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CORTISSIMO 02 | 2015
Wann ist es für Sie ein gutes Foto?
Ein gutes Foto ist, wenn eigentlich alles stimmt. Wenn man
nicht das Gefühl hat, man könnte es noch besser machen, wenn
man es noch einmal machen dürfte. Und wenn es in Erinnerung
bleibt.
Gibt es da einenUnterschied, was der Kunde undwas der
Fotograf sieht?
Das kann ich nur von meiner Warte aus beantworten. Ich mache
am gleichen Tag des Shootings eine Vorauswahl. Am nächsten
Tag, wenn ich die Postproduktion mache, überlege ich mir, wel-
che Bilder vom Shooting ich noch im Kopf habe. Mit diesen Bil-
dern im Kopf suche ich – unter Berücksichtigung der Vorauswahl
– die Besten aus.
Also Siemachen auch immer eine Vorauswahl für die Kunden?
Ja, auf jeden Fall. Und da wir ja digital fotografieren, sieht jeder
sofort das Resultat. Der Kunde sieht meine Vorauswahl und
kann selbst natürlich jederzeit seine Favoriten einbringen.
Welchen Einfluss haben aktuelle Fototrends auf Ihre Arbeit?
Trends haben auf jeden Fall Einfluss. Es gibt immer kleine Nuan-
cierungen, die die Fotobildsprache ständig verändern. Nehmen
wir zwei Beispiele aus den letzten Jahren: Die starke Entsätti-
gung von Bildern oder Aufnahmen im Gegenlicht. Der eine sieht,
wie sich diese Nuancen jedes Jahr verändern. Der nächste sieht
erst nach fünf Jahren, dass ein Setting out ist. Nach zehn Jahren
sieht jeder, wenn Bilder aus der Zeit fallen. Ich versuche, Trends
jedes Jahr zu erkennen, was ist richtungsweisend und wo läuft
es hin. Gegenlicht-Aufnahmen sind für mich kein Trend mehr,
obwohl sie diesen Fotostil immer noch sehr häufig und aktuell in
den Werbemotiven sehen.
Authentizität, Storytelling, Models, wieDu und Ich, Fotos nicht zu
überblitzenwaren oder sind Trends?
Ja, das war und ist richtungsweisend. Für mich ist so etwas wie
bei airbnb, The Selby oder Freunde von Freunden. Die haben
ganz normale Menschen in ganz normalen Wohnungen foto-
grafiert. Das kleine Glück, was jeder haben kann. Die Wohnun-
gen sind nicht aufgeräumt, aber auch nicht schmutzig. Sie sind
irgendwie ehrlich, die Menschen machen gar keine besonderen
Dinge oder Posen. Aber die Bildsprache ist auf den Punkt ge-
bracht und findet immer das Schöne. Das ist immer sehr glaub-
würdig. Der Betrachter des Fotos soll nicht die Professionalität
von Model, Fotograf und Fotolocation spüren, sondern das Ge-
fühl vermittelt bekommen, es stimmt alles. So wie Menschen
heute leben. Und dennoch sind die Fotos beeindruckend.
Wie oft wechselt so ein Trend?
Ach, alle vier bis fünf Jahre gibt es wirklich etwas
Neues. Es gibt ja auch immer diese Ding-Dong-
Happy-Phase und dann die Phase, wo Bilder ernster
werden. Also Momente, in denen Menschen einen
anstrahlen und in die Kamera blicken und dann wie-
der wegsehen und auch lächeln.
Inwelcher Phase sindwir aktuell?
Zeige ich Menschen, die miteinander agieren, sollten
diese nicht in die Kamera schauen. Auch in Deutsch-
land werden unterschiedliche Nationalitäten in Grup-
pen gemischt, die Quote der blonden Frauen sinkt
und die Rollenbilder zwischen Mann und Frau ver-
wischen zunehmend. Das finde ich wirklich gut, wie
auch, dass die Modelle nur mit sich etwas machen,
nicht für die Kamera. Also diese Beiläufigkeit, das
nicht Aufdringliche ist angesagt. Daran merkt man,
dass wir eine Zeit haben, wo es uns gut geht.
Besser Stockfotos nutzen oder eigene Shootings
veranstalten?
Zum einen ist ein Stockfoto nie wirklich aktuell. Das
merkt man oft an den Gadgets, die dort zu sehen
sind. Es hat sich ja viel bewegt. Die Menschen haben
heute immer ein Smartphone dabei und das verän-
dert sich sehr schnell. Wenn Du jemand hast, der mit
einem Festnetztelefon am Frühstückstisch sitzt, fühlt
sich das Bild wie aus der Zeit gefallen an. Wir leben in
einer digitalen Welt, in der sich Kleinigkeiten immer
wieder schnell verändern. Das ist der eine Punkt.
Rainer Holz,
48, wurde in Aalen
geboren. Nach seinem Abitur verwarf
er die Idee zu studieren und war bei
mehreren Fotografen Assistent, bevor er
sich mit seinem eigenen Studio in Köln
1991 selbstständig machte und zunächst
für Stadtmagazine und renommierte
Musikmagazine wie „Spex“ fotografierte.
Heute zählen zu seinem Kundenstamm
Unternehmen wie Siemens, die Deutsche
Telekom oder Axa. Für diese Ausgabe der
„Cortissimo“ realisierte Rainer Holz das
Shooting im Natuzzi Flagship-Store in
Köln.
MEHR INFOS:
www.rainer-holz.com