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Luft intraabdominell; Übernahme zur sofortigen Laparo-

tomie“.

Chirurgische Behandlung

Nach der notfallmäßigen Übernahme ergab die Laparoskopie

eine „Ausgedehnte Peritonitis in allen vier Quadranten in-

traabdominell mit massiv putridem, kotigem Sekret bei per-

forierter Appendizitis“.

Unmittelbar danach wurde unter der Diagnose „Akutes Ab-

domen mit Ausbildung eines Dünndarmileus bei septischem

Krankheitsbild“ die Indikation zur Laparotomie gestellt,

die gegen 23:50 Uhr in Intubationsnarkose durchgeführt

wurde.

Laut Operationsbericht fand sich eine generalisierte Perito-

nitis mit multiplen Schlingenabszessen bei älterer perforier-

ter Appendizitis.

Der pathologisch-anatomische Befund des Operationsprä-

parates entsprach einer akuten phlegmonös-ulzerierten

Appendizitis mit transmuraler Wandnekrose der Appendix

und des Coecumpoles, perityphlitischem Abszess und deut-

licher Periappendizitis.

Bei der bakteriologischen Abstrichuntersuchung fanden sich

Erreger der Gattung Escherichia coli und Pseudomonas

aeruginosa, nach Austestung mit Empfindlichkeit gegen-

über dem Gyrasehemmer Ciprofloxacin – Ciprobay

®

– und

Acylureidopenicilline, Mezlocilline – Baypen

®

.

Weitere Behandlung

Postoperativ wurde wegen des septischen Krankheitsbildes

mit instabilen Kreislaufverhältnissen eine Intensivtherapie

mit kontrollierter Beatmung und Sedierung, einer bilanzier-

ten Infusionstherapie mit Elektrolyten und Eiweiß, Kreis-

laufüberwachung, Blutgasanalysen, Pneumonieprophylaxe

und angepassten systemischen Antibiotika durchgeführt.

Nach Stabilisierung der kardialen und pulmonalen Situati-

on erfolgte am 28. September die Extubation; die Kreislauf-

verhältnisse blieben zunächst stabil, die Flüssigkeitsbilanz

war ausgeglichen; der Patient war zeitweise wach, ansprech-

bar und orientiert und konnte mit Hilfe für kurze Zeit im

Stuhl sitzen.

Am 2. Oktober kam es zu einer wesentlichen Verschlechte-

rung der pulmonalen und kardialen Situation, die eine er-

neute Intubation mit kontrollierter Beatmung und Sedie-

rung und am 5. Oktober eine Tracheotomie erforderte.

Die bakteriologische Untersuchung des Bronchialsekretes

und der Blasenkatheterspitze ergab Erreger der Gattung En-

terobacter cloacae, Enterococcus faecalis und Staphylococ-

cus aureus -MRSA (methicillin-resistent), die Blutkultur Sta-

phylococcus hominis. Entsprechend der Keimempfindlich-

keit wurden die Antibiotika angepasst.

Bei Fortbestehen des schweren septischen Krankheitsbildes

mit kontinuierlicher Verschlechterung des Allgemeinzu-

standes, Fieberschüben,Tachykardien über 140/Min.,Abfall

des Blutdrucks und der 02-Sättigung, erhöhten Beatmungs-

drucken und verminderter Diurese bis zur Oligurie verstarb

der Patient in den Morgenstunden des 13. Oktober um

08:34 Uhr, nachdem alle intensivmedizinischen Bemühun-

gen erfolglos geblieben waren.

In der ärztlichen Todesbescheinigung ist als unmittelbare

Todesursache ein Multiorganversagen als Folge eines sep-

tischen Schocks infolge Peritonitis nach perforierter

Appendizitis dokumentiert.

Gutachtliche Beurteilung

Die Gutachterkommission bewertete die ärztliche Behand-

lung der beiden Urologen als schwerwiegend fehlerhaft.

Nach Aufnahme in der urologischen Belegabteilung leiteten

die behandelnden Urologen aufgrund ihrer Verdachtsdia-

gnose („Blaseninfektion“) zwar eine konservative Behand-

lung mit parenteralen Antibiotika ein und überprüften ihre

sonographische Diagnose durch eine Kontrollsonographie.

Ob die notwendigen weiteren klinischen Kontrollen und die

erforderlichen diagnostischen Maßnahmen durchgeführt

wurden, konnte die Kommission mangels ärztlicher Doku-

mentation nicht feststellen. Sie vermisste vor allem palpato-

rische Abdominalbefunde, auf die es hier entscheidend an-

kam. Der Zustand muss aber auffällig gewesen sein, wie die

Verordnung von Abführmitteln und die Vermerke in der

Pflegedokumentation (Trommelbauch, Magensonde pp)

zeigen. Der erste ärztliche abdominelle Befund ist am

24. September zwischen 22:00 und 23:00 Uhr vom chirur-

gischen Konsiliarius dokumentiert, der dann auch sofort die

gebotene Übernahme zur Laparotomie veranlasst hat.

Für die erhebliche Verzögerung dieser entscheidenden Maß-

nahme tragen die Urologen die ausschließliche Verantwor-

tung. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte nach Auffassung

der Gutachterkommission der deletäre Krankheitsverlauf

vermieden werden können,wenn die chirurgische Interven-

tion mit adäquater Intensivtherapie rechtzeitig veranlasst

worden wäre. Die Urologen hätten aufgrund des Krank-

heitsbildes, insbesondere des Abdominalbefundes, eine

schwere intraabdominelle Erkrankung mit möglicher Perfo-

ration differenzialdiagnostisch in Erwägung ziehen, ihre

Annahme eines akuten Blasen- und Harnwegsinfektes

überprüfen und konkret an eine möglicherweise perforier-

te Altersappendizitis denken müssen.

Um einer solchen naheliegenden Verdachtsdiagnose nach-

zugehen bzw. diese sicher auszuschließen, waren frühzeitig

klinische Befunde zu erheben und entsprechende diagnosti-

sche Maßnahmen durchzuführen, insbesondere eine chirur-

gische Konsiliaruntersuchung zu veranlassen. Erforderlich

wäre z. B. eine Röntgenaufnahme des Abdomens (im Ste-

hen) zur Klärung der Frage gewesen, ob ein Ileus oder eine

Perforation vorlag.Versäumt wurden weitere dringend erfor-

derliche Kontrollen der Abdomensonographie am 23. Sep -

tember, spätestens aber am Morgen des 24. September, um

ggf. intraabdominelle Abszessbildungen zu erkennen.

Sinnvoll -wenn auch hier nicht zwingend geboten–wäre ein

Computertomogramm gewesen, das möglicherweise die bei

der späteren Laparotomie gefundenen Schlingenabszesse

gezeigt hätte.

Gutachtliche Entscheidungen

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Diagnostische Versäumnisse bei akuter Appendizitis