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Gutachtliche Entscheidungen

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Die Gutachterkommission bei der Ärztekammer Nordrhein

hat sich bereits mehrfach mit dem Problem der Einlage ei-

nes zweiten Intrauterinpessars (IUP) bei noch liegendem,

nicht bekanntem IUP und den sich hieraus ergebenden Fol-

gen beschäftigt. Anhand zweier exemplarisch aufgeführter

Kasuistiken wird nachfolgend dargelegt, wie sich ein mög-

licher Behandlungsfehlervorwurf vermeiden lassen kann.

Fall 1

27-jährige Patientin, keine Auffälligkeiten in der Vorge-

schichte bzw. Risikofaktoren bekannt. Einlage eines Intra-

uterinpessars (IUP) mit anschließender Ultraschallkontrolle,

die den korrekten Sitz bestätigt (2005). Verdacht auf Endo-

metritis bei liegendem IUP (2007).Wegen zunehmender Be-

schwerden stationäre Aufnahme (2007) unter der Diagnose

Adnexitis bei liegendem Pessar. Therapie: Entfernung von

zwei IUPs, fraktionierte Abrasio und Laparoskopie mit Ab-

strichentnahme und Fortsetzung antibiotischer Behandlung.

Fall 2

25-jährige Patientin,wegen inkompletter Fehlgeburt bei dis-

loziertem IUP stationäre Behandlung mit Pessarentfernung

und Kürettage (2002). Erneute Einlage eines IUP mit an-

schließend überprüftem korrekten Sitz (2003). IUP-Wech-

sel 2006 ebenfalls mit sonographischer Überprüfung auf

korrekten Sitz. Stationäre Behandlung in chirurgischer Ab-

teilung wegen Appendizitis. Es erfolgte die Appendektomie.

Bei Fortbestehen der Beschwerden erneute stationäre Auf-

nahme (gynäkologische Abteilung). Dort IUP-Entfernung

und antibiotische Behandlung. Trotz dieser Maßnahmen

keine Beschwerdebesserung, deshalb diagnostische Laparo-

skopie mit Spaltung eines Tuboovarialabszesses und Ovarial-

zystenentfernung. Fraktionierte Kürettage und Entfernung

eines weiteren IUP; Fortsetzung der antibiotischen Therapie.

In beiden Fällen hatte sich die Patientin mit demVorwurf ei-

ner fehlerhaften Behandlung an die Gutachterkommission

gewandt und um gutachterliche Überprüfung gebeten.

Bewertung

Diese gelangte in beiden Fällen zu der Bewertung, dass die

aufgetretenen entzündlichen Komplikationen zwar in Zu-

sammenhang mit der intrauterinen Kontrazeption stehen,

weil die Aszension als typische Komplikation dieser kontra-

zeptiven Maßnahme zu bewerten ist. Die Einlage eines

zweiten Pessars bei noch liegendem IUP konnte dennoch

nicht als auslösende Ursache für die aufgetretenen Kompli-

kationen angesehen werden.

Den behandelnden Ärzten war ein Behandlungsfehler vor-

zuwerfen, weil in beiden Fällen vor dem Wechsel des IUP

keine vaginalsonographische Untersuchung zum Aus-

schluss eines möglicherweise noch liegenden IUPs vorge-

nommen wurde. Das Unterlassen dieser Untersuchung stellt

einen Befunderhebungsfehler dar, der die Frage auslöst,wel-

ches Ergebnis eine entsprechende Untersuchung ergeben

hätte. Wäre vor der Einlage des IUPs eine vaginalsonogra-

phische Untersuchung erfolgt, wäre das liegende IUP ent-

deckt und entfernt worden.

Der Befunderhebungsfehler war den belasteten Ärzten

ebenso vorzuwerfen wie die Tatsache, dass sie bei der Kon-

trolle der (korrekten) Lage des neuen IUP das in utero be-

lassene IUP nicht gesehen haben.

Diese Behandlungsfehler, die nicht als schwerwiegend an-

zusehen waren, führten jedoch nicht zu einer Haftung der

belasteten Ärzte,weil die entzündlichen Komplikationen im

Gefolge der intrauterinen Kontrazeption auftraten und nicht

als typische Folge der Zweiteinlage eines IUP in Unkenntnis

eines noch liegenden Pessars zu bewerten waren. Die Be-

handlungsfehler haben also in beiden Fällen nicht zu einem

Schaden geführt.

Zur Vermeidung eines derartigen – jeden Arzt belastenden –

Behandlungsfehlervorwurfs dienen die folgenden Ausfüh-

rungen:

Schon im Übersichtsbeitrag zum Thema „Intrauterine Kon-

trazeption – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“

(Wagner, 1998)

wurde festgestellt, dass die Einlage eines In-

trauterinpessars eine sichere Kontrazeptionsmethode mit

geringem Morbiditätsrisiko darstellt. Prinzipiell werden die

inerten Kunststoffpessare ohne Zusatz von den Spiralen mit

Kupferwicklung bzw. Gestagenzusatz unterschieden, wobei

die beiden letztgenannten Spiralen die größte Verbreitung

gefunden haben. Entsprechend den Auswahlkriterien der

Empfehlungen des Arbeitskreises „Intrauterinpessar“ muss

das Pessar in Form und Größe dem Cavum uteri angepasst

sein, entsprechend der vaginalsonographischen Messung.

Voraussetzung für die Einlage eines IUP ist, dass ana-

mnestisch keine chronisch rezidivierenden Entzündungen

bekannt sind. Bei der Auswahl des IUP-Typs ist zu be-

rücksichtigen, dass IUPs mit Gestagenzusatz bei Neigung zu

der Kupferspirale zu geben ist. Als Kontraindikation gelten

ausgeprägte Form- oder Lageanomalien des Uterus, akute

oder chronische Infektionen, eine aktuell durchgeführte

Antikoagulanzientherapie sowie – bei Einlage eines Kupfer-

IUP – eine bekannte Kupferallergie

(Graf, 2004)

.

Als typische unerwünschte Nebenwirkung eines Pessars

werden Schmerzen, Blutungsstörungen und Genitalinfek-

tionen beschrieben. Bei IUP-Anwendung ist mit einem 3 – 4-

fach höheren Risiko einer aufsteigenden Genitalinfektion

zu rechnen

(de Bruyne u. Somville, 2002)

. Auf dieses mög-

liche Risiko geht auch die Empfehlung zur Kontrazeption

bei Frauen mit Typ 1- und Typ 2-Diabetes mellitus ein

(Leit-

linie DGGG, 2004)

. Unter dem Aspekt des erhöhten Infek-

tionsrisikos wurde bei Diabetikerinnen über lange Zeit von

der Einlage eines Pessars Abstand genommen. Die hohe Rate

an Infektionen wurde vornehmlich bei wirkstofffreien IUP

registriert. Heute gebräuchliche Pessare führen in einemweit

geringeren Ausmaß zur Infektion. In der genannten Leitli-

Vermeidung der Doppeleinlage eines Intrauterinpessars

Hypermenorrhoe und Dysmenorrhoe der Vorzug gegenüber