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CORTISSIMO 04 | 2016

von Papieren und neuen Produktideen

haben wir damit seit 2010 eine Akzidenz-

druckmaschine an unserem Düsseldorfer

Standort stehen.

Unser Credo: Machen wir was dar-

aus – neben dem klassischen Zeitungs-

druck, der uns weiterhin die Grundauslas-

tung gibt.

WarumCortina und nicht eine

Heatset-Maschine?

MATTHIAS TIETZ: Die Koenig & Bauer AG

(KBA) brachte die ersten Cortina-Maschi-

nen um 2000 in den Markt. Als die ersten

Verleger damit im Markt erfolgreich wa-

ren, führte das auch in unserem Haus zu

Diskussionen. Das „Warum nicht Heat-

set?“ erschließt sich über die Personalfra-

ge: Heatset hätte ein anders ausgebilde-

tes Team bedeutet.

Auch der wasserlose Druck der

Cortina ist ein anderes Verfahren, das

eine deutlich bessere Qualität hervor-

bringt, aber es bleibt Coldset, wie wir es

auch von unserer Commander-Druckma-

schine kennen. Auch wenn das für uns

bedeutete, wir machen nicht mehr nur

„Tageszeitung“ – die Cortina hat dem Ta-

geszeitungsbereich ebenfalls Schwung

verliehen. Sie produziert mit 70er Ras-

ter, das ist Hightech. Das war der Anstoß,

unsere Commander-Druckmaschine aus

dem Betrieb im 52er auf das 60er Raster

zu trimmen.

Das bedeutet, dieDruckerei musste sich

fitmachen fürmehr Qualität?

MATTHIAS TIETZ: Ja, und dieser Pro-

zess hatte drei Facetten. Wir mussten

einen Vertrieb aufbauen, der den Markt

mit unseren Produktchancen infiziert.

Zweitens mussten wir unseren Vorstufen-

Workflow auf die Bedürfnisse von Akzi-

denz-Kunden umstellen, der deren per-

sönlichen Ansprüchen gerecht wird, uns

aber auch noch standardisiert drucken

lässt. Das ist auch das, was Frau Lümmer

und ich durch unsere Kundenumfragen

begriffen haben. Einem Zeitungsdruck-

haus eilt der Ruf voraus, nur standardi-

siert drucken zu können und dadurch

nicht flexibel auf Kundenwünsche einge-

hen zu können. Hier mussten wir Vertrau-

en aufbauen. Und der dritte Aspekt sind

die internen Abläufe. Wir brauchten ein

Auftragsmanagement, so dass die Auf-

träge, die der Vertrieb akquiriert, auch

ordentlich bewirtschaftet werden und

letztlich mussten alle Mitarbeiter in der

Produktion lernen, sich auf die vielfältigen

Kundenwünsche einzustellen.

Bedeutet dies nicht, dass das eigene Team

für denUmgangmit externenKunden

sensibilisiert werdenmuss?

MATTHIAS TIETZ: Das Team, vom Drucker

bis zum Mitarbeiter in der Weiterverar-

beitung, musste erkennen, dass plötzlich

Kunden mit ganz individuellen Wünschen

zu uns kommen. Wir merkten, dass wir

diese in standardisierten Prozessen opti-

mal erfüllen müssen und vor allem, dass

diese Kunden flüchtig sind. Flüchtigkeit

kann man beklagen oder man begreift,

dass man Kunden über Qualität, Flexibi-

lität, Verständnis für deren Nöte und Ent-

wicklung von Lösungen letztlich hält. Und

wer einen überzeugten, treuen Kunden

hat, verfügt über den besten Multiplikator,

den man sich imMarkt vorstellen kann.

Dass die Geschäftsführung, die

Verkäufer, die Auftragsbetreuuer, die lei-

tenden Angestellten inklusive der Marke-

tingleitung das wissen, reicht nicht aus.

Es müssen nach Möglichkeit alle wissen

– der Drucker genauso wie der Maschi-

nenbediener im Versand. Ich glaube, da

sind wir weit gekommen. Da müssen wir

weiter dran arbeiten, aber das ist ein ganz

wichtiger Punkt.

