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Landwirtschaftliche Genossenschaften
CETA: der „kleine Bruder“
von TTIP?
Die Geburt war langwierig und verlief nicht ohne Komplikationen. Kein
Wunder, schließlich wird CETA, das Handelsabkommen der EU mit
Kanada, von Teilen der Öffentlichkeit hinsichtlich vermeintlich mangelnder
Transparenz sehr kritisch gesehen. Die Befürworter freuen sich dagegen
vor allem auf die Öffnung der Märkte.
Ziel von CETA (Comprehensive Economic
and Trade Agreement) ist eine weitgehende
Beseitigung von Zöllen und Zugangsbe-
schränkungen zwischen der EU und Kanada
und damit verbunden eine deutliche Verbes-
serung des Marktzugangs für europäische
Industriegüter, Agrarprodukte und Dienst-
leistungen sowie im Bereich des öffentlichen
Auftragswesens.
Während dem „großen Bruder“ von CETA,
dem seit 2013 von der EU mit den USA ange-
strebten Handelsabkommens TTIP zur Bil-
dung der weltweit größten Freihandelszone
auch durch die massive Ablehnung in Tei-
len der Öffentlichkeit 2016 der Durchbruch
versagt blieb, wird CETA wohl im Jahresver-
lauf 2017 zumindest vorläufig in Kraft tre-
ten. Die Ratifizierung durch die EU und die
nationalen Parlamente steht im 1. Halbjahr
2017 an.
Über 99 Prozent der Zölle zwischen den
beiden Volkswirtschaften EU und Kana-
da werden mit CETA abgebaut. Das schafft
neue Absatzmöglichkeiten von Waren und
Dienstleistungen auf beiden Seiten des At-
lantiks: nicht nur für Hersteller von industri-
ellen Produkten, sondern auch für Erzeuger
von landwirtschaftlichen Produkten – etwa
von verarbeiteten Molkereierzeugnissen.
Neue Impulse für den Mittelstand
Insgesamt soll das gemeinsame Abkommen
neue Impulse für den Mittelstand auslösen:
Nach Angaben der EU-Kommission dürfte
infolge der Umsetzung des Abkommens das
bilaterale Handelsvolumen bei Waren und
Dienstleistungen EU-weit um rund 23 Pro-
zent steigen. Europäische Unternehmen
würden infolge des Zollabbaus jährlich rund
470 Millionen Euro einsparen. Die EU-Kom-
mission erwartet, dass sich durch CETA das
jährliche Bruttoinlandsprodukt der Europäi-
schen Union um ca. 12 Milliarden Euro pro
Jahr erhöhen wird.
Mit CETA sei es gelungen, ein Frei
handelsabkommen auszuhandeln, welches
Regulierungsspielräume für die nationalen
Parlamente erhält, heißt es vonseiten des
Bundeswirtschaftsministeriums. „Die Prä-
ambel des Abkommens bekennt sich zur
nachhaltigen Entwicklung und nennt Arbeit-
nehmer-, Sozial- und Umweltschutz als Zie-
le. CETA ermöglicht somit auf der einen Sei-
te eine Marktöffnung, von der Unternehmen
und Bürger profitieren, und auf der anderen
Seite den Schutz nationaler Arbeitnehmer-,
Sozial- und Umweltschutzstandards.“
CETA als „positive Blaupause“ für TTIP
Aus Sicht des Deutschen Raiffeisenverbandes
(DRV) sollte CETA als „positive Blaupause“
für TTIP gesehen werden, da die Kanadier
den europäischen Forderungen weitgehend
entsprochen hätten. Das gilt zum Beispiel für
das Verbot des Einsatzes von Hormonen in
der Tiermast mit Blick auf Importe in die EU.
Weitreichende Folgen für die heimischen
Landwirte durch CETA werden vonsei-
ten des Westfälisch-Lippischen Landwirt-
schaftsverbandes (WLV) nicht befürchtet,
da bei „sensiblen Produkten“ lediglich eine
Erhöhung der zollfreien Ex- und Importkon-
tingente vereinbart wurde. Auch Lebensmit-
telstandards bleiben gewahrt.
■
Hans-Gerd Pützstück,
Vorstandsvorsitzender der Raiffeisen-
Erzeugergenossenschaft Bergisch
Land und Mark
Als exportorientiertes Land ist es
auch für unsere Landwirtschaft
wichtig, dass Zölle abgeschafft
und ein freier Zugang mit ab-
gestimmten Standards gewähr-
leistet wird. Das trifft für CETA
und gleichwohl für TTIP zu.
Kanadische Exporte
von
Rindfleisch in die EU:
50.000Tonnen
(gleich 0,6 Prozent der EU-Erzeugung)
Kanadische Exporte
von
Schweinefleisch in die EU:
75.000Tonnen
(gleich 0,3 Prozent der EU-Erzeugung)
Quelle: Westfälischer Landwirtschaftsverband 2017