

fahl der Arzt, abzuwarten und die Medikamente weiter zu
nehmen. Die Patientin solle sich zu dem bereits vereinbar-
ten Termin am nächsten Tag in der Praxis vorstellen.
Chirurgische Notfallbehandlung
Da die Beschwerden der Patientin im Laufe des Abends im-
mer intensiver wurden, veranlasste der gegen 23 Uhr gerufe-
ne Notarzt die stationäre Notfalleinweisung, nach der am
Vormittag des 26. September ein operativer Eingriff folgte.
Im Operationsbericht wird unter anderem geschildert: „ ...
bereits bei der ersten Inspektion des Unterbauches lässt sich
trübes Sekret erkennen mit fibrinbedeckten Dünndarm-
schlingen als Ausdruck einer Unterbauchperitonitis. Die
Oberbauchregion ist unauffällig. Es wird die Indikation zur
Laparotomie gestellt. ...Nach Eröffnen der Bauchhöhle wird
zunächst das trübe Sekret abgesaugt, Abstrich davon zur
Bakteriologie. Der Dünndarm wird hervorluxiert. Die Tu-
ben zeigen sich nach endoskopischer Sterilisation offenbar
begleitend inflammatorisch.Der Dickdarmrahmen ist regel-
recht, hier kein Perforationshinweis. Bei der Revision des
Dünndarms weist das Ileum stellenweise dicke fibrinöse
Plaques auf, die teilweise abgestrichen werden können,
teilweise jedoch sehr adhärent sind und belassen werden.
Circa 20 cm vor der ileocoekalen Einmündung weist das
Ileum auf der freien Darmwand eine quere Perforation von
1,5 cm auf mit glatten Rändern. Hier wird ein zweiter Ab-
strich entnommen. ... Die Mucosa wird fortlaufend mit
atraumatischer Vicrylnaht verschlossen, zweite Nahtreihe
mit seromuskulären Einzelnähten ...“.
Postoperativ traten Fieberschübe bis 39,2°C auf. Die mikro-
biologische Untersuchung des Douglassekretes ergab unter
anderem den Nachweis von Clostridium perfringens, das
heißt von grampositiven anaeroben sporenbildenden Bakte-
rien aus der „Fäzes“. Zu diesem Zeitpunkt traten erneut Fie-
berzacken auf, so dass die Patientin am 30. September unter
dem Bild eines septischen Geschehens in eine andere Klinik
zur „hyperbaren Sauerstofftherapie“ verlegt wurde.
Erneute Laparotomie
Der inzwischen eingetretene schlechte Allgemeinzustand
ergab die Indikation zur Re-Laparotomie. Hierbei fand sich
als Ursache der Fieberschübe ein Mesenterialwurzelabszess.
Dieser wurde eröffnet und gespült. Danach wurden Spül-
drainagen in die Bauchhöhle eingebracht. In den folgenden
Tagen schlossen sich Spülungen und hyperbare Sauerstoff-
therapien an. Nach mehrtägigem Aufenthalt auf der Inten-
sivpflegestation erfolgte die Verlegung auf die Allgemeine
Station. Der weitere eher unkomplizierte postoperative Ver-
lauf führte schließlich am 20. Oktober zur Entlassung aus
der stationären Behandlung.
Gutachtliche Beurteilung
Die Gutachterkommission nahm zu dem Sachverhalt wie
folgt Stellung:
Beanstandet wurde zunächst die fehlende Indikation zur
Abrasio und Hysteroskopie. Anamnestisch waren Blutungs-
probleme irgendwelcher Art, die gegebenenfalls eine Ab-
rasio gerechtfertigt hätten, nicht ermittelt worden. Auch er-
gab die feingewebliche Untersuchung des Abradates einen
vollkommen unauffälligen Befund. Die Indikation zu dem
Eingriff versuchte der Arzt in seiner Stellungnahme damit zu
begründen, dass nach seiner Ansicht bei einer Tubensterili-
sation eine Ausschabung des Uterus obligatorisch sei. Die
Kommission hielt diese Aussage für nicht nachvollziehbar.
Da die Abrasio nicht indiziert war, konnte dahinstehen, ob
diese Maßnahme Gegenstand des Aufklärungsgespräches
gewesen war, was die Patientin bestreitet. Eine Aufklärung
über die vorgenommene Hysteroskopie hatte nach den Un-
terlagen nicht stattgefunden. Das nicht indizierte ärztliche
Vorgehen war somit auch wegen der fehlenden Einwilli-
gung der Patientin als rechtswidrig zu bewerten.
Gleiches gilt nach Auffassung der Kommission für die im
Operationsbericht beschriebene Pelviskopie mit bipolarer
Adhäsiolyse der rechten Adnexe und die Zystenfensterung
links. Die Eileiter waren im isthmischen Bereich frei. Aus-
geprägte Verwachsungen können nicht vorhanden gewesen
sein, da bislang kein operativer Eingriff in der Bauchhöhle
stattgefunden hatte und Folgen einer schweren Salpingitis,
die auch zu Verwachsungen führen können, im Operations-
bericht nicht beschrieben sind. Die Kommission bezeichne-
te die Adhäsiolyse und die Zystenfensterung auf der linken
Seite vor allem auch deshalb als unverständlich, weil beides
für die geplante Tubensterilisation wegen des freien isthmi-
schen Eileiterbereichs nicht notwendig gewesen sei. Die
Operation wurde also auch hier ohne Indikation erweitert.
Gänzlich unverständlich ist der Eintrag „Laser“ im Operati-
onsbericht. Ein Einsatz des Lasers konnte hier gar nicht in
Betracht kommen. Es ist auch nicht erwähnt, wo der Laser
eingesetzt worden sein soll.
Verletzung des Dünndarms
Zur Ursache der 1,5 cm großen Dünndarmverletzung 20 cm
oberhalb der Einmündung des Dünndarms in den Dickdarm
erörterte die Gutachterkommission zwei Möglichkeiten:
Die Verletzung könne beim Einführen des Optik-Troikars
eingetreten, aber auch im Rahmen der durchgeführten Ad-
häsiolyse der rechten Adnexe zustande gekommen sein.
Bei einerVerletzung durch den Laparoskopie-Troikar handele
es sich um einen Vorgang, der nach Anlage des Pneumo-
peritoneums auch bei vorsichtigstem Einführen des Troikars
nicht immer vermeidbar sei.Als vorwerfbarer Behandlungs-
fehler sei aber zu bewerten, dass der Operateur intraopera-
tiv die verhältnismäßig große Dünndarmverletzung nicht
festgestellt hat. Die ärztliche Sorgfalt gebiete nach Einfüh-
ren der Instrumente zu prüfen, ob bei der Einführung des
Troikars Verletzungen innerer Organe aufgetreten sind.
Auch bei der beschriebenen Inspektion des Mittel- und Ober-
bauchs hätte der Arzt bei gehöriger Sorgfalt die Dünndarm-
verletzung erkennen und dann für die sofortige operative
Behandlung Sorge tragen müssen.
Falls der Dünndarm erst im Rahmen der Adhäsiolyse ver-
letzt worden sein sollte, sei – abgesehen von der fehlenden
Indikation und Einwilligung – als vorwerfbar fehlerhaft die
mangelnde Sorgfalt sowohl bei der Durchführung der Ad-
häsiolyse als auch beim Übersehen der eingetretenen ver-
hältnismäßig großen Verletzung festzustellen.
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Gutachtliche Entscheidungen
Tubensterilisation – Mängel bei Aufklärung und Behandlung