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27

STRATEGIE

84

Prozent der Deutschen sind on-

line, so die erste Erkenntnis aus

der aktuellen ARD/ZDF-Online-

studie. Und von diesen rufen jeden Tag 45

Millionen Menschen Inhalte im Netz ab.

Im Oktober, so das amerikanische Markt-

forschungsunternehmen StatCounter, grif-

fen zum ersten Mal mehr Menschen auf

das Internet mobil als stationär zu. Wer die

Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen erreichen

will, der tut dies am besten mobil. Denn

nahezu jeder nutzt das Internet auf diese

Weise. Gesamtdeutsch betrachtet sind es

rund zwei Drittel, die mit dem Smartphone

ins Internet gehen. Was heißt dies für Me-

dienmacher?

Zitieren wir den Intendanten des

Hessischen Rundfunks und Vorsitzenden

der ARD/ZDF-Medienkommission, Manfred

Krupp: „Das mobile Internet gibt dem seit

Jahren zu beobachtenden Medienwandel

einen weiteren Schub. Neben handybegeis-

terten Jugendlichen sind inzwischen auch

immer mehr ältere Nutzer ‚always on‘. Die

absehbaren Konsequenzen für die Medien-

märkte und das Nutzungsverhalten sind

eine große technische und inhaltliche Her-

ausforderung für alle Anbieter. Es wird da-

rauf ankommen, die eigenen Stärken von

den noch dominanten klassischen Verbrei-

tungswegen auf die neuen Plattformen zu

übertragen.“

Diese Entwicklung wird nicht nur die

öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten betref-

fen. Diese Tendenz in der Gesamtbevölke-

rung, auch wenn die Jüngeren Vorreiter mit

immer „on“ sind, erfordert einen radikalen

Schritt im Neudenken von Medienproduk-

ten, angefangen beim Fernsehen, Tageszei-

tung, Monatsmagazin bis zum Radio. Die

Herausforderung wird es sein, über Jahr-

zehnte gepflegte, eingeübte und erprobte

Strategien auf den Kopf zu stellen. Die Er-

gebnisse bedeuten nicht mehr einfach nur

eine Diskussion oder Auseinandersetzung

über Online oder klassisch Print First. Sie

bedeuten Mobile first. Die großen Tanker wie

das ZDF haben schon Fahrt aufgenommen,

haben ihre Mediathek schon umgestellt.

Für elektronische Medien ist es ein-

facher, sich auf den Formatwandel einzu-

stellen. Aber für Verlage, die noch klassisch

konzipieren, bedeuten diese Zahlen eine

Revolution, vor allem, wenn man sich vor

Augen führt, wie heute aktuelle Strategi-

en fortgeführt werden. Wer über einen Re-

launch spricht, meint häufig das Printpro-

dukt, sucht neue Schriften aus, spricht über

Bildwelten oder Rubriken. Das E-Paper ist

eine Replik des Printproduktes und im bes-

ten aller Fälle nicht nur als PDF-Download-

link verfügbar. Der Webauftritt ist oftmals

völlig abgekoppelt von diesem Prozess,

denn dieser wird von einem anderen Team

oder einer Agentur betreut.

Relaunch 4.0

Medien liebten einst Plätze, die besonders

belebt waren. Eine gute Platzierung in der

Bahnhofsbuchhandlung eines Metropol-

Hauptbahnhofes galt als Verkaufsgarant

und Stabilisator der Auflage einer Zeit-

schrift. Nicht wenige optimierten ihre Ma-

gazine dahingehend, um in der Schuppung

– also der Auslage – noch einen Hauch

stärker herauszustechen als die Konkurrenz.

Heute, dass wurde uns nicht nur durch die

Beobachtung in Zügen oder Cafés für das

Bauchgefühl bestätigt, ist die Bahnhofs-

buchhandlung überall in jedem Smartpho-

ne. Dort sind die Menschen, dort nutzen

sie Medien und tauschen sich über soziale

Netzwerke aus. Wer also heute über einen

Relaunch eines Mediums spricht, muss Mo-

bile First sagen. Und das meint eben nicht

nur neue Schriften, Farben, mehr oder we-

„0“ + „1“ oder

Relaunch 4.0

„Das mobile

Internet gibt dem

seit Jahren zu

beobachtenden

Medienwandel

einen weiteren

Schub.“

Manfred Krupp, Intendant des Hessischen

Rundfunks und Vorsitzender der ARD/ZDF-

Medienkommission.