen) für die Injektionen in Nähe derWirbelsäule in

der Indikationsstellung engere Grenzen zu ziehen sind,ob die

Hinweise zur lokalen Anwendung von Corticosteroiden nicht

strenger zu beachten sind und ob an das Vorgehen bezüglich

Gutachtliche Entscheidungen

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Behandlungskomplikationen durch Injektionen

Beurteilung von Behandlungskomplikationen durch Injektionen nur mit Corticoiden

oder mit einer Medikamentenmischung, die Corticoide enthält