Background Image
Table of Contents Table of Contents
Previous Page  88 / 220 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 88 / 220 Next Page
Page Background

Bei einer regelgerecht durchgeführten laparoskopischen

Cholezystektomie ist eine Gallenwegsverletzung auch bei

aller Sorgfalt nicht in jedem Fall vermeidbar. Sie stellt eine

typische Komplikation dar, auf die in der präoperativen

Aufklärung des Patienten näher hinzuweisen ist.

Als Entstehungsursache kommen unter anderen präparato-

rische Verletzungen, Durchschneiden gesetzter Clips, Blut-

stillung oder Koagulationsverwendung in Betracht.Wird der

notwendige Hinweis versäumt, tritt eine Haftung des operie-

renden Arztes auch bei ordnungsgemäßem Vorgehen ein.

Unabhängig von dieser Aufklärung kann eine Haftung des

Arztes entstehen,wenn die postoperative Behandlung unzu-

reichend und ursächlich für einen Gesundheitsschaden ist.

Die Gutachterkommission hat solche Behandlungsfehler

wiederholt beanstanden müssen. Beispielhaft für postopera-

tive Mängel ist nachfolgend geschilderter Fall.

Der Sachverhalt

Wegen unklarer Oberbauchbeschwerden wurde die 22-jäh-

rige Patientin in der medizinischen Klinik des beschuldigten

Krankenhauses stationär vom 2. bis 5. Dezember behandelt.

Als Ursache der Beschwerden wurden Gallensteine in einer

nicht veränderten Gallenblase festgestellt. Die Spiegelung

des Magens zeigte lediglich eine leichte Entzündung. Nach

einem chirurgischen Konsil wurde der Patientin empfohlen,

die Gallenblase entfernen zu lassen.

Nach stationärer Aufnahme am 8. Dezember wurde die Ent-

fernung am 9.Dezember in der beschuldigten chirurgischen

Klinik des Krankenhauses laparoskopisch durchgeführt.

Nach dem Operationsbericht ließ sich die Gallenblase in ty-

pischer Weise problemlos entfernen. Die histologische Auf-

arbeitung der Gallenblase zeigte eine leicht entzündliche

Reaktion. Die Patientin wurde am 14. Dezember ohne Be-

sonderheiten entlassen.

Am 18. Dezember wurde die Patientin in der chirurgischen

Ambulanz des Krankenhauses wegen Schmerzen im Nabel-

bereich behandelt; es wurde ein Bauchdeckenabszess eröff-

net, aus dem sich eitriges Sekret entleerte.

Stationäre Behandlung

Am 20. Dezember klagte die Patientin über Bauchschmer-

zen. Sie wurde stationär in der beschuldigten chirurgischen

Klinik aufgenommen. Die Laboruntersuchung ergab eine

Leukozytose von 18.900 mm

3

und ein C-reaktives Protein

(CRP) von 4,29 mg/dl (am 23.Dezember 7,67 mg/dl). Bei ei-

ner Ultraschalluntersuchung wurden nach den Aufzeich-

nungen keine Auffälligkeiten festgestellt.

Bei anhaltenden Beschwerden wurde am 27. Dezember eine

erneute Ultraschalluntersuchung des Bauches durchge-

führt. Es zeigten sich nun im ehemaligen Gallenblasenbett

eine Raumforderung und erhebliche Mengen freier Flüssig-

keit im Bauchraum. Eine auswärts durchgeführte Compu-

tertomographie bestätigte dieses Untersuchungsergebnis.

Nach erneuter Sonographie wurde am 29. Dezember eine ul-

traschallgesteuerte Punktion des Bauchraumes vorgenom-

men. Es wurden 2,5 l einer galligen Flüssigkeit gewonnen.

Der Bilirubinwert dieser Flüssigkeit betrug 51,67 mg/dl. Es

entleerten sich in der Folgezeit täglich zwischen 450 und

1.000 ml gallige Flüssigkeit.

In den Pflegeberichten vom 20. bis 29. Dezember werden

fast durchweg heftige Bauchschmerzen und nach dem

27. Dezember eine Verschlechterung des Allgemeinzustan-

des angegeben. Die Patientin wurde laufend mit den ver-

schiedensten Schmerzmitteln behandelt.

Ab 1. Januar besserte sich der Zustand etwas; es wurde eine

ERCP (Endoskopische Retrograde Cholangiographie und

Pankreatographie) in Aussicht genommen, die am 7. Januar

durchgeführt wurde. Sie ergab ein Galleleck, möglicher-

weise im Bereich der Cysticus-Einmündung; denn es wurde

ein deutlicher Kontrastmittelaustritt aus dem Ductus chole-

dochus beschrieben. Auf eine Drainage bzw. eine Stent-

Einlage und eine Papillotomie wurde verzichtet.

Weiteres operatives Vorgehen

Am 9. Januar erfolgte eine erneute Laparoskopie, die eine

Galleleckage im Bereich des Rest-Ductus cysticus zeigte, der

durch einen Clip versorgt wurde. Ferner wurde eine Draina-

ge eingelegt.

Bei weiterhin galligem Sekret erfolgte am 13. Januar eine er-

neute operative Freilegung. Es wurde zunächst wiederum

laparoskopisch vorgegangen. Da die Leckage jedoch nicht

sicher erkannt werden konnte, wurde eine Laparotomie mit

offener Revision der Gallenwege und dem Versuch des Ver-

schlusses des Choledochusleckes durchgeführt, der aber kei-

nen Erfolg hatte. Es gelang auch nicht, durch Punktion mit

normalerKanüle imDuctus choledochus-BereichGalle zu aspi-

rieren, so dass das extrahepatische Gallengangssystem nicht

dargestellt werden konnte. Es wurde schließlich eine Duo -

denotomie durchgeführt, um die Gallengänge retrograd über

die Papilla vateri darzustellen, allerdings auch ohne Erfolg.

Wegen der Erfolglosigkeit des operativen Vorgehens wurde

nach Kontaktaufnahme die Patientin am 14. Januar in eine

chirurgische Universitätsklinik verlegt.

Stationäre Behandlung in der Universitätsklinik

Bei der Aufnahme entleerte sich aus der Drainage reichlich

galliges Sekret. Es wurden noch am 14. Januar eine CT-Un-

tersuchung und am 15. Januar eine Sonographie sowie eine

ERCP vorgenommen, die eine inkomplette Darstellung der

Gallenwege und des Pankreasganges sowie eine Leckage am

Gallengang zeigte.

Die Laparotomie erfolgte am 16. Januar mit Feststellung

einer diffusen biliären Peritonitis bei Leckage einer Duo-

86

Gutachtliche Entscheidungen

Gallenwegsläsion

Fehlerhafte postoperative Behandlung