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Erkrankungen und Verletzungen der Hand betrafen in den

letzten Jahren sechs Prozent aller Verfahren der Gutachter-

kommission für ärztliche Behandlungsfehler bei der Ärzte-

kammer Nordrhein. Die Behandlungsfehlerquote (BF) lag

für die nun aktuell vorliegende Auswertung der Jahre 2006

bis 2010 mit 39,1 Prozent (2004–2008: 41,7 Prozent) weiter

über dem langjährigen Durchschnitt von etwa einem Drittel

(Brüser, Peter: Behandlungsfehler in der Handchirurgie, in:

Handchir Mikrochir Plast Chir 2011; 43: 9–14)

. Bei gut zwei

Prozent der Patienten lagen degenerative Erkrankungen der

Hand vor.

Am häufigsten wurde (in 0,6 Prozent der ausgewerteten

Verfahren) eine unzureichende Operation eines Karpaltun-

nelsyndroms vorgeworfen. Behandlungsfehler wurden in

den vergangenen fünf Jahren bei 20 von 41 klageführenden

Patienten festgestellt (BF-Quote 48,8 Prozent; 2004–2008

39,5 Prozent). Häufigster Einzelfehler war in zehn Fällen ei-

ne (Teil)-Durchtrennung des N. medianus

(siehe Tabelle 1)

.

Bei drei Patienten wurde behandlungsfehlerhaft der

N. ulnaris (zweimal auch die A. ulnaris) durchtrennt. Der

nachfolgend geschilderte Fall soll exemplarisch den opera-

tiven Fehler aufzeigen, der hierzu führte und bei der betrof-

fenen Patientin für die erforderlichen Revisionsoperationen

verantwortlich war.

Sachverhalt

Unter der Diagnose eines Karpaltunnelsyndroms links, die

neurologisch bestätigt worden war, stellte sich die Patientin

am 18. Dezember bei dem belasteten Chirurgen ambulant

vor. Sie klagte über Missempfindungen im Bereich der Fin-

ger II bis IV links; die neurographische Untersuchung hatte

eine motorische Latenz des N. medianus von 5,0 ms erge-

ben. Die sensible orthodrom gemessene Nervenleitge-

schwindigkeit des N. medianus betrug 43 ms. Den Ambu-

lanzunterlagen war zu entnehmen, dass am gleichen Tag ein

ausführliches Therapiegespräch bezüglich der Operation

des Karpaltunnelsyndroms geführt wurde.

Am 17. Januar wurde der operative Eingriff in Blutleere

durchgeführt. Hierbei entstand intraoperativ eine starke

Blutung mit danach unübersichtlichen Verhältnissen im

Operationsgebiet,weshalb der Eingriff nach Blutstillung be-

endet wurde. Der postoperative Befund wurde bis auf ein

Taubheitsgefühl D V links als regelrecht beschrieben. Eine

kontrollneurographische Untersuchung der Nn. medianus

und ulnaris am 6.2. ergab eine distale N. ulnaris-Läsion

links. Die operative Revision wurde empfohlen.

Auf Veranlassung des belasteten Arztes stellte sich die Pa-

tientin am 11. Februar in der ambulanten Sprechstunde ei-

ner Klinik für Handchirurgie vor. Hier wurden – bei patho-

logischem Allen-Test als Hinweis auf eine Verletzung der

A. ulnaris – Sensibilitätsstörungen am Ring- und Kleinfinger

sowie eine Krallenfehlstellung festgestellt und die operative

Revision für den 15. Februar geplant. Hierbei fanden sich

eine Durchtrennung der A. ulnaris in Höhe des Kleinfinger-

ballens sowie eine Defektverletzung des N. ulnaris, die auf-

grund einer notwendig werdenden Nerventransplantation

erst sekundär versorgt werden sollte. Die A. ulnaris wurde

mikrochirurgisch genäht. Gleichzeitig erfolgte eine Dekom-

pression des N. medianus. Der postoperative Verlauf gestal-

tete sich komplikationslos. Ein Termin zur sekundären

Nerventransplantation wurde festgelegt.

Beurteilung

Bei korrekter Diagnose eines Karpaltunnelsyndroms links

war der operative Eingriff sachgerecht indiziert. Den Ambu-

lanzunterlagen der nachbehandelnden handchirurgischen

Klinik war ein untypischer stärker ulnarseitiger Verlauf der

Operationsnarbe zu entnehmen. Im Operationsbericht wur-

de beschrieben, dass die Inzision weit ulnarseits des Karpal-

kanals erfolgte. Anstelle der geplanten Durchtrennung des

Retinaculum flexorum und der Neurolyse des N. medianus

wurden irrtümlich die Loge de Guyon eröffnet und die A. ul-

naris sowie der N. ulnaris durchtrennt. Anteile des N. ulnaris

wurden hierbei offenkundig reseziert, sodass eine Defekt-

verletzung entstand. Diese Verletzung des ulnaren Gefäß-

Nervenbündels wurde nicht erkannt und nach der Blutstil-

lung die Wunde lediglich verschlossen.

Sowohl die irrtümliche Durchtrennung des ulnaren Gefäß-

Nervenbündels als auch deren Verkennung sowie die unter-

bliebene Dekompression des N. medianus im Karpaltunnel

waren als vorwerfbar fehlerhaft zu bewerten. Der hierdurch

verursachte Gesundheitsschaden bestand in der Notwendig-

keit einer Revisionsoperation mit Gefäßnaht und einer se-

kundären Nerventransplantation.

Peter Brüser, Beate Weber und Ulrich Smentkowski

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Gutachtliche Entscheidungen

Operation eines Karpaltunnelsyndroms

Tabelle 1: Festgestellte Fehler bei der operativen Behandlung

eines Karpaltunnelsyndromes

1.1.2006–31.12.2010

Fehler

bejaht

Karpaltunneloperation (n=41)

20

Festgestellte Einzelfehler*

(Teil)-Durchtrennung des N. medianus

10

Inkomplette Spaltung

5

Mangelnde präoperative Befunderhebung

5

Postoperative Fehler

4

Falscher OP-Zugang mit Durchtrennung des N. ulnaris

3

* Mehrfachnennung