

stände: Dauerpflegebedürftigkeit in Spezialklinik, Spastik,
Paraplegie, Luftröhrenschnitt mit Sprachstörung, Dauer-
schmerzen.
2. Behandlung durch die Hausärztin
(Antragsgegnerin zu II.)
Sie untersuchte die Antragstellerin erstmals am 14. April, al-
so mehr als 30 Stunden nach der Erstuntersuchung. Die Pa-
tientin berichtete über diese Untersuchung und die Diagno-
se eines Migräneanfalls.Ärztliche Unterlagen hierüber lagen
der Internistin nicht vor. Die Antragstellerin klagte über
Nackenschmerzen, fühlte sich aber „insgesamt besser“. Die
körperliche Untersuchung war unauffällig, ebenso bei Wie-
dervorstellung am 16. April. Es wurde vermerkt: „Zu Hause
gar nichts mehr, jetzt wieder mehr (Schmerzen?) nach dem
Laufen.“
Am 18. April stellte die Ärztin einen lokalen Druckschmerz
zervikal links paravertebral und einen unauffälligen neuro-
logischen Befund fest. Am 22. April war die Antragstellerin
bei einem Telefonkonsil „fast wieder beschwerdefrei“. Am
29. April wurden „immer noch Schmerzen HWS (Halswir-
belsäule)“ dokumentiert, was zu einer Überweisung zum
Orthopäden führte.
Die Hausärztin hat die Antragstellerin sorgfältig untersucht
und ist auf die Beschwerden der Kranken durch entspre-
chende Medikation eingegangen.Mit Klagen über Kopf- und
Rückenschmerzen werden niedergelassene Ärzte nahezu
täglich konfrontiert. Die Klagen und die Symptome sowie
der Untersuchungsbefund der Antragstellerin konnten
durchaus einem Folgezustand nach einem durch ein Zervi-
kalsyndrom ausgelösten Kopfschmerz entsprechen, zumal
die Antragstellerin über die vorausgegangene Untersuchung
im Krankenhaus am 13.April und die dabei gestellte Diagno-
se (zervikale) Migräne berichtete.
Bei der Erstuntersuchung lag nicht mehr ein akuter Kopf-
schmerz vor, sondern ein bereits deutlich gebesserter Zu-
stand. Auch der weitere Verlauf mit allmählicher Besserung
der Beschwerden bot keine eindeutigen Hinweise auf das
Vorliegen einer SAB, sodass unmittelbare weitere diagnosti-
sche Maßnahmen nicht zwingend erforderlich waren.
Deshalb ist hier kein Vorwurf eines Behandlungsfehlers zu
machen.
3. Behandlung durch den Orthopäden
(Antragsgegner zu III.)
Er hat die Antragstellerin am 2. Mai nur einmal gesehen
und stellte eine Besserung der Beschwerden fest. Wegen
Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule und der unteren
Lendenwirbelsäule führte er eine manualtherapeutische
Behandlung durch. Hinweise auf eine SAB gaben diese Be-
schwerden und Befunde nicht.
Ihm ist daher kein Vorwurf eines Behandlungsfehlers zu
machen.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass die fehlerhafteWei-
chenstellung bei der Erstbehandlung mit ihren gravieren-
den Folgen für das Schicksal der Antragstellerin dazu ge-
führt hat, dass die später hinzugezogenen Ärzte nicht oder
kaum in der Lage waren, die Fehldiagnose zu korrigieren.
Dies unterstreicht, wie wichtig eine sorgfältige leitlinienge-
rechte Diagnostik beim plötzlich auftretenden schweren
Kopfschmerz ohne Kopfschmerzanamnese ist.Ohne dass ei-
ne zerebrale Ursache ausgeschlossen ist, darf eine Diagnos-
tik nicht beendet werden. Hierzu gehört, selbst wenn ein CT
keine intrazerebrale Blutung zeigt, eine Lumbalpunktion als
hochsensitive Methode zum Nachweis einer SAB [5].
Fall 2
Ein weiterer gutachtlicher Bescheid, in dem ein Behand-
lungsfehler festgestellt wurde, betraf eine 1953 geborene An-
tragstellerin, die nach unauffällig befundetem Schädel-
CT am 24. Juni eine Krankenhausambulanz verlassen hatte
und bei der am 25. Juni jedoch bei einem Neurologen liquor-
diagnostisch eine kleine präpontine Subarachnoidalblutung
diagnostiziert wurde. Hier hatte die ungenügende Diagnos-
tik lediglich eine um einen Tag verspätete Diagnosestellung,
jedoch keinen Dauerschaden verursacht.
In weiteren Fällen wurden heftige Kopfschmerzen insbe-
sondere jüngerer Patienten ohne eingehende Anamnese –
zum Beispiel zu Arzneimittel- und Nikotinkonsum–und oh-
ne neurologische Befundung harmlosen Krankheitsbildern
zugeordnet. Wenig später hatten Diagnosen eines Hirnin-
farkts oder zerebraler Blutung letztlich zum Antrag bei der
Gutachterkommission geführt.
Der Vorwurf diagnostischer Versäumnisse bei auf eine zere-
brale Ursache hindeutender Symptomatik war in den Jahren
2006 bis 2010 in zwei Prozent Gegenstand der Verfahren.
Die Behandlungsfehlerquote (BF-Quote) lag mit 37,7 Pro-
zent etwas über dem langjährigen Durchschnitt von etwa ei-
nem Drittel. Am häufigsten lag in etwa der Hälfte der Fälle
eine zerebrale Durchblutungsstörung als Ursache der Be-
schwerden vor. In 16 Verfahren wurde eine zerebrale Blu-
tung als Ursache der Beschwerden festgestellt und in sieben
Verfahren der Behandlungsfehlervorwurf bestätigt (BF-
Quote 42 Prozent).Wegen der oft schwerwiegenden Fehler-
folgen lohnt stetes Bemühen um sorgfältige Diagnostik.
Pia Rumler-Detzel, Johannes Noth und Beate Weber
Literatur
[1] MSD Manual 7. Auflage 2006 Nr. 216, S. 225
[2] a. a. O. wie 1 S. 2254; Bewermeyer bei Kaufmann,
Internistische Differenzialdiagnostik 2. Auflage 1991 S. 231
[3] Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie
4. Auflage 2008 S. 654ff, Thieme Stuttgart
[4] Bewermeyer bei Kaufmann, s. Anm. 2 S. 233
[5] siehe Anm. 3
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Gutachtliche Entscheidungen
Fehlerhafte Differenzialdiagnostik beim Kopfschmerz