KNOW!S //
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STRATEGIE
84
Prozent der Deutschen sind on-
line, so die erste Erkenntnis aus
der aktuellen ARD/ZDF-Online-
studie. Und von diesen rufen jeden Tag 45
Millionen Menschen Inhalte im Netz ab.
Im Oktober, so das amerikanische Markt-
forschungsunternehmen StatCounter, grif-
fen zum ersten Mal mehr Menschen auf
das Internet mobil als stationär zu. Wer die
Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen erreichen
will, der tut dies am besten mobil. Denn
nahezu jeder nutzt das Internet auf diese
Weise. Gesamtdeutsch betrachtet sind es
rund zwei Drittel, die mit dem Smartphone
ins Internet gehen. Was heißt dies für Me-
dienmacher?
Zitieren wir den Intendanten des
Hessischen Rundfunks und Vorsitzenden
der ARD/ZDF-Medienkommission, Manfred
Krupp: „Das mobile Internet gibt dem seit
Jahren zu beobachtenden Medienwandel
einen weiteren Schub. Neben handybegeis-
terten Jugendlichen sind inzwischen auch
immer mehr ältere Nutzer ‚always on‘. Die
absehbaren Konsequenzen für die Medien-
märkte und das Nutzungsverhalten sind
eine große technische und inhaltliche Her-
ausforderung für alle Anbieter. Es wird da-
rauf ankommen, die eigenen Stärken von
den noch dominanten klassischen Verbrei-
tungswegen auf die neuen Plattformen zu
übertragen.“
Diese Entwicklung wird nicht nur die
öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten betref-
fen. Diese Tendenz in der Gesamtbevölke-
rung, auch wenn die Jüngeren Vorreiter mit
immer „on“ sind, erfordert einen radikalen
Schritt im Neudenken von Medienproduk-
ten, angefangen beim Fernsehen, Tageszei-
tung, Monatsmagazin bis zum Radio. Die
Herausforderung wird es sein, über Jahr-
zehnte gepflegte, eingeübte und erprobte
Strategien auf den Kopf zu stellen. Die Er-
gebnisse bedeuten nicht mehr einfach nur
eine Diskussion oder Auseinandersetzung
über Online oder klassisch Print First. Sie
bedeuten Mobile first. Die großen Tanker wie
das ZDF haben schon Fahrt aufgenommen,
haben ihre Mediathek schon umgestellt.
Für elektronische Medien ist es ein-
facher, sich auf den Formatwandel einzu-
stellen. Aber für Verlage, die noch klassisch
konzipieren, bedeuten diese Zahlen eine
Revolution, vor allem, wenn man sich vor
Augen führt, wie heute aktuelle Strategi-
en fortgeführt werden. Wer über einen Re-
launch spricht, meint häufig das Printpro-
dukt, sucht neue Schriften aus, spricht über
Bildwelten oder Rubriken. Das E-Paper ist
eine Replik des Printproduktes und im bes-
ten aller Fälle nicht nur als PDF-Download-
link verfügbar. Der Webauftritt ist oftmals
völlig abgekoppelt von diesem Prozess,
denn dieser wird von einem anderen Team
oder einer Agentur betreut.
Relaunch 4.0
Medien liebten einst Plätze, die besonders
belebt waren. Eine gute Platzierung in der
Bahnhofsbuchhandlung eines Metropol-
Hauptbahnhofes galt als Verkaufsgarant
und Stabilisator der Auflage einer Zeit-
schrift. Nicht wenige optimierten ihre Ma-
gazine dahingehend, um in der Schuppung
– also der Auslage – noch einen Hauch
stärker herauszustechen als die Konkurrenz.
Heute, dass wurde uns nicht nur durch die
Beobachtung in Zügen oder Cafés für das
Bauchgefühl bestätigt, ist die Bahnhofs-
buchhandlung überall in jedem Smartpho-
ne. Dort sind die Menschen, dort nutzen
sie Medien und tauschen sich über soziale
Netzwerke aus. Wer also heute über einen
Relaunch eines Mediums spricht, muss Mo-
bile First sagen. Und das meint eben nicht
nur neue Schriften, Farben, mehr oder we-
„0“ + „1“ oder
Relaunch 4.0
„Das mobile
Internet gibt dem
seit Jahren zu
beobachtenden
Medienwandel
einen weiteren
Schub.“
Manfred Krupp, Intendant des Hessischen
Rundfunks und Vorsitzender der ARD/ZDF-
Medienkommission.