Hast du Thomas Broich mittler-
weile schon getroffen?
Ich habe bei unseren Aufeinander-
treffen in der Liga mit ihm einige
Worte gewechselt. Wir haben
darüber gesprochen, wie gut die
Entscheidung gewesen ist, den
Schritt hier her gewagt zu haben.
Sportlich könnte es kaum besser
laufen...
Was hier passiert, kann man fast
nicht in Worte fassen – ein Mär-
chen. Vor der Saison als Nobody
gestartet, stehen wir kurz vor dem
Meistertitel
(die Entscheidung
darüber fiel am 29. März und da-
mit nach diesem Interview, Anm.
d. Red.)
. Wir haben bereits zwei
Rekorde gebrochen. Zehn Siege
in Folge hat noch kein Team der
A-League geschafft. Und mit 17
Siegen insgesamt haben wir auch
schon die bisherige Höchstmarke
übertroffen. Der Verein hat in-
zwischen 10.000 Mitglieder, bei
jedem Spiel zwischen 15.000 und
20.000 Zuschauer. Und der Hype
nimmt unglaubliche Ausmaße an.
Zuletzt war sogar die Premiermi-
nisterin Julia Gillard bei uns.
Wie ist das Niveau der Liga einzu-
schätzen?
Die Leistungsstärke der meisten
Teams ist vergleichbar mit denen
der Topteams aus der zweiten
Liga in Deutschland. Dazu sind
einige Teams mit Ausnahmespie-
lern wie zum Beispiel Alessand-
ro Del Piero, Emile Heskey oder
Shinji Ono gespickt. Australien
ist ein sportverrücktes Land.
Nach Rugby und Australian Foot-
ball steht Fußball an dritter Stelle
– mit aufsteigender Tendenz.
Welche Bedeutung hat ein Topstar
wie del Piero für die Liga?
Sie hat dadurch einen Populari-
tätsschub erhalten. Bisher wur-
den die Spiele außerhalb Austra-
liens nur in England ausgestrahlt.
Mittlerweile gibt es auch Über-
tragungen nach Italien und Japan,
wo unser Spielmacher Shinji Ono
eine riesige Fangemeinde hat.
Welche Unterschiede zu Deutsch-
land gibt es für Fußball-Profis?
Vom Trainings- und Spielablauf
gibt es überhaupt keinen Unter-
schied. Wir gehen auch ins Hotel
vor den Spielen und trainieren im
selben Umfang wie in Deutsch-
land. Die Trainingsintensität ist
allerdings höher, und es wird
mehr Wert auf die optimale kör-
perliche Vorbereitung gelegt.
Dazu wird täglich unser Gewicht
kontrolliert, der Wasserhaushalt
mittels Urinproben getestet, und
vor jedem Training werden ver-
letzungspräventive Übungen ab-
solviert. Zum Glück gibt es weder
Schnee noch Kälte, dafür Tempe-
raturen bis zu 40 Grad Celsius.
Was vermisst du?
Bis auf meine Familie und Freun-
de ehrlich gesagt nichts aus
Deutschland. Und es haben jetzt
alle einen Grund, nach Australi-
en zu fliegen
(lacht)
.
Dein Gästezimmer ist also immer
voll?
So ist es tatsächlich, es gibt kaum
noch freie Termine. Mittlerweile
wohnt meine Schwägerin für ein
Jahr bei uns. Sie absolviert hier
ein Auslandsjahr. Und meine
Schwester hat sich auch schon
angekündigt.
Hast du außer den Fußballplätzen
schon etwas von Australien gese-
hen?
Die schönsten Erlebnisse waren
bisher das Tauchen mit Haien,
Whale Watching vor der Küste
Sydneys und die Strände rund um
den Jervis Bay Nationalpark mit
freilaufenden Kängurus. Bisher
konnte ich allerdings noch nicht
so viel sehen. Das hole ich nach
dem Saisonabschluss nach. Wir
haben eine Pause von etwa acht
Wochen. Geplant ist eine Tour
an der australischen Ostküste
entlang und danach eine Südost-
asienreise mit Stopps in Singapur,
Malaysia und Thailand. Nach
Deutschland fliege ich nicht, da
kenne ich ja schon alles
(lacht)
.
Würdest du anderen Spieler einen
Wechsel nach Australien empfeh-
len?
Ja, denn die A-League ist eine
starke und ausgeglichene Liga,
und das Leben in Australien ist
traumhaft. Zum Schritt ins Aus-
land kann man generell raten.
Man lernt eine neue Kultur ken-
nen, eine neue Sprache, sammelt
Erfahrungen, die einen im Leben
weiterbringen.
Wie lange möchtest du in Austra-
lien bleiben?
Diese Frage kann ich im Moment
nicht genau beantworten. Meine
Frau und ich sind sehr glücklich
hier. Ich habe vor kurzem mei-
nen Vertrag verlängert. Wo ich
in zwei oder drei Jahren spielen
werde, das weiß ich allerdings
nicht. Vielleicht braucht Wer-
der ja irgendwann einen guten
Rechtsverteidiger
(lacht)
.
Interview: Norman Ibenthal
Fotos: Getty Images
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