KATJA LÜMMER: Wir müssen das nicht nur

wissen, wir müssen das fühlen und dahin-

terstehen.

MATTHIAS TIETZ: Genau – fühlen und da-

hinterstehen. Und das auch in einem wei-

terhin nicht einfachen wirtschaftlichen

Umfeld, das auch für uns langfristig si-

cherlich weitere Umwälzungen bedeutet.

Denn nur durch die Erweiterung der Mög-

lichkeiten herrscht noch nicht „Eitel-Freu-

de-Sonnenschein“. Wir haben dieses Jahr

zum 1. Januar begonnen, unsere Wupper-

taler Zeitungsdruckerei zu schließen und

werden diesen Prozess bis zum 1. März

beendet haben.

Auch wir reduzieren unser Volumen

an angebotener Kapazität im Markt. Die

verbleibende RBD mit 220 Mitarbeitern

am Standort Düsseldorf hat nun eine

hervorragende Perspektive für die Jah-

re bis 2020/2025, wenn wir uns konse-

quent weiter entwickeln. Wir sind über-

zeugt, dass beide Strategien dauerhaft

verfolgt werden müssen: sich dem Markt

anzupassen und den Wandel vom rei-

nen Zeitungsdruckhaus zu einem Ak-

zidenzdruckhaus, das auch Zeitungen

druckt, voran zu treiben.

Kommenwir zurück zumCortina-Druck.

Ein neues Druckverfahren zu etablieren

war nicht einfach, sagten Sie. Welche Rolle

spielten Ihre Zulieferer, von der Farbe bis

zumPapier?

MATTHIAS TIETZ: Das war und ist eine

große Zweckgemeinschaft. Wir brauchen

die richtigen Platten, die richtigen Farben

und das richtige Papier. Das Verfahren

des wasserlosen Drucks hat in Japan eine

jahrzehntelange Tradition. Und von dort

kamen auch die ersten Farben, bevor die

deutschen Hersteller diese entwickelt ha-

ben. Eine Aufgabe ist, dass die Farbe sehr

gleichmäßig funktionieren muss und

weiter standardisiert wird. Das reicht bis

in die heutige Zeit hinein. Aktuell gibt es

ein Forschungsprojekt gemeinsam mit

den Farbherstellern und der Fogra, um

in der Standardisierung weiter voran zu-

kommen.

Den gleichen Lerneffekt hatten wir

beim Papier. Das wasserlose Drucken re-

agiert allergisch auf jede Form von Staub.

Die Papierlieferanten mussten lernen,

ihr Papier für den Druck auf der Cortina

zu optimieren. Heute haben wir mit dem

Kreis an Lieferanten eine Produktpartner-

schaft für Farbe, Papier sowie Druckplat-

ten, um die sehr hohen Qualitätsansprü-

che zu sichern.

Wer treibt dieWeiterentwicklung des

Cortina-Druckes voran?

MATTHIAS TIETZ: Man könnte in Richtung

Maschinenlieferant schielen. Ich bin der

Auffassung, wir, die Druckereien, müssen

das Thema voran treiben. Heute haben

wir Arbeitskreise mit den Lieferanten,

aber auch den Kollegen-Betrieben. Hier

wird ganz konzentriert über alle Themen

zum Cortina-Druck geredet und es gibt

Entwicklungsschritte, angefangen von

Maschinenthemen über die eingesetzten

Materialien bis hin zumMarketing.

Wieweit ist die Technik der Cortina ausge-

reift und ausgereizt?

MATTHIAS TIETZ: Auch wenn es 100 Pro-

zent nach unserer Auffassung nie gibt,

erreichen die Cortina und die mit ihr pro-

duzierten Druckprodukte in ihrer Reife

annähernd diese magische Zahl. Eine

grundsolide Basis ist geschaffen und da-

hinter sind dann diese berühmten letzten

drei Prozent, die immer die Schwierigsten